𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 31

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»Ich hab vergessen, das du kommen wolltest.« , sagte Dain und ließ mich eintreten. Zögerlich tappte ich Schritt für Schritt. Ich wusste nicht, ob ich die Schuhe ausziehen sollte oder nicht. Bei uns durfte man zum Beispiel keineswegs mit Straßenschuhen das Haus betreten, doch da er nichts sagte, ging ich mal davon aus, das es für seine Eltern kein Problem war.

Im Wohnraum blieb ich stehen und sah mich um. Es war klein und ... auch nicht aufgeräumt. Nicht so, dass es dreckig wäre, es war einfach unordentlich. Die Küche war nicht abgegrenzt und bestand im Übrigen nicht aus einer vollkommenen Einrichtung. Ein kleiner Kühlschrank stand auf dem Boden. Ein Herd mit zwei Herdplatten darauf und eine kleinformatige Spüle. »Ehm ... wohin?« , fragte ich.

Dain zeigte auf die Couch. Im Schneckentempo bewegte ich mich fort und nahm Platz. Ich war tatsächlich sehr unsicher.

»Dir ist klar, das deine Anwesenheit mich nicht ändern wird.« , sagte er und setzte sich mit Abstand neben mich, während er nach einer Zigarette griff und diese anzündete. Ich mochte keine Raucher, aber ... irgendwie fand ich, sein äußeres Erscheinungsbild hatte etwas, mit dem Glimmstängel zwischen den Lippen.

»Ehm ... ja, ich will dich auch nicht ändern.« , gab ich leise von mir. »Ich soll dir nur behilflich sein, ...«

»Ein Schaf der Herde zu werden.« , beendete er meinen begonnenen Satz und sah dem Rauch nach, den er aus seinem Mund abließ.

»Nein. Du ... du ... du ... du kannst bleiben, wer du bist. Es geht um dein Verhalten, während des ...«

»Mä-äh.« , gab er von sich, als er ein Schaf imitierte.

»Das ist ...«

»Mä-äh.«

»Dain.« Ich sah ihn empört an, als er mich plötzlich in die Taille zwickte.

»Komm mal mehr aus dir raus.« , meinte er und stand auf.

»Ich bin ...«

»Blök' mal.« , forderte er mich auf und setzte sich in den Schneidersitz auf den Boden.

»Ich blöke nicht.«

»Wieso?« Er grinste mich an.

»Weil ... weil das kindisch ist.«

»Und?« Sein Grinsen blieb und mir fiel auf, wie süß es aussah.

»Ich ... ich bin kein Kind mehr.«

»Dann hol es zurück. Erwachsenwerden ist kein Muss.«


Dag schnaufte kurz auf. Er hatte tatsächlich vor ihrer Ankunft einen zu viel gequarzt und das komplette Treffen über nur Nonsense von sich gegeben. Obwohl ... nicht die ganze Zeit. Das mit dem Erwachsenwerden hatte ihr faktisch geholfen, auch wenn er das erst später erfahren hatte. Élaine hatte sich dies in der Tat zu Herzen genommen. Und er hatte sie zu einem kurzen leisen Mäh gebracht. Keines aus vollster Überzeugung, aber das war ja egal gewesen.

Er überflog den Rest des Kapitels, wo sie erstaunt darüber gewesen war, das er alleine hauste, es im Kontrast dazu dennoch ohne ihn zu löchern hingenommen hatte. Ihre Hilfe wollte er dessen ungeachtet nicht annehmen und war kein bisschen auf die schulische Komponente eingegangen.

Es überraschte ihn deshalb nicht, am Ende zu lesen, wie sie sich damals Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie ihm dennoch helfen konnte.

Kurz dachte er an Jona, die ihm momentan half. Aber das war ja etwas vollkommen anderes. Er bezahlte sie ja dafür.

Schnell blätterte er aufgrund dessen weiter.


»Du hast was?« Meine Mutter sah mich entsetzt an, als hätte ich eine Straftat begangen.

Soeben hatte sie erfahren, dass die Beziehung zwischen mir und Samuel beendet war. Natürlich hatte ich ihr dies nicht freiwillig erzählt. Mein Ex war nun der zweite Tag in Folge bei uns zu Hause gewesen und wollte nochmal mit mir reden. Beide Male hatte ich ihn fortgeschickt, insbesondere nachdem was geschehen war.

»Es ist vorbei.« , gab ich kurz und knapp als Antwort an.

»Nein.« Sie schüttelte vehement den Kopf.

»Ich möchte nicht mehr mit ihm ...«

»Du weißt doch gar nicht, was du willst.«

»Doch. Allerdings weiß ich das.«

»Nein.«

»Was nein?« , fragte ich, nachdem sie einfach aus dem Raum ging, als wäre damit die Unterhaltung zu Ende gewesen.

Als hätte ich ihr einen böswilligen Ausdruck hinterhergerufen, drehte sie sich im Nullkommanichts um. »Wie war das bitte?«

»Ich fragte, was n- ...«

»Ich habe Nein gesagt. Und dein Vater wird das genauso sehen. Du kannst doch nicht einfach deine Zukunft wegwerfen.«

»Wo werfe ich meine Zukunft weg, wenn ich eine Beziehung beende?«

»Das ist nicht irgendeine Beziehung Elea. Wie willst du denn enden? Vollkommen alleine?«

»Weil ich außer ihn keinen bekomme, oder was soll das bedeuten?«

»Er hat dich zumindest ausgehalten.«

Wow. Das hatte gesessen. Ich merkte regelrecht, wie ich schrumpfte. »Ja, dann ...«

Wieder dieser empörte Blick. »Was ist nur los mit dir? Nimmst du Drogen?«

»Nein. Und du machst gerade so, als wäre es ein Weltuntergang. Ich liebe ihn nicht.«

»Und? Muss man jemanden lieben?«

»Also ... ja.« Was war das nur für eine Frage?

»Du handelst mehr als egoistisch Elea. Denkst du mal an deine Familie?«

Ich sah sie tatsächlich mehr als verstört an. »Ich liebe ihn nicht.« , wiederholte ich, um meinen Standpunkt abermals klar machen zu wollen, doch ich stieß auf Granit.

Wie gehabt schüttelte sie ihren Kopf. »Komm' endlich zur Vernunft.« , sprach sie. »Wir laden ihn und seine Eltern heute zu uns ein. Du wirst dich entschuldigen, und ...«

»Ich soll mich entschuldigen?«

»Natürlich wirst du dich entschuldigen.« Und mit diesen Worten ging sie dieses Mal, ohne auf mein weiteres Dementi einzugehen.

Es war egal, was ich wollte.

Ich hatte kein Mitspracherecht.

Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt