Nachdem er auch seine zweite Zigarette geraucht und den letzten Rest aus seinem Glas heruntergespült hatte, betrat Jonas wieder den Club. Sofort bewegte er sich zu der Musik, was nicht nur dem Alkohol in seinem Blut geschuldet war. Schon lange hatte er sich nicht mehr so losgelöst gefühlt wie heute. All seine Probleme zu Hause waren wie weggeblasen und er wollte dieses Gefühl der Gelassenheit so lange wie möglich genießen.
Er gelangte schließlich zur Bar, bestellte sich noch ein Getränk und hielt Ausschau nach Antoine, der noch immer an der Bar saß. Allerdings allein. Jonas gesellte sich zu ihm und setzte sich auf den freien Barhocker neben ihn. Sofort strahlte Antoine über ganze Gesicht und klopfte ihm auf die Schulter.
„Hast du Spaß?", fragte er und sofort nickte Jonas.
„Ja, ich... ich hatte etwas Stress auf der Arbeit in der letzten Zeit", rief er ihm zu, was Antoine mit einem Nicken beantwortete. Anschließend deutete er mit dem Finger auf das Glas in seiner Hand.
„Dein wievielter ist das?", fragte er und einen Moment lang überlegte Jonas, zuckte aber schließlich die Schultern. Antoines Blick wurde eine Spur besorgt.
„Mach mal etwas langsamer, du schwankst schon ganz schön", sagte er eindringlich, was Jonas überrascht die Augen aufreißen ließ. Eigentlich fühlte er sich noch ziemlich klar und beherrscht. Dennoch nickte er, nahm aber noch einen Schluck aus seinem Glas. Antoine schüttelte den Kopf und wandte den Blick in Richtung der Toiletten.
Als Jonas seinem Blick folgte, entdeckte er Isabelle, die gerade aus der Damentoilette kam und direkt auf sie zusteuerte. Jonas schluckte schwer, als ihm wieder Isabelles Geständnis einfiel. Offensichtlich konnte auch Antoine die Augen nicht von ihr lassen. Unsanft boxte er seinem Kumpel gegen den Arm.
„Denk nicht mal dran. Du verletzt ihre Gefühle und Nathalies dazu. Denk an deine Kinder", mahnte er, was Antoine tatsächlich schuldbewusst den Blick senken ließ.
„Hast ja recht", murmelte er leise und straffte erschrocken die Schultern, als Isabelle zu ihnen kam.
„Setz dich", sagte Jonas und machte Anstalten, von dem Barhocker zu rutschen, aber Isabelle hob eilig die Hand.
„Nein, nein. Schon okay", winkte sie ab, trat näher an ihn heran und umarmte ihn auf einmal unerwartet fest. Er spürte ihren Körper an seinen gepresst, aber es war ihm keineswegs unangenehm. Bevor er die Umarmung erwiderte, stellte er sein Glas auf dem Tresen ab und legte anschließend die Arme um sie.
„Ich hab dich vermisst", säuselte sie, eindeutig angetrunken.
„Ich dich auch", erwiderte er, löste sich aber von ihr und schob sie an den Schultern ein Stück von sich weg. Ihm entging nicht, dass sie Antoine demonstrativ den Rücken zuwandte.
Plötzlich sog sie scharf die Luft ein und starrte an ihm vorbei zu etwas, das hinter ihm war. Automatisch wandte Jonas sich um und erkannte ein weißes T-Shirt und blond-graues Haar. Markus. Er stand direkt neben ihm, die Arme auf der Theke gelehnt und machte gerade in diesem Moment durch Winken den Barkeeper auf sich aufmerksam. Anscheinend hatte Markus ihn noch nicht bemerkt oder er ignorierte ihn.
Eilig wandte er den Blick wieder zu Isabelle, die langsam den Kopf schüttelte, bevor sie sich näher zu ihm beugte und ihre Lippen an sein Ohr legte.
„Er weiß, dass du hier bist. Er hat mir vorhin gesagt, dass er dich schon gesehen hat und nach dir gefragt", sagte sie, was Jonas unsanft zusammenzucken ließ. Seine Hand tastete nach dem Glas, das er auf den Tresen gestellt hatte und als er es fand, trank er es in einem Zug leer.
„Anscheinend ignoriert er mich. Was ich ziemlich gut finde", antwortete er ihr, woraufhin sie nickte und ihm den Arm erneut um die Schultern legte. Offensichtlich war sie heute kuschelbedürftig, wofür er allerdings genau der Falsche war.
„Lass uns tanzen", rief sie, griff nach seiner und anschließend nach Antoines Hand, der ein wenig überrascht aussah, sich aber ebenfalls von ihr in Richtung Tanzfläche ziehen ließ. Jonas folgte ihr bereitwillig, denn er wollte weg von Markus, auch wenn er ihn heute offensichtlich in Ruhe ließ. Das hätte ihm wirklich noch gefehlt, dass sein Ex sich an ihn ranmachte.
Isabelle zog in bis in die Mitte der Tanzfläche und ließ erst dort seine Hand wieder los, allerdings entging ihm nicht, dass sie sich sofort Antoine zuwandte und ziemlich innig mit ihm tanzte. Eilig wandte Jonas den Blick ab, denn er wollte nicht wirklich in die Sache zwischen den beiden hineingezogen werden.
Eine ganze Weile tanzte er für sich, bis er auf einmal ein weißes T-Shirt in dem flackernden Licht ausmachen konnte. Markus tanzte etwa drei Meter von ihm entfernt, ein Drink in seiner Hand. Er wirkte ziemlich ausgelassen und auch wenn er tatsächlich ziemlich zugenommen hatte, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte, wirkten seine Bewegungen flüssig.
Auf einmal wandte Markus sich zur Seite und blickte ihm genau in die Augen. Erst da wurde Jonas bewusst, dass er ihn angestarrt hatte. Panisch wandte er den Blick ab und schob die Hände in die Hosentaschen. Verdammt, jetzt hatte er ihn auch noch angestarrt! Wie von allein hob er wieder den Kopf und sah zu Markus, der ihn anlächelte, als hätte er nur darauf gewartet, dass er wieder zu ihm sah. Jonas Herz stolperte. Nicht, weil er noch Gefühle für Markus hatte, sondern weil vergangene Erinnerungen auf ihn einprasselten.
Markus und er hatten nicht nur schlechte Zeiten gehabt, aber wenn er ihre Beziehung mit der zu Matthias verglich, konnte er nur den Kopf schütteln. Sicher, er war inzwischen älter und reifer, wusste, was er wollte und auch Aaliyah spielte eine wichtige Rolle. Gleichzeitig hatte er viele Erlebnisse mit Markus geteilt, die seinen weiteren Lebensweg bestimmt hatten. Wieder ertappte er sich dabei, wie er ihn anstarrte und wieder sah Markus zu ihm zurück.
„Ich... ich muss raus", stammelte er, allerdings war ihm klar, dass weder Antoine noch Isabelle etwas davon mitbekommen hatten. Eilig quetschte er sich durch die Menge und ein wenig außer Atem verließ er den Club. Sofort atmete er tief ein und schloss die Augen, kaum dass er draußen war. Komischerweise drehte sich alles um ihn herum, wenn er die Augen schloss und schnell schlug er sie wieder auf.
Mit ein wenig zittrigen Fingern kramte er eine Zigarette hervor und zündete sie an. Vielleicht hatte Antoine recht und er sollte wirklich nichts mehr trinken. Er ging ein paar Schritte auf und ab, lauschte den umstehenden vereinzelten Leuten, die ebenfalls rauchten und sich angeregt unterhielten. Allerdings begriff er den Sinn ihrer Worte nicht, denn seine Gedanken wanderten zu Markus. Sicherlich würde er ihm hinterherkommen. Er wusste es einfach, dass er seinen Blickkontakt falsch deuten würde und ihm hier her nach draußen folgen würde.
Jonas rauchte seine Zigarette zu Ende und warf einen Blick zum Eingang des Clubs. Keine Spur von Markus. Ein wenig verwirrt sah er sich suchend um, denn er hatte fest erwartet, dass Markus zu ihm kommen würde. Aber das war nicht der Fall. Er war nicht hier. Erleichtert seufzte er auf und schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte Markus ja nun endlich begriffen, dass er kein Interesse mehr an ihm hatte. Noch einmal atmete er tief durch, dann betrat er wieder das L'Affaire. Er wollte noch etwas trinken und tanzen und einfach nur Spaß haben, so wie er es früher immer gehabt hatte.
DU LIEST GERADE
Slice of Life - L'Affaire
De TodoJonas ist vollkommen gestresst von der Arbeit, worunter nicht nur er leidet, sondern auch sein langjähriger Freund Matthias und dessen Tochter Aaliyah. Bei all dem Stress kommt das bevorstehende Wochenende in Frankreich ganz recht. Ein alter Schulfr...