22 | Privatshow

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Seit ein paar Tagen wohne ich nun schon bei Samantha und es fühlt sich wenigstens ein bisschen so an, als würde sich mein Leben etwas beruhigen. Die Zeit hier gibt mir eine Art von Zuflucht, ein kleines Stück Normalität inmitten des Chaos. Außer im Club sehe ich nicht viel von Cruz, und das ist auch gut so. Jedes Mal, wenn ich nur seinen Namen höre, verkrampft sich alles in mir. Obwohl ich eine pure Abneigung gegen ihn hege, kann ich den Kuss zwischen uns nicht vergessen. So sehr ich auch dagegen ankämpfe, immer wieder flackert die Situation in der Villa vor meinem inneren Auge auf. Seine Berührung, sein Blick – es verfolgt mich, selbst wenn ich es nicht will.

Deshalb bin ich erleichtert, dass ich ihm nicht allzu oft über den Weg laufe. Mit meinen Schichten im Club komme ich klar. Wenn ich auf der Bühne stehe, blende ich alles um mich herum aus. Ich tanze für mich, so wie ich es schon als Cheerleader getan habe. Diese Taktik hat mir damals die Nervosität und den Druck genommen, und hier ist es ähnlich. Ich schließe die widerlichen Kerle aus, die jeden Zentimeter meines Körpers mit ihrer puren Fleischeslust angaffen.

Bisher blieb ich dank des Vorfalls mit Mike von den privaten Shows verschont, aber ab heute nicht mehr. Ich stehe gemeinsam mit Samantha hinter dem Vorhang der großen Bühne, und beim Blick nach draußen erkennen wir sofort, dass der Club mehr als gut besucht ist. Typisch fürs Wochenende, sagt Samantha und deutet auf ein paar Männer, die als VIPs hier bekannt sind. Es sind Männer, die schmutzige Geschäfte betreiben, und ihr Anblick lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Da halte ich mich schon bewusst von einem fern und dann muss ich hier die nächsten ertragen. Ironie des Schicksals. Doch heute Abend werde ich genau das tun müssen. Samantha und ich tauschen einen kurzen Blick, und ich sehe in ihren Augen, dass sie versteht, was ich fühle. >>Es wird schon<<, sagt sie leise. Du machst mir richtig Konkurrenz. Außerdem kannst du unserer guten Freundin Lexi heute mal wieder zeigen, wie es richtig geht.<<, lachte sie voller Überzeugung.

Ich tanzte an der Stange und fühle mich mit jeder Bewegung ein wenig mehr von der Realität losgelöst. Meine Hände gleiteten über das kühle Metall, mein Körper bewegte sich in eleganten, fließenden Bewegungen. Ich zog mich nach oben, ließ mich langsam hinabgleiten und drehte mich um die Stange, während meine Beine in anmutigen Kreisen die Luft durchschnitten. Mein Körper eins mit der Musik, die durch den Raum dröhnte.

Durch einen dunklen Schleier hörte ich die Stimmen der Männer, ihre aufdringlichen Kommentare und das zustimmende Raunen, wenn ich eine besonders herausfordernde Pose einnahm. Doch ich tanzte weiter, blendete alles um mich herum aus und konzentrierte mich nur auf die Melodie und den Rhythmus. Ich war in meiner eigenen Welt, in der es nur mich und die Musik gab.

Plötzlich, noch bevor das Lied zu Ende war, sah ich durch diesen dunklen Schleier hindurch ein bekanntes Gesicht. Cameron. In seiner Hand hielt er ein Glas, das er fest umklammerted. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, blickte er mir direkt in die Augen. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, und für einen Moment fragte ich mich, ob er nicht wichtigere Dinge zu tun hätte.

Mit einem frechen Grinsen zwinkerte er mir zu, stand auf und verschwand in der Menge. Was sollte das denn? Seine unerwartete Anwesenheit und sein Verhalten verwirrten mich, aber ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen. Ich beendete meinen Tanz professionell, meine Bewegungen flossen nahtlos bis zum letzten Takt der Musik.

Als das Lied endete, kehrte ich langsam zurück in die Realität. Das wäre geschafft. Ich atmete tief durch, ließ die Anspannung ein wenig von mir abfallen und ging von der Bühne. Endlich durfte ich mir eine kurze Pause erlauben, bevor ich mich auf den schwierigsten Teil des Abends einlassen musste – die privaten Shows.

Ich lehnte mich an die Bar und bestellte ein Wasser, dankbar für die kurze Pause. Der Club war laut und voller Menschen, aber ich versuchte, einen Moment der Ruhe zu finden, um meine Gedanken zu ordnen. Gerade als ich einen Schluck Wasser nahm, sprach mich ein Mann von der Seite an.

Eyes on you - Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt