Kapitel 17

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Anton

Anton gab seinem Pferd die Sporen. Neben ihm ritt Nenan, auf Lars' Pferd, wie Anton schnell bemerkte. Hinter ihnen war das Schlachtgetöse, und Lars' und Juliettes Truppen, die sich langsam nach hintern zurückzogen. Vor ihnen waren Nenans Leute, die sich noch langsamer nach Mortis bewegten. Irgendwann sprang Nenan plötzlich von seinem Pferd. "Nenan, was tust du?". Spät bemerkte der Ritter, dass Nenan einem Verletzten auf Siegesstolz half, sich selbst dahinter setzte und wieder losprescht. Anton tat es ihm gleich, oder wollte das zumindest.

Er sah eine junge Frau, von einem Mann gestützt, der ihr verteufelt ähnlich sah. Sie hatte langes, schwarzes Haar und war am Bein verwundet. Blut rann ihr den nackten Waden hinab. "Hey, warte, ich helfe dir.", sagte er, und hob sie hoch. Er setzte sie gerade hin, denn ansonsten wäre sie hinab gefallen. Nicht einmal ein "Danke" brachte sie hervor. "Gleich verliert sie mir das Bewusstsein.", dachte Anton mit zusammengepressten Lippen. Der Mann, der sie zuvor gestützt hatte, sah Anton dankend an. Auch er war verletzt, aber er konnte noch gut laufen. Sein Arm war bei ihm betroffen, aber es sah nicht schlimm aus. Als Anton gerade seinem Pferd dir Sporen geben wollte, hörte er, wie der junge Mann ihm etwas nach rief. "Wartet! Wie heißt Ihr? Ich muss sie finden, wenn Ihr sie nach Mortis bringt!" "Anton! Anton Bredegard! Unter Nenan Trolot!", rief er über seine Schulter.

Er ließ das Pferd schneller laufen, alles um ihn herum war verschwommen. Einzig und allein das Pferd, die Frau und sein eigener Körper waren für ihn registrierbar. Von weitem, sah er die Flammen, die die Burg verschlangen, er wollte gar nicht wissen, wie das Dorf zugerichtet worden war, das hinter den Mauern lag, er wollte nicht wissen wie der Magnolienwald, die Brücken, die Leben zerstört waren, die dort einmal existiert hatten.

Anton blickte wieder zu der Frau, die jetzt ihre Augen geschlossen hatte. Ein Rinnsal von Blut fand seinen Weg über ihre Wange. Die Sonne war nun noch weiter unten, die goldene Stunde war bereits um. Ein Strahl beleuchtete Antons Weg. Auf einmal sah er ein Leuchten, hell und trotzdem nicht in dem Leuchten, dass die Sonne brachte, sondern kühler, wie der Mond, der gerade wahrscheinlich schon fast bei ihnen angekommen war. Ein Blick hinab ließ ihn erstarren. Fast hätte er die Frau fallen gelassen, denn auf ihrer Stirn hatte sich ein goldenes Zeichen gebildet, die Form ein Kreis, und darum in Form von Regentropfen Strahlen, die Anton an die Sonne erinnerte. "Was ist das?", hauchte er. Plötzlich gelangten sie in den Schatten eines Baumes, und das Zeichen verblasste. Eine Haarsträhne legte sich über die Stirn der Frau und schon waren alle Anzeichen dieses Wunders verschwunden.

Anton wollte staunen, aber bemerkte, dass er dafür keine Zeit mehr hatte, denn er hatte den Geheimgang in die Burg bereits erreicht und wurde dort schon von Nenan erwartet. "Nenan, das musst du dir ansehen!", rief Anton laut und stieg vom Pferd. "Wir haben jetzt keine Zeit dafür. Komm, rein da!". Er schob den Ritter in den Gang, während er den Mann neben sich stützte. Anton hatte die Frau in den Armen.

"Schade, dass ihr Mahl jetzt nicht leuchtet.", dachte er und betrachtete sie näher. Es war auf jeden Fall nicht ihre erste Schlacht gewesen. Spuren von Narben waren auf ihrem Gesicht, aber sie waren ausgesprochen gut behandelt worden, besser, als Anton es je gesehen hatte. Ihr Haar war wild und kraus, ihre Haut war rot von dem Sonnenbrand, den sie sich draußen geholt hatte. Anton merkte, dass sie keine Rüstung trug, und dass sie kein Wappen von Mortis bei sich hatte. Stattdessen war da wieder dieses Sonnenzeichen mit den Regentropfen. War das etwa eine Kriegerin aus den Reihen der Feinde? Hatten sie und ihr Gefährte etwa die Seiten gewechselt?

Bevor er sich dieser Frage widmen konnte, war er auch schon am Ende der spärlich beleuchteten Höhle. Kaum, dass er hinter Nenan ans Licht getreten war, schlug die Frau für eine Sekunde die Augen auf. "Violett.", dachte er, aber sofort schob sich ein neuer Gedanke in seinen Kopf. "Es gibt keine violetten Augen." "Es gibt alles auf dieser Welt.", meldete sich eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf. Anton schüttelte sich, um wieder Ordnung in sein Hirn zu bekommen.

Doch anstatt Ordnung zu liefern brachte es nur das Bild, dass seine Augen aufnahmen, und das war alles andere als wünschenswert.

Auf dem Hof herrschte blankes Chaos.

Vor ihm, hinter ihm, neben ihm, überall Kinder, Männer, Frauen, laufend, schreiend, rufend. Weit vorne sah er Nenan, umringt von einem Haufen Ritter. Er drückte einem den Verletzten in die Hand, dann fuchtelte er energisch mit der Hand und zog sein Schwert. "Nenan!", rief Anton laut. Nenan drehte sich um, sein Blick fiel auf die Frau in Antons Armen. "Zur Krankenstation!", brüllte er. Danach rief er noch lauter: "Alle Ritter zu mir! Sammeln!" Anton hörte das Horn von Mortis, bewegte sich aber keinen Millimeter. Nenan. Die Frau. Wem sollte er zuerst helfen?

Er lief schließlich doch zur Krankenstation. Dort angekommen wartete ein neuer Schock. "Justin!". Justin Hendoras lag auf einer Bahre, von Schweiß und Blut überströmt. "Justin! Wie geht es dir?". „Sieht man doch...", murmelte er. "Beschissen. So ein verfickter Orgale. 'S Drecksschwein. ", nuschelte er benommen. „Der wird wieder!", rief eine Heilerin mit einem gelben Kopftuch achselzuckend. "Ganz anders als sein Nachbar hier.", fügte sie grimmig hinzu und deutete auf einen Mann. Sein ehemaliges blondes Haar war rot von Blut und sein Gesicht sah aus, als wäre es zerquetscht worden. "Ew, was ist mit dem passiert?", fragte Anton und unterdrückte einen Würgereiz.

Die Heilerin zuckte abermals mit den Achseln, dann nahm sie die Leiche bei den Füßen. "Leg das Mädchen hier rauf.", befahl sie trocken. Anton tat, wie gewollt, aber er wich nicht von ihrer Seite, bis er sagte: "Justin? Hab ein Auge auf diese Frau, ja? Irgendetwas ist... anders an ihr."

Justin runzelte die Stirn, aber sagte dann trotzdem: "Klar. Und du hab ein Auge auf Nenan und dich. Nicht reinscheißen, nah'?" Anton nickte. "Wir doch nicht."

Erneut ertönte ein Horn und der ganze Saal wendete den Blick nach draußen. "Juliette.", sagte Justin verträumt. "Und Lars. Na endlich. Alle wieder heile in Mortis. Hoffentlich." "Finde sie, Anton." "Keine Panik, das schaffe ich. Wie immer." Damit wendete Anton sich ab und lief zurück zu dem Horror, der ihn im Hof erwarten würde.

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt