Kapitel 9

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Anton

Aber Anton hatte noch keine Lust zu sterben. Nicht, dass er das je nicht empfunden hätte. Aber heute, schien es ihm schier nicht der richtige Tag zu sein.

Als der tödliche Feuerball der Hexe immer noch näher kam, warf sich Anton im letzten Moment von Niersbachs Klinge; sein finaler Überlebensinstinkt hatte sich eingeschaltet.

Anton kam hart am Boden an, krachte mit dem Rücken seitlich auf und blieb hustend liegen, bis ihm auffiel, dass die Gefahr nur noch näher kam. Er rappelte sich auf, sein Rücken konnte ihm jetzt egal sein, wenn er überleben wollte. Die Hufe seiner Verfolger kamen bedrohlich näher, als er sich gegen die Erde stemmte und nach Niersbachs Klinge rief.

"Pferd! Komm sofort zurück! Niersbach!" Doch der Hengst schnaubte nur und galoppierte Richtung Mortis. "Verdammt sei dieses Pferd!", fluchte Anton.

So schnell er konnte richtete er sich auf. Er hörte die Hufe seiner Verfolger hinter sich und zwar nahe, zu nahe.

Als es Anton endlich geschafft hatte aufzustehen, verschwendete er keine Zeit um sich nach der Hexe und ihrer Truppe umzusehen. Stattdessen rannte er um sein Leben, aber er wusste, dass er nicht schnell genug sein würde. Wollte er wirklich während seiner feigen Flucht sterben? Eigentlich nicht. Also drehte Anton sich um, sein Gesicht und seine Kleidung waren von Erde übersät und verdreckt.

Der Ritter zog sein Schwert und brachte sich in die Kampfstellung. Niersbachs Klinge war schon lange in Richtung Mortis verschwunden.

"Okay, Freunde...", begann Anton, als die Reiter auf ihn zukamen. "Wir können das auch ganz friedlich klären." Als Antwort erhielt er einen Pfeil, der sich ein paar Zentimeter neben seinem rechten Fuß in die Erde bohrte. Anton schluckte, dann stolperte er nach hinten und möglichst viel Abstand zwischen ihn und die vier Jäger zu bringen. Die beiden die zu Fuß gingen hingen, zu Antons Glück, weit zurück. Der Zentauer schoss noch immer nach ihm, aber diesmal war er schon darauf gefasst und wich geschickt aus.

Die Hexe stoppte einige Meter vor ihm und blickte höhnisch von ihrem Pferd hinunter. "Irgendwelche letzten Worte?", fragte sie als sie in ihren Händen einen Feuerball formte und auf Anton zielte. Sein Gehirn rechnete und arbeitete schneller als je zuvor, aber wie schon so oft in seiner Ritter-Karriere sah die Situation aussichtslos aus.

Anton stellte sich breitbeinig hin, das Schwert nach vorne und bereit, die tödliche Feuermischung abzuwehren. Mal abgesehen davon, dass er nicht dachte dass es schaffbar war. Der Ritter wusste nicht ob er die Augen schließen oder offen halten sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen.

Sie schoss.
Und sie traf.

Juliette

"Treffer", sagte Juliette Kerz lächelnd, als ihr Pfeil die Schulter der Hexe traf.

Anton drehte sich um, doch dann erinnerte er sich wieder an den Zentauer. Er fasste sich ein Herz und rannte auf Juliettes Heer zu- das letzte, das noch nicht gekämpft hatte.

Neben Juliette bliesen ihre Ritter Chana und Eton in die Hörner Mortis'. Ein dumpfes Geräusch entwich dem hellen Horn. "Heerführerin Kerz, was sollen wir tun?", fragte Eton und drehte sich im Sattel. "Geht und schützt das Heer von Sir Prence. Unterstützt die verbliebenen Truppen von Justin und stellt euch vorne in einer Reihe auf und wartet, bis ich komme. Los!", rief Juliette.

Chana und Eton, Juliettes Berater, Vertreter und engste Vertraute innerhalb ihres Heeres, nickten, dann pustete Erstere nochmals ins Horn.

"Chana, nimm ein paar deiner Leute und folge mir.", sagte Juliette.

Chana nickte erneut, dann wendete sie ihren Hengst und erteilte neue Befehle.

Juliette ritt, gefolgt von Chana und fünf weiteren, in Antons Richtung, der ihnen prustend entgegen kam. "Hinten...hinter mir...puh...", keuchte er, als er in Reichweite war. "Was?", fragte Juliette. "Rede doch mal!" "Hexe!" brummte Anton. "Verdammt!", rief Juliette. "Chana, nimm Bredegard. Ihr anderen vier stellt euch in einer Linie auf. Wie viele Schützen sind unter euch?"

Anton stieg hinter Chana auf ihren Hengst. Er knurrte leise, obwohl Anton sich sicher war, dass er sich das einbildete, denn Pferde konnten seinem Wissen nach nicht knurren.

"Drei, Heerführerin Kerz.", beantwortete einer der Ritter Juliettes Frage. "Gut. Sehr gut.", sagte sie. "Spannt eure Bögen und wartet auf mein Kommando, bis sie nahe genug sind. Dann schnappen wir uns diese Missgeburt."

Juliette ritt weiter nach vorne. Die Hexe und ihre Truppe waren nun schon in guter Sichtweite höchstens 50 Meter entfernt, vielleicht sogar 30 bis 40 Meter.

"Anlegen!", rief sie laut ihren Leuten zu. Hinter ihr hörte sie wie Bögen gespannt wurden. "Zielen!" 30 Meter. 20 Meter. 15 Meter. "Feuer!" Die Pfeile flogen dicht an Juliettes goldblonden-orangen Locken vorbei.

Der Zentauer wurde getroffen, ebenso der Mensch. Der letzte Pfeil traf die Hexe nochmals an der Schulter. Sie stürzte von ihrem Pferd. "Ja! Treffer!", rief die Heerführerin stolz. "Jetzt schnappt euch den Rest. Feuer frei! Und du", sie deutete auf die einzige Schwertkämpferin- oder eher gesagt Dolch-Kämpferin- "kommst mit mir."

Chana nickte. "Ausmerzen. Von innen.", sagte sie schadenfroh und ihr schwarzes, glattes Haar warf einen finsteren Schatten auf ihr noch dunkleres Gesicht, welches im Sonnenschein wie dunkles Eichenholz sepiafarben glänzte.

Die beiden Ritterinnen, und Anton hinter Chana, ritten weiter in Richtung Hexe, die sich wieder aufgerichtet hatte und nun von dem ebenso verletzten Zentauer in Sicherheit gebracht wurde.
Sie kletterte auf seinen Rücken und gemeinsam machen sich davon. Juliette und Chana ritten zu der verblieben Gruppe, um sie auszulöschen-oder eben, wie Chana gesagt hatte, auszumerzen.

Übrig waren zwei Orgales, gegen die Chana und Juliette schnell ankamen. Sie hatten ja auch Chanas Truppen, die hinter ihnen den Feuer-frei Befehl ausführten.

"Was jetzt?", fragte Chana. Sie befanden sich ein ganzes Stück weg von der eigentlichen Schlacht in der Lars mit seinen, Justins und Juliettes Truppen kämpfte. "Kommt", sagte Juliette. "Wir müssen zu Sir Prence. Ich habe da so eine Idee."

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt