Kapitel 4

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Anton

Alles war bereit. Der Plan stand. Die Verteidiger waren ausgerüstet und entschlossen, Mortis zu verteidigen, bis auf den letzten Tropfen Blut, im wörtlichen Sinne. Zwei Wellen.
Zwei Fronten.

Lars wäre für die erste Welle und die erste Front verantwortlich, Justin für die zweite Front der ersten Welle, Juliette für die zweite Welle der ersten Front und Nenan wäre der Letzte der Heerführer, er wäre derjenige der den tödlichen Schlag ausführen würde.

Trotz der schier fühlbaren Motivation herrschte eine eiskalte Anspannung. Die Heerführer hatten beschlossen, dass, falls sie scheitern sollten, Anton die übrig gebliebenen Bewohner durch den Geheimgang hinaus aus Mortis führen sollte. So sicherten sie das Überleben ihres Volkes. Nenan, Anton, Juliette und Justin saßen zusammen in dem engen Speisesaal.

Lars war gerade dabei seine Leute über den Plan zu informieren. Justin schaufelte sich in sekundenschnelle einen matschigen Hirsebrei in den Mund, denn er musste eigentlich gleich los, seine Leute informieren und ausrüsten.

Nenan starte aus dem schmutzigen Fenster. Juliette saß auf dem Holzstuhl am Tisch und schrieb mit Tinte und Feder in ein kleines, altes Lederbuch. Anton ging nervös in dem Raum auf und ab und seufzte. "Wie lange dauert es noch?", fragte er. "Bis wir angreifen? Lass Lars nur machen, und du, Justin, solltest jetzt auch verschwinden, wegen dir soll der Plan nicht schief gehen."

Justin würgte den Rest des Breis hinunter, dann ging er zu Nenan. "Du schaffst das.", sagte er und beide legten dem anderen seine Hand auf die Schulter. Justin nickte Anton zu, dann wandte er sich an Juliette. "Wir sehen uns."

Juliette nickte ihm zu und Justin erwiderte das Nicken, dann ging er aus dem Raum. Nenan und Anton seufzten beide gleichzeitig. "Was machen wir, falls Justin und Lars versagen, Juliette?" fragte Nenan. Offenbar hatte er sich von dem kleinen Schlachtfeld erholt.

"Dann brauchen wir einen Plan B. Den können wir ja jetzt schmieden." Sie zuckte mit den Schultern. "Aber ich", sagte Anton "Werde jetzt besser gehen, denn ich bin schließlich kein Heerführer."

"Ja, dann geh doch...", maulte Juliette leise. Anton verließ den Raum und ließ Nenan und Juliette alleine. Nach einem langen Gang, bog er scharf rechts ab, bis er bei den Gemächern der Angestellten war. Zaghaft klopfte er an eine Tür. Auf dem Namensschild stand in einer schwarzen Schnörkelschrift: Goliardon Briz- königlicher Seher.

"Ja?" rief es hinter der Tür. "Hier ist Anton!" "Wer?" "Anton Bredegard! Der Freund von Nenan!" "Komm rein."

Anton öffnet langsam die Türe. Der Raum war innen mit dunklem Holz verkleidet, möglicherweise Fichtenholz, und war weniger breit als lang. Ein Bett stand in der einen Ecke, ein Kasten und ein Tisch in der anderen. Goliardon saß auf einem Stuhl vor dem Tisch, dem man ansah, dass er oft ordentlich war, in diesem Moment aber benutzt wurde. Anscheinend studierte oder sortierte er gerade seine Visionsgedichte.

Anton huschte über die Türschwelle, dann schloss er die Tür hinter sich wieder. "Was gibt es?" fragte Goliardon. Er sagte es freundlich aber bestimmt.

"Ich wollte mit Euch reden", sagte Anton. "Das wollen sie doch alle. Bitte, setz dich." Anton setzte sich auf einen kleinen Stuhl vor dem Tisch. Nun waren sie auf Augenhöhe. "Worum geht es denn?", fragte Goliardon. "Und bitte nenn mich Goliardon, ich bin ja nicht adlig." "Anton.", sagte Anton. "Ich bin hier wegen der... Äh...wie auch immer Ihr- äh, du es nennst." Goliardon sah ihn fragend an. "Deine Visionsgedichte", fügte der Ritter schnell hinzu. Der kleinere Mann sah ihn an, dann lachte er kurz. "Ach so nennt ihr es also! Ich finde Vorhersage treffender."

"Wie auch immer, du hast sicher von dem kleinen Gemetzel gehört, welches draußen vor den Toren stattgefunden hat, und die Mauer die von den Feinden durchbrochen worden ist. Davor kamst du mit deiner Vorhersage und ja, darin redete, oder besser gesagt schriebst, du über einen sterbenden Magnolienbaum." Wieder nickte sein Gegenüber. "Nadine ist tot." Stille. Wie immer wenn das verkündet wurde.

"Wirklich? Ich hatte es fast befürchtet." "Wie viele deiner Vorhersagen werden sich noch erfüllen?" "Alle.", sagte Goliardon und zuckte mit der Schulter. "Alle und ich bin sicher das war noch nicht alles." Er schob ein paar Papiere zur Seite und sie flogen langsam zu Boden.

Anton erkannte das Pergament, welches er Nadine gegeben und anschließend wieder abgenommen hatte. "Hier steht noch mehr. Alles muss ich erfüllen!" "Was?"

Antons Ton würde unverständlich. "Es hat sich doch aber schon alles erfüllt! Der Magnolienbaum stirbt, ja schon passiert, was wollt Ihr denn mehr? Was denn wollt Ihr- du, was willst du, dass ich eine Lüge hole und sie reinwasche?"

Goliardon schmunzelte. "Ich wünschte es wäre so leicht. Du musst alle Hinweise nehmen die man uns gab." 

"Und wer gab sie uns?" 

"Die Götter." 

"Ich glaube an keine Götter!", rief Anton laut. "Dann erkläre es dir eben anders. Anton, das sind alles Hinweise, nur so können wir die Schlacht gewinnen, die uns bevorsteht. Und ich meine nicht unseren unbedeutenden Krieg hier in Mortis, nein, es ist etwas Größeres, die dunkle Schlacht wird sich über alles, nein, über ganz Lothoria ausbreiten, denn er kommt, Anton, er kommt."

Antons Augen wurden zu Schlitzen und er stellte die einzig logische Frage in dieser Situation." Wer?" "Holorons Rachefeldzug", meinte der Seher kalt. "Holoron ist tot, seit Jahrhunderten!", rief der andere Mann.

"Zweifellos, aber seine Rache muss nicht von ihm ausgeführt werden. Kennst du denn überhaupt seine Geschichte?", fragte Goliardon. "Natürlich!", rief Anton. "Er ist der Mann der gegen das vereinigte Land Lothorias rebelliert hat und als er weit weg gereist ist, berührte eine Blume und sie verwandelte es sich in einen Orgale. So war der Erste ihre Art geboren." Goliardon nickte. "Und weißt du auch wie er starb?"

"In der Schlacht von Baxel. Beim Untergang des Landes." "Nicht der Orgale. Ich meine Holoron."

Anton schüttelte den Kopf. "Nein. Hat es nicht etwas mit Relyah zu tun?" "Welche Relyah?" "Die, die die Elemente beherrschen." Anton gestikulierte wild.

"Ach!" rief Goliardon und lachte. "Nun, sie bevorzugen 'Elementsleute.' Der Name Relyah ist nicht offiziell." "Was ist denn schon offiziell in diesen Landen..." Goliardon fuhr ungerührt fort: "Jedenfalls weißt du was ich meine. Sie können Wasser, Feuer, Erde und Wind kontrollieren. Allerdings waren sie lange ausgestorben geglaubt. Aber vor längerer Zeit wurde eine Feuerfrau in Wiura gesehen. Sehr spannend, aber sie ist daraufhin mit der Hilfe einer Luftfrau verschwunden und man hat lange nichts mehr von ihr gehört."

"Und was hat Holoron damit zu tun?", fragte Anton. "Ja, sie haben etwas miteinander zu tun, denn vier von ihnen waren es, die es lange Zeit zuvor mit Holoron aufnahmen, nachdem er mit seiner Armee aus Orgales Lothoria erobern wollte. Sie erschufen ein Wesen, und das Wesen jagte Holoron zu Tode. Nun ja, die Geschichte der Relyah, wie du sie nennst, geht noch ein bisschen weiter, aber das ist jetzt nicht wichtig. Aber seine Rache kommt."

"Horgoron, der Feind der der Region Lotoria so Schwierigkeiten bereitet. Der, der Niersbach unterdrückt hat, bis der verschollene Prinz Jan Hell mit dem Diamantenschwert zurückkehrte.", äußerte Anton seine Vermutung. 

"Nein, das glaube ich nicht. Finsterere Mächte sind hier dran." 

"Vielleicht ist es nur Tarnung!", rief Anton. "Nein, ich denke nicht, dass er dafür verantwortlich ist", sagte Goliardon entschlossen. 

"Sondern?" 

"Ich weiß es nicht." Goliardon legte das Pergament in eine Mappe. "Aber wir werden wir-"

Ein Schrei durchbrach die Mittagsstille.

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt