Noch immer standen wir dort in diesem Flur und Cruz wandte sich an seinen Freund. Wahrscheinlich glaubte er, dass ich ihr Gespräch dann nicht hörte.
„Wo ist Liz? Sie braucht einen Schlafplatz."
„Seit wann kümmern wir uns darum, wo Mädchen unterkommen?", fragte Damian und musterte mich von oben bis unten.
„Tun wir nicht. Ich hab sie von Jack. Und da ich nicht sicher sein kann, dass sie nicht einfach abhaut, muss ich in diesem Fall anders vorgehen." Er wirkte bereits jetzt genervt. Lief wohl doch nicht so, wie er sich das vorgestellt hat.
„Liz ist schon weg. Aber die Süße kann ruhig bei mir übernachten. Ich wüsste schon, wie wir uns die Zeit vertreiben können." Seine überhebliche Art kotzte mich jetzt schon an. Wie konnte man so schnell bei jemanden zum Arschloch der Nation mutieren. Er ist ja noch schlimmer als Cruz. Unter keinen Umständen werde ich auch nur eine Sekunde mit ihm allein verbringen.
„Auf gar keinen Fall!", mischte ich mich in ihr Gespräch ein. „Da ist mir die Gosse noch lieber.", blaffte ich ihn an.
„Wer hat dir erlaubt zu reden?", trat Damian einige Schritte näher an mich heran, wurde dann aber von Cruz am Arm gepackt.
„Halt dich zurück, Damian. Sie ist nicht dein Problem.", wies er ihn zurecht. Er kam auf mich zu und baute sich vor mir auf. „Und du - misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen."
„Die mich nichts angehen? Ich werde gezwungen, meinen Körper an irgendwelche ekelhaften Säcke zu verkaufen, damit du deine Kohle bekommst, und du behauptest, dass mich das nichts angeht?" Er packte mein Handgelenk und drückte mich gegen die Wand hinter mir.
„So ist es. Und wenn du jetzt nicht deinen Mund hältst, sorge ich dafür. Und das willst du nicht." Abrupt ließ er mich los und wandte sich erneut an Damian. „Halt die Stellung. Ich kümmere mich jetzt darum."
Er gab mir mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass ich ihm folgen sollte. Damian lief derweil in die andere Richtung. Wenigstens das Arschloch war ich erst einmal los. „Bis zum Ende des Flurs und dann die Treppe rauf.", befahl er und wartete, dass ich vorauslief. Da ich, jetzt eh nichts dagegen tun konnte, folgte ich seinen Anweisungen. Oben am Treppenabsatz angekommen, gab es eine weitere Tür. Als ich sie öffnen wollte, war sie jedoch verschlossen.
„Die Tür ist zu." Wortlos ging er an mir vorbei, zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete die Tür. Ich hatte schon mit einer Folterkammer oder ähnlichem gerechnet. Jedoch war es einfach nur ein Büro. Sein Büro.
„Da drüben ist Wasser. Und da ist dein Bett für heute Nacht.", deutete er auf eine Ledercouch hinter mir. „Das meinst du nicht ernst. Ich soll in deinem Büro schlafen?"
„Es reicht!, brüllte er. Höre ich jetzt noch ein Wort von dir, kann sich Damian um dich kümmern. Dagegen ist das hier Luxus." Dann lief er aus dem Büro und schloss die Tür hinter sich ab.
„So ein Arschloch", fluchte ich vor mich hin. Eingesperrt im Büro eines Stripclubs. Ich hatte soeben meinen absoluten Tiefpunkt erreicht. Ich sah mich in dem schummrig beleuchteten Raum um. Viel gab es hier nicht zu sehen. Der Schreibtisch gab auch nicht viel her. Ich beschloss also kurzerhand, etwas Energie zu tanken, bis er wieder hier auftaucht und seine Spielchen weitertreibt.
Ich legte mich auf die Couch und das kalte Leder drückte sich an meine Haut. Hier oben hörte man nichts von dem Geschehen unten. Um Hilfe rufen würde mir also auch nichts bringen. Ich schloss meine Augen und schneller als vermutet, schlief ich ein. Es war wieder eine dieser Nächte, in denen ich schlecht träumte. Es waren immer andere Träume, die mich immer zurück in meine Kindheit beförderten. Tage, an denen meine Mutter mal wieder komplett zugedröhnt mit einem Freier nach Hause kam. Sobald einer von ihnen feststellte, dass sie ein Kind hatte, lief es immer gleich ab. Entweder hauten sie ab und meine Mutter verprügelte mich, weil ihr nun Nachschub entging. Oder diese Typen wurden selbst handgreiflich. Sie hat immer nur daneben gestanden und zugesehen. Meine größte Angst im Leben war es, wie sie zu enden.
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Eyes on you - Ich sehe dich
RomanceSavannah Campbell ist Medizinstudentin in Chicago. Für ihr Studium hat sie ihre Heimat New York verlassen. Während einer Charity-Veranstaltung arbeitet sie als freiwillige Helferin und wird Zeugin einer Schießerei. Ihre Aussage bei der Polizei führt...