Das L'Affaire sah noch genau so aus wie vor zwanzig Jahren. Das neonpinke Schild flackerte und die eigentlich bodentiefen Fenster neben der Eingangstür waren mit graffiti-besprühten Holzbrettern vernagelt. Eigentlich alles andere als einladend, aber das es der einzige Club weit und breit war, lief der Laden schon seit mindestens zwanzig Jahren ziemlich gut.
„Sarah und Isabelle sind schon drin", verkündete Raphael, der gerade auf sein Handy sah.
„Und Luc?", fragte Antoine, woraufhin Raphael nur die Schultern zuckte.
„Er wird schon noch auftauchen", sagte Jonas, gerade als sie sich in die Schlange vor dem Eingang einreihten.
Obwohl es inzwischen schon ungefähr zehn Uhr sein musste, war es heiß und Jonas schwitzte. Er hatte glücklicherweise nicht wie Antoine ein schickes T-Shirt eingezogen, sondern wie üblich eines seiner Muskelshirts gewählt, heute Abend ein lilafarbenes zu einer einfachen, ausgewaschenen Jeans und weißen Turnschuhen, die – obwohl sie genau so alt waren wie das L'Affaire – noch ziemlich gut aussahen.
Schon jetzt hörte er das dumpfe Wummern der Musik und er bekam Lust zu tanzen. Auf einmal spürte er einen Arm um seine Schultern und ein wenig überrascht wandte er den Blick um. Er sah in Antoines Gesicht, der auf einmal besorgt aussah.
„Hey, sag mal... du erinnerst dich doch an Isabelle, nicht wahr?", fragte er leise an seinem Ohr und in diesem Moment spürte er das erste Mal, dass er schon ein wenig angetrunken war.
„Klar doch", erwiderte er, denn Isabelle war mit ihnen allen zusammen zur Schule gegangen. Fragend sah er Antoine an, dessen Blick verschwommen wurde.
„Vielleicht...", setzte er an, wandte aber den Kopf ab, bevor er weitersprach.
„Ha! Weihst du unsere Kartoffel gerade in den kleines Geheimnis ein, das schon alle wissen?", mischte sich Raphael ein, der merkwürdig belustigt klang. Jonas Brust wurde eng. Wollte Antoine ihm etwa sagen, dass zwischen ihm und Isabelle... Nein! Das glaubte er nicht.
„Was?", platzte er heraus und sah Antoine entsetzt an. Raphael hinter ihnen lachte dreckig. Fassungslos schüttelte Jonas den Kopf, denn Antoine und Nathalie waren immer das Traumpaar schlechthin gewesen.
„Es war eine einmalige Sache, aber... heute sehe ich sie das erste Mal danach wieder", gestand er. Jonas schüttelte seinen Arm ab.
„Du willst mir sagen, dass du was mit Isabelle hattest? Weiß Nathalie davon?", fragte er und musste unwillkürlich an die beiden Kinder denken. Antoine war Familienvater und so weit er wusste auch immer glücklich mit Nathalie gewesen. Warum zur Hölle sollte er ihr das antun?
„Bist du verrückt? Sie darf davon niemals erfahren", rief Antoine aus, allerdings konnte Jonas in seinem Gesicht eindeutig ein schlechtes Gewissen erkennen. Ein sehr schlechtes Gewissen.
„Du Arsch!", rief er aus und boxte ihm gegen die Brust. Antoine rieb sich die Stelle, an der er ihn getroffen hatte.
„Es ist hier passiert", sagte Antoine und deutete mit dem Kopf auf den Eingang des Clubs. Jonas schnaubte.
„Du bist echt unglaublich. Du musst es ihr sagen", forderte er, aber Antoine schüttelte den Kopf.
„Es ist schon ein halbes Jahr her. Sicherlich erinnert sie sich gar nicht mehr daran", murmelte er, was Jonas nur den Kopf schütteln ließ. Das hatte er wirklich nicht erwartet und es machte ihn wütend, dass er Nathalie hintergangen hatte.
„Du... du sagst es ihr doch nicht, oder?", fragte er und klang gleichzeitig panisch und ängstlich. Jonas sah ihn einen Moment lang an, schüttelte dann aber kaum merklich den Kopf. Auch wenn er Nathalie schon lang kannte, war sie immer nur die Freundin von Antoine gewesen und nur in ihrer Clique dabei, weil die beiden schon immer ein Paar waren. Wirklich gut kannte er sie eigentlich nicht.
„Nein, ich werde ihr nichts sagen. Aber das solltest du tun", sagte er und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf ihn. Antoine senkte den Blick und starrte anschließend stur geradeaus.
Jonas wusste, dass viele Leute nach so einer langen Beziehung irgendwann fremdgingen. Natürlich nicht alle, aber das hatte er nun wirklich nicht von Antoine erwartet.
Eine Weile schwiegen sie, bis sie endlich in der Schlange ganz vorn waren, einen Stempel auf den Handrücken gedrückt bekamen und den Club betraten. Sofort spürte er ein angenehmes Gefühl durch seinen Körper fließen. Die stickige Luft, die laute Musik und die schwitzenden Menschen auf der Tanzfläche weckten Erinnerungen, in denen er sich gern verlor.
„Da sind Sarah und Isabelle!", rief Antoine nahe an seinem Ohr, packte seinen Arm und zog ihn in Richtung der Bar. Es dauerte einen Moment, bis er die beiden entdeckte. Sarah, eine brünette, knorrige und meist zu stark geschminkte Frau, hielt bereits ein Glas in der Hand und trank einen großen Schluck, als sie bei ihnen ankamen. Isabelle, langes blondes Haar, rundes Gesicht und blaue Augen, strahlte ihn an.
„Heeeey! Lange nicht mehr gesehen", rief sie, eindeutig schon angetrunken und breitete die Arme aus. Jonas erwiderte die Umarmung und drückte sie kurz an sich, danach wandte sie sich Antoine zu. Jonas konnte nicht anders, als die beiden genau zu beobachten. Antoine wirkte unsicher, während Isabelle wirkte, als wäre zwischen ihnen beiden nie etwas vorgefallen.
„Alles Gute zum Geburtstag!", riefen die beiden Frauen im Chor und bedeuteten dem Barkeeper, dass er noch mehr Getränke bringen sollte. Keine Minute später standen drei Mischgetränke auf dem Tresen und Sarah reichte ihm, Raphael und Antoine je eines.
Jonas roch kurz daran, bevor er jedoch den Alkohol ablehnen konnte, hoben alle ihr Glas und sahen ihn erwartungsvoll an. Er schluckte schwer, denn er hatte schon seit einigen Jahren nichts mehr getrunken. Dennoch hob auch er das Glas und nippte, während die anderen es auf einen Zug leer tranken. Er lachte, nahm noch einen Schluck und spürte schon jetzt eine angenehme Wärme in sich.
„Da ist Luc!", rief auf einmal Isabelle und deutete mit dem Finger auf die Tanzfläche. Tatsächlich entdeckte auch er ihren Freund, der schon ziemlich leidenschaftlich mit einer Blonden tanzte. Jonas ergriff die Chance, von der Bar wegzukommen und griff nach Isabelles Hand, um sie auf die Tanzfläche zu ziehen. Augenblicklich bewegte er sich und spürte Isabelles Arme um seinen Hals.
„Wieso ist dein Freund nicht mitgekommen?", fragte sie und sah ihn neugierig an. Jonas lächelte.
„Das hier ist mein Ding. Ihr seid meine Freunde, da hat er nichts verloren", sagte er, auch wenn ihm bewusst war, dass das ein wenig gemein klang. Sicherlich war er auch schon ein paar Mal mit Matthias hier gewesen, aber da sie heute nur unter Freunden, ohne Partner feiern wollten, hatte er Matthias erklärt, dass er nicht mitkommen konnte. Glücklicherweise war Matthias verständnisvoll, immerhin unternahm auch er ständig allein etwas mit seinen Freunden.
„Schade. Ich mag ihn, er ist wirklich nett", schrie sie über die laute Musik hinweg und drückte ihn noch ein wenig fester.
„Wann werde ich eigentlich zu eurer Hochzeit eingeladen?", fragte sie, was Jonas sofort innehalten ließ. Es war schon merkwürdig, dass ihn Isabelle gerade auf dieses Thema ansprach, über das er sich in der letzten Zeit so viele Gedanken machte.
„Ich... ich denke nicht, dass er mich fragt", sagte er, woraufhin Isabelle eine Schnute zog.
„Dann frag du ihn doch!", lachte sie, aber Jonas schüttelte den Kopf. Sicher, er könnte Matthias fragen, aber er wusste schon jetzt, wie seine Antwort sein würde. Abgesehen davon wollte er derjenige sein, der gefragt wurde.
„Er würde nein sagen", rief er ihr zu und Isabelle zuckte übertrieben die Schultern.
„Gib die Hoffnung nicht auf. Irgendwann fragt er schon", versuchte sie ihn aufzubauen und fing an ziemlich verführerisch zu tanzen. Sie bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er ihr weiter in die Mitte der Tanzfläche folgen sollte. Er nahm noch einen Schluck aus seinem Glas und gehorchte.
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Slice of Life - L'Affaire
De TodoJonas ist vollkommen gestresst von der Arbeit, worunter nicht nur er leidet, sondern auch sein langjähriger Freund Matthias und dessen Tochter Aaliyah. Bei all dem Stress kommt das bevorstehende Wochenende in Frankreich ganz recht. Ein alter Schulfr...