33 | Ich sehe dich

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Der Morgen begann ruhig. Nachdem wir beide gefrühstückt hatten, beschlossen Samantha und ich, einen Spaziergang im Park zu machen. Es war eine dieser klaren, frischen Morgenstunden, in denen die Sonne sanft durch die Bäume schien und die Vögel leise zwitscherten. Wir gingen Seite an Seite, manchmal schweigend, manchmal in leichte Gespräche vertieft, die sich um alles Mögliche drehten – nur nicht um das, was uns wirklich beschäftigte.

>>Der Park ist schön um diese Uhrzeit<<, sagte Samantha, als wir eine kleine Lichtung erreichten, wo die Sonnenstrahlen den Boden in ein warmes Licht tauchten.

>>Ja<<, stimmte ich zu, während ich die Stille um uns aufsog. >>Es ist fast so, als wäre die ganze Welt in Ordnung.<<

Sie lächelte schwach und sah mich an, aber es lag eine Schwere in ihren Augen, die sie nicht verbergen konnte. Wir setzten unseren Spaziergang fort, doch ich spürte, wie die Realität langsam wieder in meinen Kopf kroch, die Gedanken an den Club, an alles, was passiert war, drängten sich auf, trotz meiner Bemühungen, sie fernzuhalten.

Als wir schließlich zurück in der Wohnung waren, schlug Samantha vor, Musik anzumachen und ein wenig aufzuräumen. >>Das hilft immer, wenn man sich ablenken muss<<, meinte sie mit einem leichten Lächeln.

Ich nickte, auch wenn mir nicht wirklich nach Putzen zumute war. Doch ich wusste, dass es vielleicht genau das war, was ich brauchte – eine Aufgabe, etwas, das mich zumindest für eine Weile von all dem Chaos ablenken konnte. Wir verbrachten den Nachmittag damit, die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Wir hörten Musik, sie sang leise mit, während wir Staub wischten, den Boden fegten und die Küche aufräumten. Es fühlte sich fast normal an, fast so, als wäre der Tag ein ganz gewöhnlicher und nicht der Tag nach diesem verdammten Desaster.

Aber je später es wurde, desto unruhiger wurde ich. Der Gedanke an den Club, an Cruz und Cameron, an alles, was noch unausgesprochen war, begann mich zu erdrücken. Ich hatte noch nicht entschieden, ob ich jemals wieder dorthin zurückkehren würde, und diese Ungewissheit nagte an mir.

Schließlich bemerkte Samantha meine Unruhe. Sie legte den Lappen, den sie gerade in der Hand hielt, beiseite und sah mich an. >>Gehst du heute Abend in den Club?<< fragte sie direkt, ihre Stimme war sanft, aber da lag auch eine gewisse Besorgnis darin.

Ich schüttelte den Kopf und seufzte tief. >>Nein<<, antwortete ich langsam, >>ich weiß nicht einmal, ob ich jemals wieder dorthin gehen werde.<<

Samantha sah mich lange an, bevor sie ebenfalls seufzte und leise weitersprach. >>Ich weiß, dass es schlimm ist, was passiert ist. Und ich will keinen von beiden in Schutz nehmen, aber vielleicht lässt du dir erklären, was genau passiert ist. Zumindest, um vielleicht zu verstehen, warum er es getan hat. Offensichtlich hatte er gute Gründe... die Umsetzung war halt echt nicht scheiße.<<

Ihre Worte hingen in der Luft, während ich sie verarbeitete. Sie klangen vernünftig, fast zu vernünftig, um wahr zu sein. Aber in mir tobte der Sturm aus Wut, Enttäuschung und Verrat. >>Gute Gründe?<< wiederholte ich bitter. >>Was für Gründe könnten das sein, die so etwas rechtfertigen?<<

>>Ich weiß es nicht<<, gab sie zu und sah mich ernst an. >>Aber du auch nicht. Und das ist der Punkt. Vielleicht ist es es wert, zumindest zu hören, was er zu sagen hat.<<

Ich sah sie lange an, unsicher, was ich denken oder fühlen sollte. Sie hatte recht, natürlich hatte sie das, aber es fiel mir schwer, das zu akzeptieren. Trotzdem nickte ich langsam. >>Vielleicht... aber nicht heute.<<

Samantha legte ihre Hand sanft auf meine und lächelte schwach. >>Das ist okay. Einen Schritt nach dem anderen<<

Und so ließen wir das Thema vorerst ruhen, obwohl ich wusste, dass es irgendwann wieder aufkommen würde. Aber für den Moment war ich dankbar für ihre Geduld und ihre stille Unterstützung.

Eyes on you - Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt