Kapitel 34 - Jonas

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Markus schlief noch, als Jonas leise das Hotelzimmer verließ. Er würde sich auf dem Weg ein kleines Frühstück besorgen, genau so wie den Kaffee, den er dringend brauchte. Zwar hatte er eigentlich genug geschlafen, aber er fühlte sich kein bisschen ausgeruht. Es war, als würden seine ganzen quälenden Gedanken ihn körperlich auslaugen und er verspürte das drängende Bedürfnis, einfach mal drei Tage lang nur im Bett zu liegen und nichts zu tun. 

Seufzend stieß er die Tür zum Treppenhaus auf, lief die Stufen bis nach unten und verließ das Hotel. Während er lief klimperte sein Schlüssel in seinem Rucksack und wieder einmal wurde ihm bewusst, dass er dringend nach Hause musste, um sich frische Klamotten zu holen. Vielleicht würde er es besser gleich machen, wenn Matthias schon auf dem Weg zur Arbeit war. 

Ein dicker Knoten bildete sich in seiner Brust, als er an Matthias dachte. Seine Nachricht von gestern klang so zuversichtlich, so als ging er davon aus, dass sie beide wirklich noch eine Chance hatten. Aber so einfach war das nicht. Selbst wenn sie sich aussprachen, Matthias ihm verzieh, wäre nicht alles in Ordnung. Sein zermürbendes schlechtes Gewissen, seine Reue und ganz vielleicht auch ein wenig Wehmut, Markus vollends das Herz aus der Brust zu reißen, ließen es in unerreichbare Ferne rücken. Egal was er tat, irgendjemand litt, abgesehen von ihm selbst, denn er würde unter allen Umständen leiden. 

Seufzend ließ er sich in sein Auto fallen, hievte den Rucksack auf den Beifahrersitz und zog sein Handy aus der Hosentasche. Wie üblich legte er es in das kleine Fach in der Mittelkonsole und startete anschließend den Motor. Sein Blick fiel auf die kleine Uhr am Radio. Es war erst kurz nach halb sieben, sicherlich war Matthias noch zu Hause. Er kam oft nicht wirklich aus dem Bett und die Caritas öffnete erst um acht. 

Er schüttelte den Kopf und fuhr von dem kleinen Parkplatz herunter. Komischerweise war es gar nicht so leicht, einen Moment abzupassen, in dem Matthias nicht zu Hause war, um sich frische Klamotten zu holen. Vielleicht sollte er Markus bitten... nein, das wollte er nicht. Markus sollte nicht in seine und Matthias Wohnung gehen und dort herumkramen. 

Jonas spürte, wie sich seine Finger fester um das Lenkrad klammerten. Er musste sich entscheiden und zwar bald. Entweder er fuhr jetzt nach Hause auf die Gefahr hin, dass Matthias noch dort war oder er wartete bis nach Feierabend, in der Hoffnung, dass er noch arbeitete. 

Sein Herz fing an zu pochen, als er an der Straße vorbeifuhr, die er hätte nehmen müssen, um nach Hause zu kommen. Nach Hause. War diese Wohnung noch sein zu Hause? Er wusste es nicht. Wie lange würde er noch so unentschlossen wie jetzt weiter machen können? Wann würde Matthias endgültig genug von ihm haben und ihn rausschmeißen? 

Jonas bemerkte, dass sich Tränen in seinen Augen sammelten, die er eilig wegblinzelte. Ihm wurde klar, dass er sich nicht einfach so aus dem Staub machen konnte. Es ging nicht, er musste Matthias noch einmal unter die Augen treten. Spätestens, wenn er sein Zeug aus der Wohnung holte, würde er ihm sicherlich zwangsläufig über den Weg laufen. 

Auf einmal fand er sich auf dem Parkplatz vor dem Polizeipräsidium wieder, in dem er arbeitete. Das blaue Schild mit der Aufschrift „Polizei" erinnerte ihn daran, dass er hier war, um einen wichtigen Job zu machen, für den er konzentriert sein musste. Er konnte es sich nicht erlauben, Fehler zu machen. 

Er atmete noch einmal tief durch, dann stieg er aus dem Auto und ging in Richtung des Eingangs. Genau wie gestern schon musste er den Pförtner nett anlächeln, damit er ihn hereinließ, denn sein Dienstausweis lag noch in der Wohnung. Zum Glück war er auffällig genug, sodass der Pförtner sich an ihn erinnerte und ihn hereinließ. 

Kaum dass er das Gebäude betrat, fühlte er sich wie in einem Film. Hier war er auf der Arbeit, hier hatten seine verwirrten Gefühle und das schlechte Gewissen keinen Platz. Er umklammerten den Riemen seines Rucksacks etwas fester, als er an den offenstehenden Büros der Polizisten vorbeiging und ihnen ein „Guten Morgen" zubrummte, welches einige unangemessen fröhlich erwiderten. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt