Kapitel 42 - Jonas

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Vollkommen unausgeruht quälte Jonas sich am nächsten Morgen aus dem Bett. Seine Glieder schmerzten, ebenso wie sein Kopf. Müde fuhr er sich mit den Händen durchs Gesicht und spürte leichte Bartstoppeln, die unbedingt ab mussten. Er sah mit Bart schrecklich aus und mochte auch das kratzige Gefühl nicht. 

Ein Seufzen entfuhr ihm, denn auf einmal sehnte er sich nach seinem eigenen Bad zu Hause. Dort war sein Rasierer, seine Anti-Aging-Creme, die unverschämt teuer war und nichts bewirkte, durch die er sich aber besser fühlte und auch sein übriges Zeug. Außerdem spürte er, dass nicht nur in seinem Gesicht die Haare wuchsen, sondern auch unter seinen Achseln, was er gar nicht leiden konnte. 

Auf einmal hörte er eine aufgehende Tür und beinahe erschrocken riss er den Blick hoch. Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass Markus gar nicht neben ihm im Bett gelegen hatte. 

„Du bist ja wach", bemerkte Markus und schaltete ohne Vorwarnung das Deckenlicht an. Geblendet kniff Jonas die Augen zu und brummte leise, was Markus jedoch unkommentiert ließ. Stattdessen schlenderte er auf das Bett zu, ließ lasziv das Handtuch auf den Boden fallen und kramte auf dem Boden in seinem Klamottenhaufen nach etwas Frischem. 

Auch Markus würde bald nach Hause müssen, immerhin hatte er nur für ein paar Tage gepackt. Jonas schluckte schwer, denn es kam ihm merkwürdig vor, Markus einfach am Bahnhof abzusetzen und zurück nach Frankreich fahren zu lassen. Er wusste nicht wieso, aber zwischen ihnen war in den letzten Tagen etwas entstanden, das er nicht verleugnen konnte. War es Liebe? Vermutlich nicht. Oder doch? 

Jonas fuhr sich durch die Haare und erhob sich. Seine Gedanken waren vollkommen durcheinander und er beschloss, sich schnell im Bad etwas frisch zu machen. 

Kaum dass er ein paar Schritte gegangen war, packte Markus ihn auf einmal am Handgelenk. Erschrocken wandte Jonas sich um und sah ihn an. Markus war inzwischen angezogen und der frische Duft nach Shampoo flog zu Jonas herüber. 

„Hey. Wir müssen über gestern Abend reden. Über die Nachrichten und...", setzte Markus an, brachte den Satz aber nicht zu Ende. Jonas rutschte das Herz in die Hose, denn auch wenn Markus einen versöhnlichen Ton angeschlagen hatte, war ihm klar, dass Vorwürfe folgen würden. Erfolglos versuchte er, ihm sein Handgelenk zu entwinden, was aber nur dazu führte, dass Markus seinen Griff verstärkte. 

„Und über deine Gefühle. Ich weiß, dass das alles viel für dich ist und ich dich vielleicht etwas überrumpelt habe. Aber dir soll klar sein, dass ich dich liebe. Ich will ein Leben mit dir. Wir beide, wir können zusammen glücklich werden, wenn du ihn endlich vergisst", plapperte Markus in seinem gewohnt einlullenden Tiraden weiter und auch wenn Jonas schon mehr als einmal darauf hereingefallen war, schüttelte er den Kopf. Wobei, er war eigentlich nicht auf Markus hereingefallen, denn mit Sicherheit meinte er jedes seiner vielen Worte ernst. 

„Ich... ich kann im Moment nicht klar denken. Können wir... können wir das auf später verschieben? Ich muss zur Arbeit", sagte Jonas und zu seiner Überraschung ließ Markus sein Handgelenk tatsächlich los. 

„Gut. Reden wir heute Abend, ganz in Ruhe. Auch wie es weitergehen soll. Denn du und ich wissen beide, dass das hier nur eine Übergangslösung ist", erwiderte Markus. Jonas nickte, huschte anschließend aber schnell ins Bad. 

Hoffentlich gönnte Markus ihm die wenigen Minuten Ruhe, denn wie sollte er sich über alles klar werden, wenn er ihm die Luft zum Atmen nahm? Jonas spürte, wie die Anspannung in ihm von Tag zu Tag anschwoll und er dringend eine Auszeit brauchte. Er atmete tief durch, blinzelte ein paar Mal und zwang sich zurück ins Hier und Jetzt. Er musste sich fertig machen, zur Arbeit fahren und einen Vergewaltiger und Mörder überführen. Da war kein Platz für sein privates Liebesleben. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt