Kapitel 25

12 3 2
                                    

Juliette Kerz

Juliette trat aus dem Wald.

Neben ihr waren Justin und ihre, sowie seine Leute. Sie hatten zusammen - auf Nenans Bitte - das angrenzende, südliche Walgrundstück in Augenschein genommen. Juliette verstand natürlich, dass er sich Sorgen machte, aber sie merkte, dass es nicht seine Idee gewesen war, und das bereitete ihr Sorgen. Wenn er sich außerhalb der Heerführer mit jemandem austauschte, war das auf keinen Fall ein gutes Zeichen. Juliette traute momentan so gut wie keinem und das war auch gerechtfertigt. Sie wussten nicht, wer ihr Freund und wer ihr Feind war und nach diesem Gerücht über einen Verräter war die Heerführerin sogar noch misstrauischer geworden. Und Nenan sollte das auch sein. Nach Kassandras Tod - der ehemaligen dienstältesten Heerführerin, die während der ersten Schlacht von Mortis, also vor dem Tod des Königs, umgekommen war - hatte Lars ihren Platz eingenommen. Aber nun, als Lars in der zweiten Schlacht um Mortis getötet worden war, war Nenan zum inoffiziellen Anführer aufgestiegen. Juliette konnte immer noch nicht glauben, dass Lars wirklich fort war. Er war ihr Freund gewesen, mehr noch, er war - wie sie ungern zugab - ihr Vorbild gewesen. Der Mann war ein guter Mensch gewesen, so viel war klar. Mit seiner Offenheit und Ernsthaftigkeit hatte er ein ikonisches Bild eines typischen Helden abgegeben. Manchmal träumte sie von ihm, aber nicht so, wie Nenan seine Träume von Nadine beschrieb, sondern anders, normaler. Sie sprach nicht mit ihm, manchmal sah sie nur kurz sein Gesicht, dann war es wieder vorbei. Juliette seufzte kurz in Gedanken an ihn, dann versuchte sie wieder professioneller zu wirken. Sie musste schließlich ein Vorbild für die verbliebenen hundertsechsundzwanzig Personen sein, so wie Lars es für sie gewesen war.

Justin bemerkte ihre Abwesenheit natürlich. In den letzten Wochen hatten sie viel Zeit zusammen verbracht, besonders nach der Nacht am Lagerfeuer, wo sie sich mehr oder weniger versprochen hatten, aufeinander aufzupassen. Er schielte sie vorsichtig von der Seite an, dann zupfte er an ihrem Umhang. "Julie... Was ist denn los?" Juliette rollte mit den Augen. "Nenn mich noch einmal Julie, und ich werde dich für den Rest unseres Lebens Jusie nennen." Justin gluckste, aber sagte nichts. Auch Juliette musste sich ein Lächeln verkneifen. Die kleine Gruppe näherte sich dem Zeltlager, das inzwischen etwas stabiler wirkte. Es gab mehr Zelte, mehr Feuerstellen und Fackeln, die in der Nacht als Lichtquellen ausgeteilt wurden. Gerade schon war es Abend und die Sonne sank im Westen auf das steppenartige Land zu. Die Truppe befand sich gerade auf einem kleinen Hügel, wovon sie aber fast keinen Blick über das Tal hatte, da der Nebel ihnen jegliche Sicht raubte. "Was für ein scheiß Wetter", murmelte Oreni hinter den beiden. Die junge Ritterin hatte zuvor Lars' Heer angehört, doch weil sie auch schon früher mit Juliette unterwegs gewesen war, hatte sie sich breitwillig ihren Kriegern angeschlossen. Ihr kurzes, weißes Haar wogte im leichten Wind, als Justin und Juliette sich zu ihr umdrehten. "Da hast du aber Recht, Oreni", pflichtete Justin ihr bei. Hinter Oreni war ein bekanntes Gesicht zu sehen - Lethan, der Ritter, der seinen Freund Tobias nach Mortis gebracht hatte, als sie beide verletzt gewesen waren und die Nachricht von Lars überbracht hatten, dass er kommen würde.

Juliette hatte ehrlich gesagt großen Respekt vor dem Mann, dass er sich selbst und seinen Freund gerettet und dabei auch noch seine Mission erfüllt hatte. Es hatte seinem Freund Tobias allerdings nicht viel gebracht. Der Mann war noch im Krankenlager innerhalb von Mortis verstorben. Allerdings nicht, ohne selbst verletzt ein paar der Dreckskobolde mit zu nehmen. Juliette wandte den Blick von Lethan ab und nickte der Truppe zu. "Bewegen wir uns!", rief sie. "Ab nach Hause!" "Oder was noch davon übrig war...", dachte sie bitter.

Inzwischen war nicht nur ein Gerücht im Gange, sondern gleich noch eines: Anscheinend spukte es plötzlich im Norden und die Ruinen der Burg seien verflucht. Das konnte nicht einmal wahr sein, denn Nenan, Goliardon und Anton hatten sich die Überreste bereits angesehen und außerdem gab es auch noch Leute aus Mortis, die dort lebten. Eigentlich hätten sie das alle machen können, aber die Burg war so von Einsturz gefährdet, dass sie beschlossen hatten, dass ein Zeltlager wahrscheinlich das Schlauste war.

Juliette, Justin, Oreni, Lethan und der Rest der Truppe gingen den Hügel hinab und sofort fanden sie sich in dichtem Nebel wieder. Justin legte sich eine Hand vor die Augen. "Heilige Kakerlake, ist das aber echt ein Dreckswetter! Ich seh' ja nicht mal meine Hand!" Natürlich war das übertrieben, denn man konnte durchaus an die zehn bis zwanzig Meter sehen. Juliette rollte mit den Augen und Oreni hinter ihr kicherte wie ein kleines Kind, als sie das sah.

Auf einmal ertönte eine andere Stimme: "Ich finde das ja ganz toll, wie ihr euch da alle so prächtig amüsiert, aber, Leute, ich brauche euch echt dringend! Wir haben ein Problem, wie es aussieht!". Es war Nenans Stimme und auch Nenan war es, der da gerade aus dem Nebel trat, wie ein Geist. Er sah definitiv nicht begeistert aus. Hinter ihm waren Anton, Berain, Durand und Lahnol.

"Nenan!", rief Juliette besorgter, als sie klingen wollte. "Was ist passiert? Wir waren doch kaum fünf Stunden unterwegs!" Justin trat an ihre Seite, sein blondes Haar fettig und dunkler als sonst. "Wir haben ein riesiges, riesiges Problem...", seufzte Nenan und rieb sich den Schweiß von der Stirn. "Na sag schon!", forderte Justin.

"Lahnol", bat Nenan den Ritter. "Erzähl es ihnen." Lahnol trat vor und holte tief Luft. "Also, Chana ist zu mir gekommen - naja, sie ist wohl eher gerannt. Nun, ich war mit Durand da und Theyn - ihr wisst schon, die von der Letzten Verteidigung - hat war mit Berain unterwegs und dann kam Chana und dann hat sie mir total panisch erzählt, dass sie im Nebel etwas gesehen hat! Eine Person oder so..." Justin kniff die Augen zusammen. "Person im Nebel? Chana und panisch? Das passt doch nicht zusammen." "Umgekehrt würde ich das eher glauben", meinte auch Anton. "Hey!", rief Nenan. "Zuhören. Er ist noch nicht fertig."

Lahnol nickte, dann sagte er: "Und dann hat Chana mir befohlen, dass ich es Herrn Nenan sage, also habe ich Berain und Durand geschnappt und bin zu ihm gelaufen." Juliette runzelte die Stirn. "Was habt ihr überhaupt hier zu suchen gehabt?", fragte sie die Geschwister. Berain imitierte Juliettes Ausdruck. "Wir haben nur gesprochen mit ihm und dieser anderen Frau. Wollt Ihr und jetzt für alles verantwortlich machen, was passiert?", fragte sie wütend. Juliette antwortete nicht, sondern fragte stattdessen nach ihrer rechten Hand. "Und wo ist Chana jetzt? Ich möchte sie gerne persönlich danach fragen."

"Das würden wir alle gern", meinte Nenan. "Aber das ist es ja eben: Chana hat Theyn geschnappt und sie haben das Dümmste überhaupt gemacht: Sie sind in den Wald gegangen. Und jetzt sind sie verschwunden."

Juliette, so wie ich sie mir immer vorgestellt habe ♡✨EPISCH✨

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Juliette, so wie ich sie mir immer vorgestellt habe ♡
✨EPISCH✨

Lothoria: Schwarzes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt