Ein Klingeln riss Matthias aus einem unruhigen Schlaf. Erschrocken zuckte er zusammen und spürte gleichzeitig einen stechenden Schmerz in seinem Rücken. Verflucht, war er etwa hier auf dem Balkon eingeschlafen?
Verwirrt sah er sich um und musste feststellen, dass er tatsächlich auf dem Balkon saß, halb zusammengekauert auf dem Stuhl. Wieder klingelte es, begleitet von einem Klopfen.
„Ich komm ja schon", rief er, faltete sich mühsam aus dem Stuhl und streckte sich. Seine Knochen knackten und er humpelte durch die Wohnung. Inzwischen klingelte jemand Sturm, gleichzeitig malträtierte jemand die Tür, als wollte er sie einschlagen.
„Was zur Hölle...", murmelte er, trat die letzten Schritte durch den Flur und riss die Wohnungstür auf.
„Was?", fragte er genervt, denn egal wer da vor seiner Wohnungstür stand, musste vollkommen übergeschnappt sein. Er blickte in das Gesicht seines Vaters, das genau so wutverzerrt aussah wie sein eigenes.
„Endlich! Wie tief hast du denn geschlafen?", rief sein Vater, Darren, kopfschüttelnd aus und erst da bemerkte Matthias, dass hinter ihm Aaliyah stand. Sie wirkte ein wenig verloren und ihr Blick war auf den Boden gerichtet.
„Jetzt bin ich auf jeden Fall wach", brummte er und streckte den Arm nach Aaliyah aus, die sofort an seinem Vater vorbei zu ihm lief und sich an ihn drückte.
„Du kannst sie nicht einfach bei mir abladen und sie nicht wieder abholen", sagte sein Vater leise, aber doch eindringlich. Matthias stöhnte und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
„Wie spät ist es denn?", fragte er, denn eigentlich hatte er Aaliyah tatsächlich abholen wollen. Der Blick seines Vaters wurde misstrauisch, beinahe lauernd. Anstatt ihm zu antworten betrat er die Wohnung und schloss die Tür hinter sich.
„Wir unterhalten uns mal", sagte er und bedeutete Aaliyah mit einer Kopfbewegung, dass sie in ihr Zimmer gehen sollte. Anscheinend begriff sie, dass ihr Opa keine gute Laune hatte und verdrückte sich eilig.
Matthias senkte schuldbewusst den Blick. Ihm war klar, dass er nicht wirklich der Zuverlässigste war, aber konnte sein Vater denn nicht verstehen, dass das hier alles andere als ein normaler Tag war? Er spürte, wie sein Vater ihn an der Schulter packte und in Richtung Wohnzimmer schob. Resignierend akzeptierte er, dass er sich wieder einmal eine Standpauke über seine Unzuverlässigkeit anhören musste, auch wenn er es noch immer nicht fair fand, wie oft er da durch musste. Aber das war vermutlich noch immer die Nachwirkung der Fehler in seiner Vergangenheit. Das Vertrauen in ihn war zerbrechlich und bei dem kleinsten Fehltritt zerbrach es, wohingegen es bei jedem anderen nur einen minimalen Riss bekommen hätte.
Sie betraten das Wohnzimmer und endlich ließ Darren ihn los.
„Zieh dir was an", befahl er und erst da wurde ihm bewusst, dass er nur eine Boxershort und ein schlabbeliges T-Shirt trug. Wortlos ging er ins Schlafzimmer, zog sich eine ordentliche Jeans und ein T-Shirt an und ging zurück ins Wohnzimmer.
Darren saß inzwischen auf dem Sofa und in diesem Augenblick bemerkte er die ersten grauen Haare. Sein Vater war ziemlich glücklich, dass sein schwarzes Haar erst mit 54 anfing, an den Schläfen grau zu werden, allerdings trug er in der letzten Zeit meist eine schwarze Schiebermütze.
Matthias ließ sich mit einem Seufzen neben ihm auf dem Sofa nieder und tippte kurz sein Handy an. Er bemerkte mehrere verpasste Anrufe, alle von seinem Vater. Als sein Blick auf die Uhrzeit fiel, zuckte er zusammen. Es war bereits 15:14 Uhr.
„Oh", murmelte er und sah ihn schuldbewusst an. Darrens Augenbrauen zogen sich zusammen, er war eindeutig wütend.
„Wenn du sie bei mir lässt und Esra im Krankenhaus ist, musst du erreichbar sein. Es könnte etwas passieren", startete Darren seine Tirade, die eindeutig kommen würde. Auch wenn er bereits 34 war, fühlte er sich in diesem Moment wieder wie fünfzehn.
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Slice of Life - L'Affaire
RandomJonas ist vollkommen gestresst von der Arbeit, worunter nicht nur er leidet, sondern auch sein langjähriger Freund Matthias und dessen Tochter Aaliyah. Bei all dem Stress kommt das bevorstehende Wochenende in Frankreich ganz recht. Ein alter Schulfr...