Kapitel 37 - Matthias

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Überraschenderweise musste Matthias zugeben, dass „The Witcher" gar nicht so schlecht war, wie es bisher immer angenommen hatte. Die ersten Folgen waren vorbei und er betrachtete die Namen im Abspann, bevor er den Knopf drückte, um zur nächsten Folge zu wechseln. 

Er lag auf dem Bauch auf dem Sofa, ein Arm baumelte auf dem Boden, der andere lag in einem Winkel, den er sicherlich nachher bereuen würde, unter seinem Kopf. Der Ventilator blies durchgehend den kühlen Wind in seine Richtung, dennoch fühlte er sich matt und kraftlos. Seine Gedanken hatten sich offensichtlich nur kurz vom Fernseher ablenken lassen, denn auf einmal tauchte Jonas vor seinem inneren Auge auf. Wie er Hand in Hand mit Markus durchs Einkaufzentrum lief, vor Schaufenstern stehen blieb und aufgeregt auf Dinge zeigte. 

Er schluckte schwer, denn er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass Jonas den Einkaufsbummel genoss. Sicherlich war er vollkommen fertig, machte sich Vorwürfe und wurde von seinem schlechten Gewissen zerfressen. 

Matthias seufzte vollkommen entnervt. Warum kam Jonas nicht einfach nach Hause, erklärte ihm alles, ließ eine wütende, aber kurzweilige Schimpftirade über sich ergehen und ließ zu, dass sie weiter machten, wie bisher? Sicher, Matthias würde noch eine Weile verletzt und wütend auf ihn sein, aber er liebte Jonas nun einmal. Er verzieh ihm, dass er mit Markus im Bett gelandet war. Immerhin waren sie schon lange zusammen und es war gut möglich, dass er getrunken hatte und sich nach Abwechslung sehnte. 

Matthias spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. War es wirklich so einfach, ihm zu verzeihen? Oder klammerte er sich nur so sehr an Jonas, weil er keine Veränderung in seinem Leben wollte? Nein, das war Quatsch. Er liebte Jonas, wusste, dass Aaliyah ihn liebte und auch Duygu ihn als Bezugsperson sah, auch wenn sie inzwischen deutlich weniger Zeit bei ihnen verbrachte. 

Die erste Träne lief über und kullerte über seinen Nasenrücken, bevor sie auf den Stoff des Sofas tropfte. Er schniefte, wischte die Tränen mit dem Handrücken weg und setzte sich auf. Sofort spürte er, wie sein Kopf heiß wurde, da er nun nicht mehr im kühlen Luftstrom des Ventilators lag. 

Sein Blick fiel auf sein Handy, das genau in diesem Moment schrillte. Das Geräusch ging ihm durch Mark und Bein und eilig griff er danach. Es war Oskar, der ihn anrief. Sofort war er hellwach und nahm mit zitternden Fingern das Gespräch an. 

„Ja?", fragte er und lauschte angestrengt, um auch ja nichts von Oskars Bericht zu verpassen. 

„Ich bin's", sagte Oskar überflüssigerweise, was Matthias genervt die Augen verdrehen ließ. 

„Erzähl schon", forderte er, doch Oskar schwieg. Sofort wurde er panisch und sprang auf. Seine Hand fuhr durch sein schulterlanges Haar, das ganz zerzaust war. 

„Oskar! Was zur Hölle hast du gesehen?", fragte er verzweifelt und panisch zugleich. Oskar stieß pfeifend die Luft aus. 

„Sieht so aus, als wohnen sie in einem Hotel", sagte Oskar schließlich. Augenblicklich schossen herzzerreißende Bilder in Matthias Hirn. Sie hatten sich tatsächlich ein Hotelzimmer genommen. Sie schliefen in einem Bett, teilten sich einen wahrscheinlich nicht sehr großen Raum. 

Matthias wurde wütend, auch wenn er sich schon gedacht hatte, dass sie in irgendeinem Hotel abgestiegen waren. Immerhin war Jonas gestern bei der Arbeit gewesen und er würde mit Sicherheit nicht im Auto geschlafen haben. 

„Und weiter? Was haben sie im Einkaufszentrum gemacht?", fragte Matthias aufgeregt und er spürte, wie seine Knie anfingen zu schlottern. 

„Sie waren was essen und sie haben geredet. Ich konnte nicht hören was, aber... also...", berichtete er, aber wieder schien er nicht wirklich mit der Sprache herausrücken zu wollen. Matthias wusste, dass sie sich nicht nur wie Kumpel unterhalten hatten. Vermutlich hatten sie Händchen gehalten, sich lachend auf die Schulter geklopft und sich vermutlich auch noch in aller Öffentlichkeit geküsst. Das schmerzte viel mehr als die Vorstellung, dass Jonas mit besoffenem Kopf mit Markus im Bett gelandet war. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt