𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 66

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Nia spazierte zurück in ihr Zimmer.

Seit einigen Tagen war sie stationär in einer Einrichtung, die ihr helfen sollte. Sie hatte mehr als Glück gehabt, so schnell einen Platz überhaupt bekommen zu haben. So richtig öffnen konnte sie sich jedoch nicht, weil sie gar nicht genau wusste, wo ihre Probleme im Allgemeinen anfingen.

Sie sah auf ihre Zimmertüre und ... entschied sich dann doch vielleicht spazieren zu gehen. Irgendwie wollte sie nicht nur herumliegen, nachdem sie Tage damit verbracht hatte.

Ihr Weg führte durch Flure, die Treppe hinab, und schließlich in den Park, wo sie ein paar wenige Leute sah, die wohl dasselbe wie sie im Sinn gehabt hatten.

Sofort blieb sie stehen und überlegte, ob sie nicht doch wieder hineingehen sollte.

»Unentschlossen?« , fragte sie eine tiefe Stimme von rechts und sie blickte hin.

Ein großer Junge mit pinkgefärbten wirrem Haar, und einigen sichtbaren Tätowierungen saß auf einen der Bänke, die sich an der Hauswand befanden, und rauchte eine Zigarette.

Nia näherte sich ihm. »Ja, ich wollte eigentlich raus, aber wusste nicht, dass so viele auch hier sein würden.«

Er zeigte gen Himmel. »Das Wetter.« , sagte er. »Sobald die Sonne scheint, meinen manche man sollte nach draußen, das Licht in sich aufnehmen und so weiter und so fort. Komisches Bedürfnis, ein wenig Helligkeit ins Dunkle zu lassen.«

Der Junge hielt ihr eine Zigarette hin, die sie dankend annahm und ließ sich diese auch anzünden. Sie inhalierte tief und hustete augenblicklich.

Er lachte, aber nicht in dem Sinne, dass er sie auslachen würde. »Hey, ich wollt' dich nicht verführen.«

Nia lächelte verlegen, weil sie sein Lächeln irgendwie süß empfand. »Nein, ich ... ich wollt's eh ma' ausprobieren.«

»Der Genuss kommt erst später.« Er reichte ihr die Hand. »Ich bin Nelio.«

»Nia.« , stellte sie sich vor.

»Freut mich Nia.«

Sie zog erneut an der Zigarette und hustete dieses Mal ein bisschen weniger. »Warum ... bist du hier?« , fragte sie und wusste nicht, ob dies zu aufdringlich erscheinen würde. Fragte man zur Diskussion Stehendes überhaupt in so einer Einrichtung?

»Oh die Liste ist lang.« , antwortete er und zeigte seine geritzten Arme. »Hinzu kommen ein paar Zwänge. Abhängigkeiten. Depressionen. Nicht verarbeitete Traumata und und und.« , gab er an und lächelte sie anschließend wieder an. »Und du?«

Nia zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht. Ich ... ich hab' mich auch schon verletzt und ... es besteht der Verdacht auf bipolare Störung und auch Borderline. Keine Ahnung. Sie meinen, ich bin noch zu jung, um eine richtige Diagnose zu stellen. Und ... ich bin noch nicht so lange hier.«

»Wie alt bist du?«

»Neunzehn. Und du?«

»Einundzwanzig.«

»Bist du ... freiwillig hier?«

Er nickte. »Ja. Zum Teil.« , antwortete er. »Und bis eben, fand ich es noch schrecklich.«

»Bis eben?« , hakte sie nach.

»Ja. Hätte nicht gedacht, so eine Schönheit wie dich hier anzutreffen.«

»Eine Schönheit?« Sie lachte und zog verlegen die Lippen ein.

»Ja natürlich. Ich dachte, mein Herz bleibt stehen, als du nach draußen kamst.«

»Jetzt übertreibst du.« Nia musste weiter lachen und schlug leicht auf seinen Oberarm. Dabei bemerkte sie, dass sie tatsächlich rot wurde, als die Hitze in ihr aufstieg.

»Nein glaub' mir. Übertrieben wäre es gewesen, wenn ich gesagt hätte, dass mir dein Lächeln anscheinend als Medizin ausreicht.« , sprach er. »Und dabei wäre es auch die Wahrheit gewesen.« Er zwinkerte ihr zu.

Bekam sie jetzt tatsächlich noch mehr Farbe ins Gesicht?

»Nelio?« Eine Mitarbeiterin in heller Kluft blickte nach draußen. »Du sollst zu Doktor Grundmann.«

Er nickte und stand auf. Die Kippe drückte er in einem kleinen Aschenbecher aus, eh er Nias Hand nahm und ihren Handrücken küsste. »Es war mir eine Ehre. Ich hoffe, wir sehen uns nochmal.«

»Ja. Das ... das hoffe ich auch.« , gab sie mit einem Schmunzeln von sich und blickte ihm nach.

Und auch er sah abermals mit einem Lächeln zu ihr, eh er ins Innere verschwand.

Ihre Mundwinkel blieben oben, als sie vor sich hinsah.

Hatte sie je damit gerechnet, jemanden hier kennenzulernen?

Sie war davon ausgegangen, hier würden nur ... Angeknackste herumrennen. So wie sie, wenn sie es genau nahm. Okay, er war es ja auch, aber ... wieso hatte sie bei ihm das Gefühl einen Gleichgesinnten gefunden zu haben?

Weil er im Grunde genauso gestört war wie sie?

Vielleicht ... verstand er sie somit auch besser als alle anderen in ihrem Umfeld? Aufgrund der Sache, da er Ähnliches mit sich durchmachte.

Irgendwie fühlte sie sich wohler als noch vor ein paar Minuten. Dabei hatte sie gerade mal wenige Worte mit diesem Nelio gewechselt. Sie kannte ihn gar nicht.

Doch auf die eine oder andere Weise hatten diese Worte ausgereicht. Wie von selbst und unkontrolliert begann sie zu weinen.

War es Glück ... war es Leid? Sie wusste es nicht, denn es geschah ganz natürlich. Irgendwie hatte sie generell keine Kontrolle mehr darüber. Es war, als wäre ein Schalter bei ihr umgelegt, seit sie im Großen und Ganzen ihren Dornenweg anerkannt hatte.

Robin kam ihr nun in den Sinn.

Er wusste von nichts ... falls ihre Eltern wirklich dichtgehalten hatten.

Er schrieb ihr. Fragte nach einem Treffen und so weiter. Mehr nicht.

Wenn er Einblick hätte, wo sie sich derzeit aufhielt, wäre er anders. Das wusste sie.

Robin hatte also keine Ahnung.

Aber sollte sie ihm das nicht doch endlich sagen? Er war trotz und allem ... ihr bester Freund. Oder nicht?

Und mein kleines Herz bounced, es ist fast wie im TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt