Kapitel 36

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Anton Bredegard

Nacht. Es war stockdunkle Nacht. Sie war schneller angebrochen, als die sechs es bemerkt hatten. Sie hatten sich etwas weiter in den Wald zurück gezogen, damit sie bloß nicht auffielen, für den Fall, dass die Leute, die dort bei dem Lager waren, Wachen aufstellen würden. Anton war müde geworden, genauso wie Berain und Lahnol. Oreni schien zwar auch nicht mehr besonders viel Energie zu haben, aber immerhin suchten ihre Augen weiterhin hellwach und konzentriert die Umgebung ab. Durand hatte einfach nur schlechte Laune, aber Anton war sich inzwischen sicher, dass das bei ihm normal war. Nenan allerdings war normalerweise nicht so still, wie heute. Und vor allem war er nicht nur jetzt müde, geschweige denn von heute. Anton machte sich langsam wirkliche Sorgen um seinen Freund, denn Nenan saß stumm an einen Eichenstamm gelehnt und starrte zu Boden. Er war schon seit Wochen so, so müde und energielos. Langsam bezweifelte Anton, dass das alles immer noch mit Nadines Tod zu tun hatte. Es war schon lange aus, ein Monat vielleicht. Und trotzdem schien Nenans Wunde am Herzen nicht besser geworden zu sein. Anton schüttelte den Kopf. Es bildete sich das sicher nur ein. Nenan ging es sicher besser, er sah einfach nur müde aus. 

"Nenan?", fragte er, als ihm die Stille ein für allemal zu leise wurde. Nenan blickte auf, als hätte Anton ihn aus seiner eigenen Welt geholt. "Ja?", fragte er. "Was machen wir jetzt?" Nenan seufzte, diese Frage war ihm in letzter Zeit viel zu oft gestellt worden. Er zuckte mit den Achseln. Da sprang auf einmal Oreni auf. Ihr weißes, kurzes Haar war wie ein Stern in der Dunkelheit. "Also wirklich, mein Heerführer! Es wird Zeit, dass wir etwas unternehmen. Und zwar jetzt. Wenn wir Theyn und Chana nicht finden, sollten wir zurück zu den Heerführern Kerz und Hendoras kehren." Oreni ging vor Nenan in die Hocke, damit sie auf Augenhöhe waren. "Hauptsache wir tun was." Nenan sah nochmal zu Boden, dann seufzte er und stand auf. "Ihr habt ja Recht. Aber ich werde ohne Chana und Theyn nicht zurück kommen. Wir finden die beiden. Und wer das nicht will, kann nach Mortis zurück. Ich würde es euch nicht verübeln." "Wir kommen mit", sagte Anton. "Das hast du nicht für alle zu entscheiden", widersprach Nenan. "Aber er hat Recht", meinte nun auch Berain. "Wir kommen mit." "Und wir sowieso", stimmten Lahnol und Oreni zu. Nenan seufzte abermals. "Und was wollt ihr tun?", fragte er. Oreni legte den Kopf schief und Durand zuckte mit den Achseln. 

"Denkt Ihr, sie sind im Lager dieser... Krieger?", fragte Berain Nenan und sprach damit aus, was alle dachten. Anton rümpfte die Nase. Er fand, dass die Frau klug - und nebenbei auch sehr hübsch - war, also musste sie Recht haben. Darum nickte er und meinte: "Das glaube ich schon." Nenan fuhr sich mit der Hand durch sein schwarzes Haar, das er seit der Schlacht nicht mehr geschnitten hatte und das ihm darum schon dünnen Strähnen ins Gesicht fiel. "Das bedeutet wir müssen sie da drinnen suchen? Wir müssen uns mit denen anlegen? Das könnte jeder sein..." "Nein", sagte Lahnol. "Ich habe ihr Banner gesehen. Es ist mir nicht bekannt." "Wie sieht es aus?", fragte Anton. Er hatte da trotzdem ein böses Gefühl. Lahnol runzelte die Stirn, um sich zu erinnern. "Es war weiß. Es hatte einen silbernen Stern drauf und von dem Stern ging so ein... Teil runter. Wie ein Faden." "Ein Schweif?", fragte Oreni und schnippte mit den Fingern. "Genau! Genau, ein Schweif." "Von sowas habe ich aber auch noch nie gehört...", murmelte Nenan. "Naja, ob das gut oder schlecht ist, dass wir die nicht kennen, werden wir schon noch heraus finden. Allerdings wäre ein Plan jetzt vielleicht doch gut. Und wenn ich das schon sage, dann heißt es was", gestand Anton. Nenan nickte. "Er hat Recht. Also, hat jemand eine Idee?" Oreni nickte langsam. 

"Also ich hätte da was. Ihr seid ein Bogenschütze, Anton und Ihr, mein Heerführer, wisst auch, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht. Also sucht ihr euch eine Anhöhe und ein Opfer aus. Ihr zielt darauf und Lahnol und ich schnappen uns jemanden, der alleine und unbewaffnet aussieht. Wir befragen eines unserer Opfer und finden heraus, ob sie Chana und Theyn haben." "Klingt gut", meinte Anton. "Ich weiß ja nicht...", gestand Nenan. "Eigentlich ist das voll die blöde Idee." Oreni sah zum Glück nicht beleidigt aus. "Habt Ihr einen besseren Plan, mein Heerführer?", fragte Lahnol. Nenan schüttelte den Kopf. "Außerdem", fuhr der Ritter fort, "können wir Theyn und Chana dann sofort zurück verlangen, weil wir dann ja sowas wie zwei Geiseln haben. Die können wir dann tauschen." Nenan seufzte laut. "Das ist zwar der dümmste Plan, den ich je gehört habe, aber na gut. Wir haben ja keinen anderen." "Richtig!", rief Anton fröhlich und holte seinen Bogen von seinem Rücken, wo er immer drangeschnallt war. "Tja, Nenan, wenn wir alle streben ist das Lustige, dass es trotzdem deine Schuld ist!"

Nenan seufzte. Manchmal hatte er das Bedürfnis, Anton mit seinem Schwert vertraut zu machen. 

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt