Kapitel 30

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Anton Bredegard

Nenan stand schon da, als Anton im Norden des Lagers ankam. Anton nahm sich einen Moment Zeit, um ihn anzusehen, so wie er da stand. Sein dunkles Haar wehte sanft und um die Schultern hatte er sich einen leichten, dunkelgrünen Umhang gebunden, der im Spiel des Windes bauschte. Er hatte einen Rucksack aus Leder umgeschnallt, woran sein Bogen befestigt war. Der dazugehörige Köcher hing an seinem Gürtel, dicht neben der Scheide seines Schwerts. Er hatte einen entschlossenen Blick in seinen grünen Augen, ein Blick, der weit in die Ferne sah. Doch Anton wusste, dass es nicht die Zukunft war, die sein Heerführer sah. Es waren die Schatten der Vergangenheit, die auf ihm lasteten.

Auf einmal spürte Anton einen Stich in die Seite. Er schrak auf und sah Lahnol und Oreni, die nicht ganz so bepackt waren wie er. Lahnol lächelte seinen Gefährten an und Anton meinte gequält: "Der Hieb hätte jetzt echt nicht sein müssen..." Lahnol grinste über das ganze Gesicht und sagte: "Nun ja, wahrscheinlich hättest du dann aber noch eine gute Stunde gebraucht, um Heerführer Trolot anzuschmachten." "Anzuschmachten?", fragte der Ritter überrascht. Lahnol und Oreni glucksten und spazierten dann zu Nenan, Anton verwirrt stehend lassen. "Hey!", rief er und folgte ihnen schnell. Nenan drehte sich zu ihnen um, die Entschlossenheit wich keiner Freude sie zu sehen, sondern wurde nur intensiver. "Ihr seid bereit?", fragte er und musterte sie. Seine drei Gefährten nickten. "Das sind wir, mein Heerführer", antwortete Oreni. "Gut. Dann wollen wir mal." Er ging ein paar Schritte weiter, auf den Waldrand zu. "Dort"- Nenan deutete auf die ersten Bäume - "hat Chana Lahnol, Berain und Durand vom der Gestalt erzählt, die sie dort gesehen hat. Wahrscheinlich sind Theyn und Chana ihr nach gelaufen - in diese Richtung." "Dann werden wir dort anfangen, sie zu suchen", bestätigte Anton. Die vier wollten gerade den Wald betreten, als eine Stimme sie von hinten aufhielt.

"Wartet! Wartet!" Als sich Anton umdrehte, sah er zwei vertraute Gesichter - Durand und Berain. Er hörte Nenan hinter ihm aufstöhnen. "Komm schon...", murmelte der Heerführer zu sich selbst, dann fragte er lauter: "Was ist denn?" Berain raffte ihren Rock und lief zu der kleinen Gruppe hin. "Wir kommen mit!", rief sie atemlos. "Ihr?", entfuhr es Oreni. "Ja", teilte Durand ihnen mit. "Wir denken, dass wir... das selbe suchen könnten." "Außerdem könnt ihr uns gut gebrauchen!", unterbrach ihn seine Schwester. Anton zuckte mit den Achseln. "Na gut." Insgeheim freute er sich, die Geschwister wieder um sich zu haben. es war so viel passiert, dass er fast vergessen hatte, die beiden auszufragen. Schließlich hatte er ja auf Berains Stirn ein leuchtendes Zeichen gesehen. Das war für seinen neugierigen Geist noch lange nicht geklärt. Nenan seufzte, dann nickte er aber. "Von mir aus. Ihr habt meine Erlaubnis. Wissen die Heerführer Juliette und Justin das?"

"Berain hat es ihnen gesagt", behauptete Durand. Nenan musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. "Na gut", murmelte er nach ein paar Sekunden, dann wiederholte er lauter: "Von mir aus. Aber macht keinen Blödsinn und haltet euch an meine Befehle." Berain nickte eifrig. "Das werden wir!" Nenan wandte sich um und Oreni und Lahnol blickten ihn erwartungsvoll an. "Dann wollen wir mal...", meinte der Heerführer und ging auf den Wald zu.

Nenan Trolot

Sie waren schon seit einer halben Stunde unterwegs, als Anton sich von den beiden Geschwistern Berain und Durand löste und sich zu Nenan nach vorne gesellte.

Er sagte zuerst nichts, doch es war klar, dass er in Wahrheit nur nicht wusste, wie er ihr Gespräch beginnen sollte. Natürlich wusste das Nenan, er kannte seinen Freund viel zu gut. Um ihm die unangenehme Situation zu ersparen, sagte er: "Was ist denn los? Hast du Redebedarf? Eine Frage?" Anton zog eine Grimasse, nicht gerade überrascht von Nenans eigenen Fragen. "Könnte man so sagen", antwortete der blonde Ritter. "Ich bin mir nur sicher, dass dir das Thema nicht gefallen wird. Es geht um Mortis... Der Fall... Unser Verlust." "Unsere Niederlage", ergänzte Nenan. Anton nickte. "Genau. Ich glaube, du weißt da mehr als ich und die anderen Ritter, nicht wahr?" Nenan schwieg, aber seine Mundwinkel sanken tiefer. Seine grünen Augen schienen ebenfalls dunkler zu werden, wie als wollten sie seine Hautfarbe kopieren. Anton kratzte sich am Kopf - eine Geste, die oft sein Unbehagen ausdrückte. "Also willst du nicht darüber sprechen?", fragte er. Der Heerführer unterdrückte ein Seufzen. "Von mir aus...", gab er schließlich auf und schluckte. "Was willst du wissen?" "Keine Sorge!", rief Anton zuvorkommend. "Ich werde Nadine nicht erwähnen." Er überlegte kurz und Nenan sah in schief an. "Das hast du doch gerade...", murmelte er. Anton lächelte hilflos. "Also abgesehen von diesem Mal, wo es mir unabsichtlich rausgerutscht ist. Unabsichtlich und unbeabsichtigt! Und natürlich auch auf ganz unhöfliche Art und Weise!", korrigierte er sich schnell. Nenan rollte mit den Augen. "Schon gut, komm zum Punkt", meinte er, als er merkte, dass Anton nicht aufhören würde zu reden.

Anton holte tief Luft und schon bereute Nenan es. "Also", begann der Ritter. "Was zu Holoron ist so besonders an diesem schwarzen Blut gewesen? Goliardon hat zwar versucht, mir das zu erklären, als wir drei darüber gesprochen haben, aber ich habe es ehrlich gesagt immer noch nicht ganz verstanden... Also Goliardon hat gesagt, dass es Fähigkeiten enthält. Und, naja, korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber für mich sah das aus wie... Naja, wie Blut. Ist es das? Ist das Blut? Schwarzes Blut?" Nenan seufzte erneut, lauter als zuvor, doch er schwieg für einige Augenblicke. Wie sollte er das Anton erklären? Wäre doch nur Nadine da, oder Chana. Die beiden hatten es ihm damals so gut erklären können. Damals... Damals war alle so anders gewesen. Damals waren sie zu dritt gewesen. Und nun waren sie beide fort. Chana war verschwunden und Nadine war tot. Er würde mindestens eine von ihnen niemals wieder sehen.

Stopp. Daran durfte er jetzt nicht denken. Jetzt war erst einmal nur Chana wichtig. Wenn sie in Sicherheit war, konnte er wahrscheinlich wieder etwas klarer denken, dann, wenn sie in Ordnung war und er sein Versprechen erfüllt hätte. Das war wichtig. Und natürlich auch, dass er Anton jetzt eine Antwort gab.

"Folgendes, Anton: Ja. Ja, es ist schwarzes Blut. Aber woher es kommt und von wem es stammt, kann ich dir nicht verraten. Nadine hat mich außerdem nicht in die ganze Geschichte eingeweiht. Aber mir ist bekannt, wer es weiß. Sie wird dir weiterhelfen können, ich nicht." "Sie", fragte Anton. "Ja, sie. Sie, die Person." "Noch eine Frage", sagte Anton. Seine Augen funkelten vor Neugier. "Wieso stehst du Chana so nahe? Ich weiß, dass ihr Freunde wart, aber ich dachte, du stehst zu ihr, wie du zu Juliette stehst - Freunde, vielleicht weniger." Nenan lachte auf. Es war das glücklichste Geräusch, dass Anton ihn in der letzten Woche hatte machen hören. "Nein", antwortete er schließlich. "Ich bin sehr gut befreundet mit ihr. Bevor ich dich kannte, waren wir etwas enger, aber als du dann dabei warst, haben wir nicht mehr so viel miteinander unternommen." "Aber wieso bist du dann so versessen darauf, sie zu retten? Versteh mich nicht falsch, das ist echt cool von dir und du bist ein tolles Beispiel für einen Heerführer, aber, naja, vielleicht ist es auch etwas... egozentrisch?" Anton ernte einen verwirrten Blick von Nenan, dann härtete sich seine Miene. "Oh", machte er. "Vielleicht. Aber es ist nicht so wirklich meine Entscheidung gewesen. Eher so eine... Ehrensache. Ich... Ich habe es jemandem versprochen. Ich habe mein Wort gegeben, dass ich auf Chana achtgeben werde."

Man sah Anton an, dass er scharf nachdachte. "Okay...", sagte er langgezogen. "Und ich nehme an, dass du mir nicht sagen wirst, wem du das versprochen hast, oder?" "Genau", sagte Nenan, dann lachten die beiden Freunde laut und beeilten sich, zu Oreni, Berain Durand und Lahnol aufzuholen.

Sie hatten noch einen weiten, langen Weg vor sich. Die Stunde des Lachens würde ihnen gut tun, denn wer wusste schon, was die Zukunft für sie bringen würde?


Huidiwui, so langsam wird's komplexer. Habt ihr schon eine Idee, was Nenans Backstory betrifft? Zögert nicht, die Kommis voll zu spamen!

❄️LG Chels❄️

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt