Anton
Anton Bredegard lief die Treppen zum Hof schneller hinab, als er es je für möglich gehalten hätte. Er war aber nicht der Einzige, der das tat. Hinter ihm liefen noch ein paar Ritter hinab, um Nenans Schlachtruf zu folgen. Anton hatte nicht einmal eine Ahnung, was im Hof eigentlich genau passierte, sein einziger Plan war es, Nenan zu helfen und Juliette und Lars zu finden.
Auf einmal erkannte er ein bekanntes Gesicht unter einem der Leute, die sich an ihm vorbei drängten- Theyn, eine Ritterin, die zusammen mit ihm diesen Rang verliehen bekommen hatte. Sie war in jungen Jahren seine Pagen-Partnerin gewesen, denn die Ritter unter denen die gedient hatten, hatten im selben Haus gewohnt und waren mehr als nur Freunde gewesen. Theyn und Anton waren miteinander ausgekommen, obwohl Anton sie manchmal zu Tode genervt hatte und umgekehrt.
Sie sah aus, wie er sie noch in Erinnerung hatte, hellbraunes, karamellfarbenes Haar, blasse Haut und grasgrüne Augen. Sie hatten sich das letzte Mal vor fünf Jahren getroffen. Klar, hier und da waren sie sich in der Burg über den Weg gelaufen, aber Theyn hatte immer Wichtigeres zu tun gehabt, als mehr als nur einen flüchtigen Gruß abgeben zu können. Die kindliche Erscheinung hatte sie hinter sich gelassen, die Narbe, die ihre Lippen seitlich gespalten hatte hingegen, war ihr geblieben. Das war Antons Schuld. Zum Teil. Anton verdrängte den Gedanken an dieses Ereignis schnell und gab Theyn stattdessen einen Klaps auf die Schulter.
"Hey, Theyn! Gut siehst du aus. Sag mal, hast du eine Ahnung, was gerade da unten abgeht?". Theyn wandte sich zu Anton und lächelte, als sie ihn sah. "Na hallo, Ant.", rief sie, das war ihr Spitzname für ihn, denn ihre Familie war ursprünglich aus dem Land Lotoria, und da hieß es irgendetwas, was Anton vergessen hatte. Dann verging Theyn aber das Lächeln. "Hast du es noch nicht gehört?", fragte sie. "Die... Feinde sind seit circa einer Stunde durchgebrochen. Da haben sie den nächsten Ring eingenommen. Und jetzt... Nun jetzt ist die... die letzte Verteidigung einberufen worden." "Die letzte Verteidigung?! Was, warum? Das ist doch die Elite-Einheit des Königs! Warte, wir haben auch den letzten Ring...". Anton verstummte. "Wir verlieren ihn gerade.", antwortete Theyn. "Und die Letzte ist da, weil der König beschlossen hat, persönlich gegen die Feinde zu reiten." "Was? Das ist... krass. Weiß Nenan davon? Also Heerführer Trolot?" Theyn zuckte mit den Achseln. "Es weiß nur die Letzte und es geht auch nur sie was an." "Und woher weißt du es dann, Theyn?", fragte Anton.
Theyn lächelte etwas spöttisch, dann deutete sie auf ihren Hals, an dem eine kleine, silberne Kette war, die ein Amulett hielt. Darauf war ein Baum eingelassen worden und darin ein Schwert. "Woher hast du das?" Gelassen drehte die Ritterin das Amulett um. 'THEYN LEYFASTAN' stand darauf. "Bei allen sechsunddreißig Göttern! Du bist ein Mitglied der letzten Verteidigung?" Theyn lächelte selig. "Ja, und darum musst du mich jetzt vorbei lassen. Der König wartet unten auf uns. War nett, dich wieder zu sehen. Ach, und pass auf dich auf." Damit rauschte Theyn ab und ließ Anton sprachlos zurück. "So was aber auch.", murmelte er. Die Heerführer waren zwar die besten Strategen, aber die letzte Verteidigung waren die besten Kämpfer, Krieger und Beschützer. Dass Theyn es so weit geschafft hatte, fand Anton tatsächlich ein wenig frustrierend, da er nicht einmal als besonders guter Ritter angesehen wurde.
Er schüttelte den Gedanken ab und lief endlich weiter, zum Hof. Absolutes Chaos herrschte dort, genau wie beim letzten Mal, als er hier gewesen war, mit dem einzigen Unterschied, dass die Feinde plötzlich die Oberhand zu haben schienen. Sofort rief er nach Nenan, Juliette und Lars. Er erhielt keine Antwort. Es war nicht mehr ein Kampf. Inzwischen war es ein Gemetzel
Als Anton endlich da war, hatte er den König und die letzte Verteidigung schneller entdeckt, als die Orgales, die durch das offene Hoftor stürmten. Die Garde des Königs sammelte sich blitzschnell um ihn herum, aber es waren einfach zu viele. Überall hörte man nur noch Schreie, eine Hofdame und ihr kleines Kind stolperten über die Leiche ihres Vaters, ein Ritter starb durch einen Pfeil, den ein Orgale mit einer roten Augenklappe abgefeuert hatte, und, und, und. Anton kam mit den vielen blutigen Anblicken kaum zurecht, er hatte ja auch noch eigene Probleme, wie etwa eine Frau, die ihn von der Seite erstechen wollte. Da kam ihr aber ein anderer Dolch zuvor. Hinter der Fontäne aus Blut, die aus dem Hals der Frau spritzte, stand Chana, hinter ihr ritten Juliette und Lars. Sie tauschten stumm einen Blick, bis Lars rief: "Wir übernehmen hier!" Anton nickte, dann lief er weiter, um Nenan zu suchen.
Er erblickte Theyn, die gerade einen Kobold mit ihrem Stilett aufgespießt hatte. "Theyn!", rief Anton. "Wo ist Nenan?". Theyn drehte sich nicht einmal zu ihm um, gab stattdessen einem ihrer Kameraden Rückendeckung. "Thronsaal!", rief sie. Anton beschloss Luft zu sparen, und ihr weder zu danken, noch sie zu fragen, woher sie das wusste. Der Ritter erntete im Vorbeilaufen ein Nicken von Juliette. Er lief weiter, wich einem Feuerpfeil aus, der sich neben ihm in die Erde bohrte. Ein weiterer Pfeil traf einen Karren, der mit Heu beladen gewesen war. Er fing an lichterloh zu brennen.
Anton erreichte schließlich das Innere der Burg, in dem nicht mehr alles nur von unkontrolliertem, beißendem Feuer erhellt wurde. Die Gänge waren voll, alle liefen chaotisch umher. Anton achtete nicht darauf, stattdessen lief er weiter, bis er an der Tür zum Thronsaal war. Er konnte das Klirren von aneinanderprallenden Schwertern hören, und das Stöhnen und Ächzen von Leuten und dem Holzboden. Er öffnete die Türen, darin sah er Nenan, der mit zwei Menschen kämpfte. Anton stürzte sich auf einen von ihnen. "Nenan!", rief er. Schließlich gelang es ihm, den Mann zu eliminieren. Auch Nenan hatte Glück. "Alles klar, Kumpel?", fragte Anton. "Anton, siehst du dieses Glas da? Wir müssen es beschützen, koste es, was es wollte. Die Feinde dürfen es niemals bekommen!" Jetzt erst bemerkte der Ritter das undurchsichtige Glas. "Was ist das?" "Der König hat es befohlen!", sagte Nenan. "Und das ist am Wichtigsten! Es ist eigentlich egal, was genau das ist, Hauptsache wir besch- Argh! Anton! Ich kann- Ich kann mich nicht bewegen!" Anton war wie erstarrt. "Nenan!". Nenan zuckte merkwürdig in dem Versuch, sich zu befreien, aber es gelang ihm nicht. Irgendetwas hielt ihn fest.
Und Anton merkte schnell, was das war. Der Orgalist war zurückgekehrt.
DU LIEST GERADE
Lothoria: Schwarzes Blut
Fantasy»𝕹𝖎𝖊𝖒𝖆𝖓𝖉 𝖜𝖎𝖑𝖑 𝖘𝖎𝖊 𝖘𝖊𝖍𝖊𝖓, 𝖉𝖎𝖊 𝖇𝖎𝖙𝖙𝖊𝖗𝖊 𝖂𝖆𝖍𝖗𝖍𝖊𝖎𝖙. 𝖁𝖔𝖗 𝖑𝖆𝖚𝖙𝖊𝖗 𝕷ü𝖌𝖊𝖓 𝖎𝖘𝖙 𝖓𝖚𝖗 𝖓𝖔𝖈𝖍 𝖉𝖎𝖊 𝕰𝖗𝖎𝖓𝖓𝖊𝖗𝖚𝖓𝖌 𝖜𝖆𝖍𝖗.« Krieg! Das lange im Frieden lebende Königreich Mortis wird angegriffen! A...