𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 11

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Wochen waren vergangen und Dag hatte keinerlei Auskunft über Élaine bisher erhalten.

Er hatte vor Tagen im Verlag angerufen und gesagt bekommen, dass die Telefonnummer der Autorin nicht mehr aktuell gewesen sei, aber man ihr eine E-Mail geschickt hätte.

Inzwischen müsste sie diese doch bestimmt gelesen haben. Eine Antwort erreichte ihn jedoch nicht. Es lag dessen ungeachtet auch im Bereich des Möglichen, das sie diese gar nicht bis zum jetzigen Zeitpunkt wahrgenommen hatte.

Eventuell war auch die E-Mail-Adresse nicht mehr aktuell, oder die Nachricht war im Spam-Ordner gelandet.

So oder so ... er hatte keine Auskunft über ihren Aufenthalt bekommen.

Élaine blieb verschwunden.

Wie die letzten fünfzehn Jahre.

Fünfzehn.

War das tatsächlich schon so lange her?

Irgendwie verging die Zeit wie im Fluge.

Dag kam aus der Dusche mit einem Handtuch um den Hüften und steuerte sein Schlafzimmer an. Er öffnete den Schrank und holte eine Boxershorts heraus.

Sein Blick fiel beim Umdrehen auf das Buch, welches er mittlerweile einfach so auf einem Schränkchen abgelegt hatte.

Nochmal reingeschaut hatte er nicht, doch irgendwie juckte es ihn in der Zwischenzeit in den Fingern. Unter Umständen stand ja irgendwo genaueres, weshalb sie gegangen war, und er bräuchte somit auch kein persönliches Gespräch mit ihr.

Er könnte alles mit einem Male abhaken.

Dag griff nach dem Buch, ging anschließend in die Küche, holte sich ein Bierchen heraus und begab sich auf den Balkon. Dort schlug er random irgendeine Seite der ersten Kapitel auf.


Samuel hatte die Trennung selbstverständlich nicht gut aufgenommen. Dennoch hatte ich zugesagt, als er mich am nächsten Tage zu sich bestellte, um nochmal zu reden.

Eigentlich wollte ich auch so hin, weil ich nicht auf einen Streit aus war.

Wir kannten uns schließlich schon Ewigkeiten.

Margeaux, die Frau, die im Dienste seiner Eltern stand, machte mir an diesem Tage die Türe auf und ließ mich eintreten. Samuel hatte sein gesondertes kleines Häuschen auf dem Grundstück seiner Familie. Somit bekam ich auch direkt Einlass zu dem großen Garten, vorbei an dem Swimmingpool, in dem ich schon selbst etliche Bahnen geschwommen war, hin zu seinen eigenen vier Wänden.

Ich betätigte die Klingel und er machte mir auch sofort binnen Sekunden den Eingang auf. »Elea, komm doch rein.« , sprach er.

Ich nickte, lächelte und betrat sein Heim. Samuel war freundlich. Das empfand ich als gutes Zeichen.

Im Flur blieben wir stehen und ich sprach es auch auf Anhieb ab. »Ich möchte keinen Streit mit dir. Wirklich nicht. Die ... meine Gefühle für dich sind halt nicht ...« , startete ich irgendwie genauso, wie der Tag davor, als ich beendet hatte, aber er fiel mir ins Wort.

»Warum?« , fragte er.

»Ich ... keine Ahnung.«

»Hast du einen anderen?«

»Nein.« Ein wenig war ich entsetzt über so eine Frage. Was hielt er denn von mir?

»Weißt du, wieso du so denkst, dass deine Gefühle weg sind?!«

»Nein.« Meine Augenbrauen zogen sich zusammen und ich war gespannt, welche Behauptung er darbringen wollte.

»Weil du prüde bist. Du führst eine Kindergartenbeziehung und beschwerst dich dann, wenn du nichts mehr spürst. Aber weißt du was? Das ist normal, wenn du dich wie ein Kind verhältst.«

»Wie bitte?«

»Zu einer Beziehung gehört Sex. Aber ich darf dir ja nicht einmal in dein Höschen fassen.«

»Weil ich ... weil ich ...« Warum wollte ich mich rechtfertigen? Es war mein Körper. Ich alleine hatte zu entscheiden, wann ich bereit dazu sein würde.

Samuel sah das jedoch anders und packte mich plötzlich und unerwartet mit einer brachialen Art. Unter Zwang zerrte er mich in sein Schlafzimmer und schubste mich auf sein Bett. Ich war vollkommen unvorbereitet, weil ich niemals mit sowas gerechnet hatte, auch wenn er immer zudringlicher geworden war während unserer Beziehung, war dies etwas, was ich nie von ihm gedacht hätte. Dennoch fand ich die Kraft und trat nach ihm. Was ihm keineswegs gefiel.

Samuel zog mich an den Beinen näher und drückte diese dann in die Matratze. Ich schrie auf vor Schmerz.

»Dir wird's gefallen. Vertrau mir. Und danach wirst du auch eine andere Ansicht haben, weil du das wieder und wieder haben willst.«

Ihm vertrauen?

Mir war da schon klar, dass ich ihm keineswegs mehr trauen würde, bei dem, was er da gerade versuchte.


Dag senkte das Buch.

Er wusste, dass ihr damals nichts geschehen war. Élaine hatte Sebastian zu jener Zeit ihr Knie in den Intimbereich gerammt und war weggerannt.

Was ihr in der Vergangenheit widerfahren war, hatte sie Dag erst zu einem viel späteren Zeitpunkt erzählt.

Er überflog kurz die letzten Zeilen und sah, dass sie da die wahren Ereignisse dokumentiert hatte. Nichts Ausgedachtes oder so.

Es war eins zu eins das, was sie ihm damals berichtet hatte.

Sebastian war ein Arschloch gewesen. Dag hatte schon bevor er mit Élaine zusammengekommen war, eine Abneigung gegen ihn entwickelt.

Dieses Ich-bin-etwas-Besseres-Verhalten.

Einfach nur widerlich.

Als Élaine verschwunden war, hatte er dennoch auch einen Abstecher bei ihm gemacht. Doch der Idiot hatte null Ahnung.

Dag fragte sich, ob er eventuell in der Zwischenzeit Kontakt zu ihr gehabt hatte.

Er runzelte die Stirn.

Sollte er ihn trotzdem nochmal aufsuchen?

Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt