3 | New York, New York

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Mittlerweile waren ein paar Tage seit meiner Flucht aus Chicago vergangen. Die letzten Tage blieb es ruhig. Meine Nächte verbrachte ich in einem mittelklassigen Motel. Länger als nötig will ich hier nicht bleiben. Deshalb habe ich heute auch eine Wohnungsbesichtigung. Durch meine Ersparnisse komme ich die nächsten Monate über die Runden. Ein Job muss dennoch her. Und ich hoffe, dass mir mein Ausweis keine Probleme macht.

Die Wohnung liegt in Harlem. Nicht die beste Gegend, doch ohne anständigen Job erstmal eine bessere Lösung als dieses runtergekommene Motel. In dem ich jede Nacht zuhören muss, wie Nutten das letzte bisschen Würde genommen wird. Als ich durch das Viertel lief, war viel los auf den Straßen. Also eigentlich wie immer. Hier lebt die Kriminalität und man muss sich genau überlegen, mit wem man sich einlässt. Die Wohnung ist in einem Haus am Ende der Straße. Von außen sah zumindest schon mal ganz gut aus. Das war in solchen Vierteln keine Selbstverständlichkeit. Wenn die Wohnung einen ebenso guten Zustand aufweist, kann ich mich glücklich schätzen.

„Sind Sie für die Besichtigung hier?", sprach jemand hinter. Ich drehte mich um und vor mir stand ein gepflegter Mann Mitte vierzig. „Äh, ja. Sky Rivers mein Name. Wir haben dann vermutlich telefoniert?" Er musterte mich kurz und streckte mir seine Hand entgegen. "Richtig. Jack Harper. Jack reicht aber vollkommen." Ich schüttelte seine Hand. "Sky. Freut mich." Jack ging an mir vorbei und öffnete das Tor zum kleinen Vorgarten. Naja, es war eher ein Fleckchen Wiese als ein Garten. "Komm, ich zeige dir die Wohnung. Sie liegt im ersten Stock." Ich hatte schon jetzt das Gefühl, dass das ein Glücksgriff sein könnte, und folgte Jack ins Haus. Auch in den Fluren sah alles ordentlich aus. Keine zerstörten Briefkästen oder Türen. Mit so etwas hatte ich viel eher gerechnet. „Die Wohnung ist nicht besonders groß, aber wenn man sie allein bezieht, reicht sie vollkommen aus.", sagte er und schloss die Tür auf. Wir betraten einen kleinen, dennoch hellen Flur, von dem eine Tür zum Bad abging. Und wenn man weiter reinlief, stand man in einer Wohnküche. ,,Wow. In dieser Gegend hatte ich wirklich nicht mit so einer schönen Wohnung gerechnet."

Offensichtlich erfreut über meine Worte schenkte er mir ein Lächeln. "Da drüben ist noch das Schlafzimmer. Und einen kleinen Vorratsschrank gibt es auch, inklusive Waschmaschine und Trockner. Wie gesagt, für eine Person ist die Größe perfekt." Ich lief rüber in den zweiten Raum, der mit zwei großen Fenstern lichtdurchflutet war und sogar einen Wandschrank besaß. ich bin total aus dem Häuschen, doch darf es mir nicht anmerken lassen. ,,Die Wohnung ist toll. Was soll sie kosten?" Er dachte kurz nach. ,,1300 $ pro Monat." Das war natürlich nicht wenig, aber so hatte ich meine eigenen vier Wände und ich konnte die Miete mit meinem Ersparten begleichen, bis ich einen Job gefunden hatte. ,,Dann würde ich sie gern nehmen, wenn du damit einverstanden bist, Jack. Ich kann die Miete für den ersten Monat auch noch heute zahlen. ,,Ich habe nur noch eine Frage. Du sagtest am Telefon, dass du aus Chicago hergezogen bist. Hast du bereits einen Job hier gefunden?" Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass diese Frage nicht aufkommt, wenn ich anbiete, noch heute die erste Miete zu zahlen. ,,Nein, ich bin erst seit ein paar Tagen zurück in New York. Ich habe aber ausreichend Ersparnisse, die ich nutze, bis ich etwas gefunden habe."

„Verstehe. Hör zu.", pausierte er kurz. Du scheinst nett zu sein und ich weiß nur zu gut, wie hart die Jobsuche in NYC sein kann. Ich vermiete die Wohnung an dich. Die Miete zahlst du immer zum ersten des Monats. Die Schlüssel kannst du jetzt schon haben. Ich kann dir allerdings auch bei einem Job helfen." So viel Glück konnte ein Mensch nicht haben. Eine bezahlbare Wohnung und einen Job innerhalb von Minuten in New York? Das ist wie ein Lottogewinn. „Jetzt hast du mein Interesse geweckt. Ich bin ganz Ohr."

„Mir gehört das Jack's. Eine Bar, nur ein paar Blocks von hier entfernt. Ich musste mich von einer meiner Kellnerinnen trennen und suche dringend Ersatz.", schlug er mir vor. ,,Ich weiß, es kommt plötzlich. Aber vielleicht ist es ja was für dich." Tatsächlich kommt das wie gerufen, zumal ich ja schon Erfahrung in der Gastronomie habe. „Das ist Wahnsinn. Ich hatte ein paar Nebenjobs in Restaurants und Bars als ich noch etwas jünger war." Er legte zwei Finger an sein Kinn und nickte mir zu. „Du solltest allerdings wissen, dort sind nicht immer die anständigsten Typen zu Gast. Kommst du damit klar? Wenn ja, dann komm in zwei Stunden in die Bar zu deiner ersten Schicht. Mal sehen, wie du dich schlägst." Ich grinste ihm freudig zu. „Wow, ich danke dir, Jack. Ich werde da sein. Und keine Sorge, mit denen komme ich schon klar. Bin schließlich ein waschechtes New Yorker Mädel." Er drückte mir noch die Schlüssel in die Hand, als wir uns daraufhin für den Moment verabschiedeten. Ich musste mich beeilen, wenn ich pünktlich sein wollte. Ich muss mich unbedingt umziehen. In solchen Bars lebt man vom Trinkgeld. Je knapper die Outfits, desto mehr lassen die meisten da. Und andere nehmen es wiederum zum Anlass, übergriffig zu werden. Ich hatte mir so etwas noch nie gefallen lassen. Also würde ich damit auch jetzt nicht anfangen. Ich konnte diesen Job wirklich gut gebrauchen. Selbst wenn es nur für den Übergang war, bis ich was Besseres finden würde. Dieser Job zahlt meine Miete und alles andere. So muss ich nicht an mein Erspartes und kann bald meine eingelagerten Möbel kommen lassen.

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