Kapitel 51 - Matthias

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Ein Vibrieren nahe seines Gesichts ließ Matthias aus einem traumlosen und wenig erholsamen Schlaf aufschrecken. Müde blinzelte er, wobei sich seine Lider wie Sandpapier anfühlten. Er tastete nach seinem Handy, das neben ihm auf der Matratze lag und warf einen Blick darauf. Geblendet von dem hellen, unnatürlichen Licht kniff er die Augen zusammen, zwang sich aber schnell, sie wieder so weit zu öffnen, dass er seinen Daumen treffsicher auf den grünen Hörer legen könnte. 

„Ja?", fragte er und warf einen Blick zu Mona, die noch immer neben ihm im Bett lag. Sie schlief, die kleinen Hände um ihren Teddy gelegt. 

„Wir sind in zehn Minuten zurück. Ist alles okay bei euch?", fragte Sheila, die merkwürdig erschöpft klang. Matthias räusperte sich und erhob sich aus dem Bett, bevor er antwortete. 

„Mona schläft. Wie geht es Jonathan?", fragte er, denn obwohl sein Hirn eigentlich bereits randvoll von Jonas war, wäre es unhöflich sich nicht nach ihm zu erkundigen. Sheila seufzte theatralisch. 

„Er hat einen Bänderriss im Knöchel und eine ordentliche Gehirnerschütterung", antwortete sie. Matthias nickte automatisiert. 

„Gute Besserung an ihn", sagte er und musste unwillkürlich an seinen Schwager denken. Er mochte ihn, auch wenn er manchmal ein wenig stur und hitzköpfig sein konnte und auch seine Eifersucht war nicht immer ganz ohne. Ganz genau so wie die von... Matthias stockte. Jonas. 

„Dann bis gleich", hörte er Sheila noch sagen, dann legte sie ohne eine Antwort abzuwarten auf. Matthias fühlte sich auf einmal, als hätte man ihn in ein Loch geschubst, auf dessen Boden er unsanft aufgeschlagen war. 

Jonas war gegangen. War das wirklich erst ein paar Stunden her? Wut stieg plötzlich in ihm auf, denn auch wenn er zutiefst verletzt war, dass Jonas ihn erst hintergangen und dann ohne eine richtige Aussprache verlassen hatte, machte ihn rasend vor Wut. Das hatte er nun wirklich nicht verdient. 

Allerdings drängten sich auch Zweifel in sein Hirn. Jonas hatte unweigerlich seinen Fehltritt mit Markus bereut, aber warum war er dennoch gegangen? Matthias hatte ihm nur allzu deutlich gesagt, dass er ihm verzieh und weiterhin mit ihm zusammen sein wollte. Trotzdem war er gegangen und würde vermutlich nur noch einmal zurückkommen, um seine Sachen abzuholen. 

Ein Keuchen entfuhr ihm und panisch klammerte er sich am Türrahmen fest, um nicht hinzufallen. Was sollte er nun tun? Es verdrängen und darauf vertrauen, dass Jonas wieder zur Vernunft kam und zu ihm zurückkehrte? Um ihn kämpfen, ihn mit süßen Nachrichten bombardieren und ihn auf der Arbeit abfangen? Oder sollte er anfangen, sich damit abzufinden, dass er ihn verloren hatte? Nein, Variante drei war eindeutig noch viel zu früh. 

Ausgelaugt von seinen eigenen Gedanken schüttelte er den Kopf. Er musste mit jemandem darüber reden, der ihm einen Rat geben konnte. Augenblicklich dachte er an Sheila, da sie in wenigen Minuten hier sein würde, aber eilig verwarf er die Idee. Jonathan wollte sicherlich schnell nach Hause und auch Mona musste dringend weiterschlafen. Abgesehen davon war Sheila nicht jemand, der die Dinge neutral sehen konnte. Sie würde unweigerlich ihren Hass auf Jonas kundtun, was ihm einfiel und absolut nichts dazu beitragen, dass er eine Lösung fand. 

Eigentlich gab es nur eine Person, mit der er reden konnte. Mühsam riss er sich zurück ins Hier und Jetzt und warf einen Blick über die Schulter zu Mona, die seelenruhig schlief. Leise schlich er zu ihr, was ihm erst als er bei ihr angekommen war als überflüssig klar wurde, da sie ja nichts hörte. Er ging neben dem Bett in die Hocke, legte die Hand auf ihren Arm und rüttelte sanft daran. Es dauerte eine Weile, bis sie aufwachte und als sie ihn erkannte, zuckte eindeutig Enttäuschung über ihr Gesicht. 

Matthias schaltete die kleine Nachttischlampe ein und klaubte Monas Kleid und ihr Jäckchen vom Boden auf und hielt es ihr hin. Sie schien zu begreifen, dass sie sich anziehen sollte und gehorchte. Währenddessen holte Matthias ihre Hörgeräte, aber er musste zugeben, dass er keine Ahnung von diesen Dingern hatte. Zwar hatte Sheila ihm für den Notfall mal gezeigt, wie er die bediente, aber das war schon Ewigkeiten her und er wollte sie nicht kaputt machen. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt