Kapitel 75 - Matthias

1 0 0
                                    

Teil 3

Matthias schreckte mitten in der Nacht hoch. Zumindest nahm er an, dass es Nacht war, denn durch die Ritzen in den Rollläden drang kein Licht herein. Es war unglaublich stickig hier drin und er schwitzte. 

Im Nachhinein konnte er gar nicht bestimmen, was ihn geweckt hatte, vielleicht war es ja innere Eingebung. Mühsam erhob er sich, ging zum Fenster und zog die Rollläden hoch. Der Mond versteckte sich hinter dicken Wolken, die sich unheilverkündend am Himmel aufbauschten. 

Er öffnete das Fenster und lehnte sich für einen Moment hinaus. Eine frische Brise wehte ihm das Haar ins Gesicht und für einen Moment genoss er den kühlen Wind auf seiner schweißnassen Haut. Allerdings meldete sich seine Blase und er trat vom Fenster weg. Sofort umfing ihn wieder die stickige Luft in der Wohnung und er beschloss, noch einmal durchzulüften. 

Im Wohnzimmer öffnete er die Balkontür, anschließend ging er ins Bad und erleichterte sich. Gerade als er zurück ins Schlafzimmer gehen wollte, blieb sein Blick im Spiegel hängen. In dem künstlichen Licht wirkte er ungewöhnlich blass und sein Haar war ganz strubbelig. Er glättete es mit der Hand, bevor er kopfschüttelnd der Blick losriss und sich umwandte. Ein Gähnen machte ihm deutlich, dass er dringend noch etwas schlafen sollte.

Auf einmal wieder müde wankte er durch den Flur, als ihn auf einmal ein Geräusch innehalten ließ. Es kam aus dem Treppenhaus, ein Schniefen. Matthias Herz setzte einen Schlag lang aus, denn... nein, das konnte nicht sein! Jonas war doch in Frankreich. 

Dennoch wandte er sich um und ging langsam, beinahe wie auf der Hut zur Wohnungstür und lauschte. Wieder das Schniefen, geräuschvolles, wimmerndes Ausatmen, gefolgt vom Klappen eines Schlüssels. 

Matthias fühlte sich auf einmal, als schnürte ihm ein unsichtbares Band den Brustkorb zusammen. Es war eindeutig Jonas, aber was machte er hier? Und vor allem: warum weinte er? Matthias Hand wanderte nach vorn, legte sich auf die Klinke. Zögernd hielt er inne. Von außen wurde ein Schlüssel ins Schloss geschoben und bevor er herumgedreht wurde, öffnete Matthias die Tür einen Spaltbreit. 

Im Treppenhaus war es dunkel, dennoch erkannte er Jonas. Das Weiß in seinen Augen schimmerte und er zuckte heftig zusammen, als er Matthias sah. Erst da bemerkte Matthias etwas Weißes in seinem Gesicht, über der linken Augenbraue. Er konnte nicht erkennen, was es war und bevor er wusste, was er tat, schaltete er das Licht im Flur an, sodass ein winziger Lichtstrahl ins Treppenhaus fiel. Nun erkannte er, was da in Jonas Gesicht war. Ein Pflaster. Ein ziemlich großes. Und nach etwas bemerkte er: Blut. Seine linke Gesichtshälfte war von getrocknetem Blut verunstaltet, ebenso sein Shirt. Matthias riss die Tür weiter auf, um ihn genauer betrachten zu können. Sein Mund öffnete sich, vollkommen ungläubig. 

„Was ist denn mit dir passiert?", platzte es aus ihm hervor, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. Tausend Szenarien schossen ihm in den Kopf. Ein Autounfall? War er gestürzt oder überfallen worden? Jonas schluckte schwer, senkte den Blick auf die Hände und trat unruhig von einem Fuß aus den anderen. 

„Kann... kann ich reinkommen?", fragte er, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Matthias fühlte sich wie in Schockstarre. War das hier nur ein Traum, aus dem er gleich schweißgebadet aufwachen würde? Oder... oder meinte Jonas es wirklich ernst und er war wieder zurück? 

Erst da wurde ihm klar, dass Jonas noch immer verunsichert vor der Tür stand. Eilig trat er einen Schritt beiseite, damit er hereinkommen konnte. Nur zögerlich tat er es und blieb unschlüssig vor ihm stehen. Matthias konnte nicht anders, als ihn anzustarren. 

„Was ist passiert?", wiederholte er seine Frage und schloss anschließend die Wohnungstür. Sein Blick ruhte auf seinem verschandelten Gesicht, aber komischerweise verspürte er nicht den Drang, ihn in den Arm zu nehmen. Immerhin hatte Jonas ihn betrogen, mehr als einmal vermutlich, hatte ihn verlassen und all seine Versöhnungsversuche fast eine Woche lang ignoriert. Unwillkürlich verschränkte er die Arme vor der Brust. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt