Kapitel 10

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Lars

Lars' Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft und zerfetzte dabei mindestens zwei Körper. Er wehrte eine eiserne Klinge mit seiner ab, die versuchte, seinen Kopf von seinem Hals zu trennen. Sein Schwert verhedderte sich in seinem Umhang, sein Schlag wurde gestoppt. Er tapste ein paar Schritte zurück zu einer freien Fläche, dann löste er die Spange des gold-rosafarbenem Baumes und nahm seinen Umhang ab, der jetzt auch schon sicher ohne seine Farbe genauso rot gewesen wäre.

Ein Orgale kam auf ihn zu, ein sehr Kleiner mit langen spitzen Ohren, die seitlich abstanden Seine Zähne funkelten blutrünstig. Lars überlegte keine Sekunde und warf ihm den Umhang über den Kopf. Brüllend stieß er seine Klinge in das Bündel. Unter dem Umhang wurde still, aber das Schlachtfeld tobte weiter. Lars musste sich erneut mit einem Orgale, dann ein paar Menschen messen, bis er Juliettes Stimme hörte. "Juliette!", brüllte er ihr zu.

"Hier!", erschall ihre Stimme, gereizt wie immer. "Anton?" Für einen ganzen Satz hatte er keine Zeit. Da erschien ihr Lockenkopf schon hinter ein paar Orgales. "Sicher! Wir haben einen Plan!", rief sie zurück. "Welchen?", schrie Lars genervt. Warum konnte sie es ihm nicht gleich sagen? Jedes Wort könnte Ablenkung sein, jedes der Tod! Er stach seine Klinge in eine riesige Spinne, ohne sich zu fragen, warum Spinnen für einen Herren kämpften.

"Der..." Er hörte ihren kurzen, abgehackten Schrei. "Anführer!" Lars verstand, er sah sich kurz nach ihr um. Sie hatte Blut am Arm und ihr Gesicht war von Dreck, Schweiß und Blut bedeckt, aber ansonsten schien sie unverletzt zu sein. Hinter ihr waren ihre Vertraute, Chana, welche Anton hinter sich am Pferd hatte und zwei weitere Ritter, die ihren Rücken beschützen.

Chana blies in das Horn. Die Hälfte von Juliettes Heer spaltete sich ab. Davon machte die Hälfte wiederum einen schützenden Ring um die Heerführer. Die anderen blieben bei ihr und Lars stehen. "Alles klar?", fragte die Blonde ihn. Der Heerführer nickte, dann sagte er: "Wissen wir wo der Anführer ist?" "Ja", sagte Chana. "Wir haben ihr Lager westlicher an der Ostseite des Flusses entdeckt. Ein paar Zelte, mehr nicht. Von dort aus kamen aber nicht die Katapulte." "Wäre ja auch unmöglich, so weit zu schießen." meinte die jüngere der beiden Heerführer. Lars nickte und sagte: "Dann nichts wie los. Juliette, deine Hälfte ist bereit?" Nun war sie es, die nickte. Alle drei sprangen auf ihre Pferde und ritten, gefolgt von einem Viertel Juliettes Truppen, zum östlichen Flussufer.

"Aber wenn sie von dort aus nicht die Katapulte bedient haben, muss es doch ein zweites Lager geben, oder?", fragte Anton. "Das ist wahr.", sagte Lars. "Chana?" "Bislang nichts. Vielleicht an der Nordmauer." "Aber als Nenan und ich- wartet, wo ist eigentlich Nenan?" "Bei Talia, den habe ich total vergessen! Er muss hier noch irgendwo sein!", rief Lars kopfschüttelnd. "Anton, schaffst du es, ihn zu finden? Erzähl ihm von dem Plan, er kommt sicher nach." "Aber irgendjemand muss doch Schmiere stehen! Das machen Nenan und ich, in Ordnung?" Lars nickte. "Nimm doch noch drei von Juliette mit, nicht dass unser aller Lieblingsritter drauf geht." "Witzig.", sagte Anton und stieg von Chanas Pferd. "Danke" Chana sah ihn unverwandt an. "Gerne", sagte sie trocken. Drei Männer aus Juliettes Heer kamen zu ihm. Einer klopfte ihm auf die Schulter. "Zurück in die Hölle, neh?", sagte er. Der Ritter hatte einen fanorischen Akzent. Lars musste zugeben, so langsam verlor er den Überblick darüber, wer wo kämpfte und wer wo die Stellung hielt.

"Justin hält in Mortis Wache?", fragte er darum. "Soweit ich weiß, aber er plant sicher schon seine nächste dumme Heldentat." Sie machte bei den letzten Worten Anführungszeichen in die Luft. "Wie lange glaubst du halten wir das Land noch?", fragte der Ältere von den Beiden.

Juliette wurde wieder ernst. "Wir haben schon fast die Hälfte verloren. Die Stadt halten wir mit etwas Glück und ohne Großangriff- ach was, ein normaler Angriff genügt schon- vielleicht drei bis vier Tage, mit etwas noch mehr Glück eine Woche vielleicht." Lars nickte bedrückt. "Was können wir nur tun?" "Wir könnten das Volk durch die Tunnel bringen." "Dort werden sie uns jagen wie die Hühner, das haben wir doch schon geklärt!" "Lars", sagte Juliette und sah ihn traurig an. "Haben wir überhaupt eine Wahl?" "Man hat immer die Wahl." entgegnete Lars kalt. "Und ich lasse meine Frau und meine Familie sicher nicht den Zufall über." Juliette legte den Kopf schief, dann sah sie Anton nach, wie er weg ritt. "Juliette", sagte Lars. "Wir müssen etwas tun!" "Ich weiß!", fauchte sie. "Ich weiß. Ich weiß nur nicht was. Du bist schon länger Ritter als ich. Du hast die Erfahrung. Fällt dir denn nichts ein?" Lars seufzte. "Nein."

Die Heerführer ritten stumm nebeneinander her. Dann gab Lars seinem Pferd die Sporen. Juliette tat es ihm gleich, aber hatte einen fragenden Blick aufgesetzt.

"Wir haben keine Zeit mehr, wie du weißt. Aber einen Plan. Den Anführer zu schnappen.", erklärte Lars ihr ihre unausgesprochene Frage. Langsam kamen sie dem Fluss näher. Ein Lager aus Zelten offenbarte sich ihnen, als sie den Hügel hinunter kamen. Lars sah, dass Juliette die Luft angehalten hatte, und angefangen hatte, am ganzen Körper zu zittern. Sie biss sich auf die Lippe. "Juliette...Wir bleiben stark." Sie stieß die Luft wieder aus. "Verdammt, du hast Recht." "Hey...Was auch immer jetzt passiert...du- nein, wir alle, haben tapfer gekämpft und nicht aufgegeben. Wir haben schließlich ein wundervolles Land, ein starkes. Dafür lohnt es sich zu sterben. Dafür wird es sich immer lohnen. "

Juliette nickte, die kalte Entschlossenheit war zwar nicht so stark wie früher, aber ihr Feuer brannte wieder. Lars spürte, wie diese Flamme auch ihn entfachte, und schon bald brannte die Glut der Entschlossenheit und des Muts in dem ganzen Heer.

"Es wird Zeit", sagte Juliette. "Ich weiß. Viel Glück." Sie nickte Lars zu.

Dann ritten sie den Abgrund des Hügels hinab.

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt