Kapitel 62 - Jonas

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Jonas starrte auf das kleine Sprechblasensymbol oben in der Ecke auf seinem Handydisplay. Es war klar, dass Matthias ihm erneut eine Nachricht geschickt hatte, aber er wagte es nicht, sie zu lesen. Schmerzhafte Erinnerungen machten sich in ihm breit, als er an den vergangenen Abend dachte und wie kurz er davor gewesen war, zu Matthias zurückzukehren. 

Nun lag er im Bett neben Markus, der ihm in diesem Moment den Rücken zuwandte und leise schnarchte. Jonas hingegen war hellwach. Sein Wecker würde in einer Minute klingeln und eilig stellte er ihn aus. Sein Herz pochte unangenehm gegen seine Rippen und es wurde immer schlimmer, je länger er das Symbol auf seinem Handy anstarrte. 

Er seufzte leise, schlug die Decke zurück und stand auf. Mit nackten Füßen schlich er ins Bad, um sich zu duschen. Heute musste er noch einmal auf die Arbeit, anschließend würde er gemeinsam mit Markus nach Frankreich fahren. Komischerweise war ihm gar nicht wohl bei der ganzen Sache, auch wenn er anscheinend doch irgendwie Gefühle für Markus hatte. Er schien ihn zu lieben, denn wieso sollte er sich sonst von ihm so sehr herumschubsen lassen und wieso sollte er noch immer bei ihm bleiben, trotz der ganzen Streits allein in den letzten Tagen? 

Jonas drehte das Wasser in der Dusche auf, legte sein Handy auf die kleine Ablagefläche über dem Waschbecken und zog sich aus. Allerdings wanderte sein Blick wie von allein immer wieder zu seinem Handy. 

Markus schlief noch. Er wäre unbeobachtet und wenn er es wollte, könnte er Matthias Nachricht lesen. Jonas spürte, wie sich ein unangenehmes Kribbeln auf seiner Haut ausbreitete und wie seine Kehle eng wurde. Wie von allein machten seine Füße den einen Schritt bis zum Waschbecken und er nahm das Handy wieder in die Hand. 

Vielleicht hatte Matthias ja auch endgültig genug von ihm und setzte ihm ein Ultimatum, bis wann er seine restlichen Sachen aus der Wohnung verschwinden lassen sollte. Kopfschüttelnd vertrieb er die negativen Gedanken, denn wenn er ehrlich war, glaubte er nicht, dass Matthias das tun würde. Dafür war er viel zu gefühlsduselig und es passte einfach nicht zu ihm, dass er ihn ohne die Sache geklärt zu haben vor die Tür setzte. Nicht nach nur sechs Tagen. 

Vor sechs Tagen hatte er Markus im L'Affaire getroffen. War das wirklich erst eine so kurze Zeit? Es kam ihm viel länger vor, eher wie ein oder zwei Monate. Jonas atmete noch einmal tief durch, dann entsperrte er sein Handy und klickte auf die Nachricht.

„Jonas, ich vermisse dich. Ich muss die ganze Zeit an dich denken. Bitte gib mir noch eine Chance, ich verspreche dir, dass auch ich dich glücklich machen kann. Ich liebe dich! M."

Jonas konnte das Gefühl, das sich in ihm ausbreitete, nicht beschreiben. Es war eine Art Leere, gleichzeitig kam es ihm vor, als wäre er eine Puppe, die in einem Würfel steckte, den jemand schüttelte, sodass er immer und immer wieder gegen die Wände geschleudert wurde. 

Natürlich gab Matthias ihn noch nicht auf. Nur sechs Tage und sein riesiger Fehler konnten anscheinend nichts an Matthias Gefühlen für ihn ändern. Oder doch? Wenn er ihm die ganze Misere gestand, würde er dann seine Meinung ändern? Jonas schüttelte unablässig den Kopf, legte sein Handy wieder zurück auf die Ablage und beeilte sich, in die Dusche zu kommen. 

Er hatte schon viel zu viel Wasser verschwendet, sodass er sich nun besser beeilte. Doch kaum dass das angenehm warme Nass seine Haut berührte, bröckelte seine Entschlossenheit. Er ließ sich einige Minuten lang berieseln und genoss das angenehme Gefühl. 

Seine Gedanken wanderten zu Matthias und er fragte sich, was er wohl gerade machte. Genau wie er würde er arbeiten müssen, vielleicht stand er ja in diesem Moment auch unter der Dusche. Womöglich dachte er sogar auch an ihn und ärgerte sich darüber, dass er auf seine Nachricht noch keine Antwort bekommen hatte. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt