Kapitel 35 - Matthias

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Matthias verfluchte Andreas, verfluchte Louisa und die ganze Welt. Vollkommen abgehetzt kam er an Jonas Arbeitsplatz an, aber auf den blöden Parkplatz stand kein einziges Auto mehr. Er war zu spät, er hatte Jonas schon wieder verpasst! Das durfte nicht wahr sein! Was sollte er jetzt tun? 

Einen Moment lang blieb er an dem geschlossenen Tor stehen, umklammerte die Gitterstäbe und starrte auf den Parkplatz, als könnte er so Jonas wieder heraufbeschwören. Nach ein paar Sekunden realisierte er, dass die Chance, dass er Jonas heute sah, geringer wurde, umso länger er hier herumstand und nichts tat. 

Wütend schlug er mit der flachen Hand gegen die Gitter, wandte sich ab und ging zurück zu seinem Auto, das im Parkverbot stand. 

Jonas konnte sich ihm nicht ewig entziehen. Irgendwann würde er eine Entscheidung treffen müssen. Allein bei der Vorstellung, er könnte sich gegen ihn entscheiden, drehte sich ihm der Magen um. Wenn sein ganzer Kram aus seiner Wohnung verschwunden sein würde, wenn er sich nicht mehr abends an ihn schmiegen und mit ihm zusammen einschlafen konnte, mit ihm über seine Probleme reden konnte... Sein Herz schmerzte bei der Vorstellung und das nicht nur im übertragenen Sinne. Es fühlte sich wahrhaftig an, als würde sein Herz physisch brechen. 

Er setzte sich wieder ins Auto, ließ als erstes die Fenster herunter und sah zur Sicherheit noch einmal auf sein Handy. Natürlich hatte er sich nicht gemeldet. Sollte er ihm noch eine Nachricht schreiben? Immerhin hatte er ihn über Facebook erreichen können, vielleicht war es noch immer so. Bevor er wirklich darüber nachgedacht hatte, tippten seine Finger die Worte in sein Handy. 

„Jonas, bitte. Komm nach Hause. Ich bin in zwanzig Minuten da, bitte lass uns reden. Ich liebe dich!" schrieb er und hoffte, dass seine Worte so verzweifelt klangen, wie er sich fühlte. 

Mit noch immer zitternden Fingern startete er den Motor und fuhr los in Richtung nach Hause. Wieso entzog Jonas sich ihm? Sicher, er hatte einen Fehler gemacht und er konnte verstehen, dass er Angst hatte, sich dem zu stellen, aber er konnte ihn doch nicht einfach so stehen lassen. Ohne die Sache zu klären. 

Matthias konnte nur noch den Kopf schütteln, denn das war doch nicht Jonas. Ja, er reagierte manchmal etwas über, aber er konnte ihn nicht für immer ignorieren. 

Matthias fuhr vor sich hin grübelnd bis nach Hause und hielt unwillkürlich Ausschau nach Jonas Auto. Vielleicht hatte er es sich ja überlegt und wartete in der Wohnung auf ihn. Suchend fuhr er die Straße entlang, bis er endlich eine Parklücke fand, die groß genug war. Auch wenn er nicht ganz gerade darin stand, befand er es für gerade genug und beinahe rannte er in Richtung Haustür. Hoffentlich war er da. 

Seine Finger schwitzten so sehr, dass ihm fast der Schlüssel aus der Hand glitt, als er die Haustür aufschloss und leise fluchte er vor sich hin. So schnell er konnte raste er die Treppe bis nach oben, sodass sein Atem stoßweise ging. 

Komischerweise spürte er, dass Jonas nicht da war. Er wusste es einfach. Dennoch klammerte er sich an diese kleine Hoffnung, dass er ihn gleich in die Arme nehmen und ihn fragen konnte, warum um alles in der Welt er ihn betrogen hatte. 

Endlich schaffte er es, die Wohnungstür zu öffnen und viel zu fest stieß er sie auf, sodass sie an die Wand knallte. Er trat in den Flur und lauschte. Es war totenstill. Er warf die Tür ins Schloss und rannte ins Wohnzimmer, aber auch auf dem Balkon saß Jonas nicht. Obwohl er schon wusste, dass er nicht hier war, ging Matthias dennoch alle Räume ab, als würde er sich unter dem Bett verstecken oder hinter dem Vorhang stehen. Natürlich war das nicht der Fall, aber noch etwas wunderte ihn. Jonas war nicht hier gewesen. Die Wohnung war genau so, wie er sie verlassen hatte. Sogar sein Dienstausweis lag noch auf der Ablage an der Garderobe, den er sicherlich möglichst bald wiederhaben wollte. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt