Kapitel 11

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Nenan

Ein vertrautes Wiehern riss Nenan aus dem Kampfgetöse. Sein Blick schweifte umher, bis er den Ursprung der Geräusche ausmachen konnte. Sein erster Gedanke war, dass Nadine die Schlacht erreicht hatte, dass sie sie alle retten würde, wie schon so oft zuvor.

Aber als Nenan sich umdrehte, war es Anton, auf einem Pferd sitzend, dass eine verdammt große Ähnlichkeit mit Nadines Reittier hatte - vielleicht war es sogar Micci, aber Nenan hatte momentan wenig Interesse an dem Reittier, viel mehr an der Person, die darauf saß. Nicht zuletzt erinnerte ihn das Tier an Nadine und mit der Erinnerung an sie kamen auch dunklere in seine Gedanken.

"Anton!" Nenan schwang sein schwer zur Seite und wehrte einen Angriff eines Orgales ab, der ihn in die seitliche Enge treiben wollte.

Nenan holte erneut aus, das merkwürdige Wesen parierte. Der Heerführer stieß nach den Beinen des Tierwesens, erst einmal, dann zweimal. Beim dritten Mal fiel der Orgale vor ihm in den Dreck. Nenan zögerte keine Sekunde, ihm sein Schwert in den Hals zu rammen. Für einen Augenblick spritzte das widerwärtige dunkle, wenn nicht sogar schwarze Blut umher und besudelte Nenan mit schwarzen Flecken.

Aber es gab keinen Moment des Verschnaufens. Schon hatte ein Mensch seinen Weg zu dem Heerführer gefunden, schon befand Nenan sich erneut in einem Kampf um Leben und Tod. Plötzlich landete der Kopf des blauhäutigen Mannes schneller im Gras, als Nenan es sehen konnte. Hinter dem, für eine Sekunde aufrecht stehenden, kopflosen Rumpf des Mannes stand Anton, der Stolz war in seinen Blick gebrannt.

"Hey. Wir müssen reden. Juliette und Lars-" Anton wurde von Nenan auf den Boden geworfen. Gerade noch rechtzeitig um sein Tod durch einen weiteren Orgale zu verhindern. "Scheiße, pass doch auf!", brüllte Anton, als er sich aufrappelte. Offenbar glaubte er, Nenan hätte ihn unabsichtlich in das feuchte, gelbliche Gras befördert. "Scheiße, pass doch selber auf!", schrie Nenan giftig zurück.

Anton drehte sich um, eine Spinne krabbelte auf ihn zu. Während Anton sich seinem Gegner, oder Gegnerin, widmete, hatte es Nenan abermals mit einem Menschen zu tun. Vielleicht sollte er ein Gespräch aufbauen? Allerdings war es unwahrscheinlich, dass der Mensch erstens mit ihm sprechen, und zweitens ihm ihren Anführer verraten würde. Außerdem wäre das auch lächerlich, es war also eher eine Aufgabe für Anton.

Genau dieser versuchte es gerade auch, allerdings hatte er sich als Gesprächspartner Nenan ausgesucht.

"Nenan! Juliette und Lars schicken mich!", rief er, als er nochmal versuchte, ihm seine Meldung mitzuteilen. Nenan lief, so gut es eben machbar war, in die Richtung des jüngsten - nein, zweitjüngsten- Ritters Mortis'.

"Sie haben einen Plan!", rief Anton. Ehe er weiter reden konnte, unterbrach Nenan ihn. "Und den willst du am Schlachtfeld berichten, vor den Augen und Ohren unserer Feinde? Wie zu Holoron, bist du Ritter geworden, mit diesen geringen Kompetenzen?", rief er zu seinem Freund hinüber.
Anton sah eher gestresst, als genervt aus, was plausiblerweise daran lag, dass er sich gerade in einem Kampf befand.

"Dann komm gleich her!", kreischte er und stach die Spinne dorthin, wo wahrscheinlich eines Menschen Brust war. Was wollte er denn? Hatte er etwa vor, es ihm im Schlachtgetöse ins Ohr zu flüstern? Mit fragendem Blick, aber steinerner Miene, näherte er sich seinem, mehr oder weniger, Schützling.

Anton hatte noch immer Probleme mit der Spinne, und Nenan wurde von einem Zentauer eingekesselt. Er war viel größer als der Heerführer und sein langes, rotes Haar war hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Nenan bog sich nach hinten vor einem gemeinen Schlag weg, dann duckte er sich unter der Keule des Halbmenschen durch. Er schlug nach seinem Bauch und trennte den Pferdekörper sauber von dem menschlichen. Ein widerliches Geräusch wich aus der Kehle sein seines Gegners, als Nenan durch die staubige, aber blutverkrustete Erde schlitterte.

Für weniger als eine halbe Sekunde genoss er den Moment des Triumphes, dann erinnerte er sich wieder an Anton. Der Heerführer lief durch ein paar Duelllisten durch, im Augenwinkel bemerkte er dass einer seiner Verbündeten fiel, doch das war nur kurz von Belang, denn plötzlich krachte ein Baum Nenan direkt vor die Füße. Der Baum erschlug zwei Diener des Feindes, und als er sich Stumpf des Stammes umdrehte, winkte ihm einer seiner Ritter, Léon, zu.

Nenan nickte, und im selben Moment stürzte er sich zu dem Ritter hin, um ihn vor dem Orgale hinter ihm zu warnen, doch er war zu spät. Eine Verspätung, die Léon in das Leben kostete. Entsetzt starrte Nenan auf Léons kopflosen Körper, derselbe, der ihm in so vielen Schlachten gedient und geholfen hatte, dann rannte er weiter.

Mortis, Mortis, und nichts außer Mortis zählte. "Anton!", brüllte er, stieß einem Angreifer in die Schulter, und rief dann nochmals Anton Namen über die Grasebene. "Nenan! Bleib, wo du bist!", hörte er Anton von irgendwo rufen. Nenan schrie in die Luft, denn er wusste ja nicht, von wo sein Freund ihm seine Nachricht zugebrüllt hatte. "Und der Plan? Von Lars und Juliette?"

Er vernahm Anton Stimme abermals. "Bleib, wo du bist, Nenan! Kämpfe und überlebe! Und vertrau mir!", schrie die Stimme. Nenan hatte wohl keine andere Wahl.

Aber war es wirklich Anton, der das rief? Oder abermals die Falle von einer tückischen Hexe? Oder waren hier schlimmere Wesen am Werk?

Nenan musste sich entscheiden, zwischen Verstand und Bauchgefühl.

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt