𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 8

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»Also?«

»Das ist ...« Vincent sah sich das Buch von allen Seiten an, indem er es geschlossen hatte, nachdem er wie Dag selbst, das erste und letzte Kapitel gelesen hatte. »... als hätte jemand Élaines Tagebuch veröffentlicht.«

»Jemand?« Dag schüttelte den Kopf. »Johanna Wild ist ein Pseudonym. Ich glaube, das ist Élaine.«

»Aber ... warum sollte sie ein Buch über euch veröffentlichen?«

»Ich weiß es nicht. Aber ... hast du gelesen? Irgendwas war los. Sie wollte nicht weg von mir.«

»Kann auch erfunden sein, damit ihre Figur im Buch, nicht als die Böse rüberkommt.« , meinte er. »Gibt es keinen zweiten Band?«

»Nein. Hab schon gegoogelt. Das ist das einzige Buch, welches sie rausgebracht hat. Also zumindest unter den Namen.«

»Und jetzt?« Vincent linste zu seiner Verlobten, die gerade den Tisch deckte. Ihr kupferblondes Haar hatte sie unordentlich zu einem Messy-Bun gebunden und er müsste lächeln, als sie flüchtig zu ihm schaute.

»Ich muss sie finden?« , beantwortete Dag zwischenzeitlich seine Frage.

»Was?« Verwirrt betrachtete er nun seinen besten Freund, der mit ihm auf der Couch saß.

»Ich muss sie finden Vinne.« , sprach er. »Ich will endlich eine Antwort.«

»Wieso?«

»Weil ... na ... weil ich es wissen will.«

»Es ändert aber doch nichts.«

»Aber sie wollte nicht gehen.«

»Sie ist aber gegangen. Und ... Élaine war alt genug, falls du jetzt wieder mit der Theorie ankommst, ihre Eltern könnten dahinterstecken. Sie hätte jederzeit nein sagen und bei dir bleiben können.«

»Vielleicht konnte sie nicht. Vielleicht wurde sie ...«

»Dag, ich weiß, wie sehr dich das damals alles mitgenommen hat. Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast. Aber ... sie wurde nicht in einem Keller gefangen gehalten.« Er wedelte mit dem Taschenbuch herum. »Sie hat ja schließlich, wie es scheint auch Zeit gehabt, ein Buch zu schreiben.«

»Ich will nur eine Erklärung.« , meinte er leise.

»Ich weiß.« Er klopfte kurz auf Dags Schulter. »Aber egal, was da rauskommt, es wird nichts ändern. Élaine ist gegangen.«

Dag wusste, dass Vincent dies keineswegs kalt meinte. Er wollte ihn vor einem weiteren Schmerz bewahren, denn was er vorhin gesagt hatte, stimmte.

Die Trennung von ihr hatte ihn damals richtig mitgenommen.

Aber ... Dag war ja gar nicht darauf aus, irgendwas mit Élaine hinzubiegen. Vincent hatte Recht. Es war Jahre her. Er war ... darüber hinweg.

Alldem ungeachtet ... hatte er nicht eine Antwort verdient?

Sie hatte schließlich ein Buch herausgebracht.

»Veit Fels.« , sprach Vincent unerwartet weiter. »Was Besseres ist ihr nicht eingefallen? Ich höre mich an, wie ein Produkt.« Er räusperte sich. »Kaufen Sie noch heute den neuen Veit Fels. Fünfundzwanzig Prozent, wenn Sie noch heute zuschlagen.«

Dag lachte. »Sie hat bei jedem den ersten Buchstaben des Vornamens gewählt, wie es scheint. V hat wohl nicht viel Auswahl dargebracht.«

»Isst du mit uns Dag?« , fragte Nita.

»Nee. Ich wollt' euch auch eigentlich nicht stören.« Er stand auf.

»Du kannst ruhig bleiben. Nita kocht immer für eine komplette Fußballmannschaft, wie du ja weißt.«

»Ja, ich weiß. Aber ... ihr habt ja auch noch einiges vor. Wollt' nur deine Meinung dazu hören.« Er nahm das Buch wieder an sich.

»Du kennst meine Meinung.«

»Ja. Ich meinte, aber ... ob ich mir das nicht nur einbilde. Ob es ... tatsächlich ... von mir handelt.«

Vincent nickte. »Scheint so.«

»Okay.«

»Dag, was hast du denn jetzt genau vor?«

Er betrachtete nochmal das Buch, eh er sprach. »Ich will nur eine Antwort. Ich will nur wissen, wieso sie das damals mit uns zerstört hat.«

Vincent analysierte ihn kurz, eh er seinen besten Freund bis zur Türe geleitete und leiser weitersprach. »Verrenne dich nur nicht in etwas. Wenn du Hilfe benötigst, bin ich da. Das weißt du. Aber du solltest da jetzt nicht ...«

»Ich will sie nicht wiederhaben, Vinne.« , meinte er. »Ich will nur wissen, wieso sie zu feige war mir zu sagen, was genau los war, wenn es tatsächlich nicht ihre Eltern waren.«

»Aber du weißt auch, dass es nichts ändern wird. Du lebst im Hier und Jetzt.«

Dag nickte. »Ich weiß. Das ist mir klar, aber ... sie war kein ... One-Night-Stand. Sie war die Einzige, wo ...«

»Ich weiß. Und deswegen finde ich deine Idee, sie zu suchen, nicht gut.« Vincent sah ihn feinfühlig an. »Sie hat dir damals das Herz gebrochen und ... ich hab' eher Panik, das du dir, damit die Vergangenheit zu sehr ins Jetzt holen wirst.«

»Du rätst mir davon ab?«

»Du wirst eh machen, was du für richtig hältst. Egal, was ich sagen werde. Ich ... ich sag dir nur, wie ich es halt ... finde.«

»Vielleicht brauche ich einen Abschluss.« Dag lehnte sich an die Wand. »Als ich das gelesen hab', habe ich ... das hat in mir ...«

»Ich kann's mir denken.« , unterbrach Vincent ihn. »Und möglicherweise hast du ja auch Recht. Vielleicht fehlt dir ein richtiger Abschluss, aber ... ich bezweifle, dass sie ihn dir geben wird.«

»Wenn ich die Wahrheit weiß, dann ...«

»Dann könnte dich das eventuell mehr aufwühlen. Du solltest vielleicht lieber einen Ansatz daran finden, dass sie dir wehgetan hat, und du deswegen nach ihr keine mehr nahe an dich rangelassen hast.«

»Das stimmt n-...«

»Doch das stimmt Dag. Genau das ist der Grund, weshalb du dich danach für jede verschlossen hast.«

Er stellte sich wieder gerade hin. »Vielleicht.« , meinte er zu der Behauptung seines besten Freundes. »Vielleicht wollte ich das nicht noch einmal fühlen. Aber ... eventuell wäre deswegen die Wahrheit gut für mich. So könnte ich verstehen, was in ihren Augen falsch gelaufen ist.«

Vincent blickte kurz auf den Boden, ehe er seine Hand auf dessen Schulter legte. »Halt mich auf den Laufenden, okay?!«

Dag nickte und verschwand.

Vincent schlappte zurück in den Wohnbereich. »Ich hab' ein ungutes Gefühl.« , gab er bekannt und setzte sich an den Tisch.

»Dag wird schon nichts ...«

»Nein, du weißt nicht, wie sehr er in sie verschossen war. Die erste große Liebe. Ich weiß nicht, ob es gut sein wird, wenn er sie findet.«

»Aber vielleicht würde eine Antwort ihm guttun.« , meinte Nita, die sich ebenfalls hingesetzt hatte. »Wenn sie wirklich der Grund ist, weshalb er sich seitdem nur auf lockere Dinge eingelassen hat, würde es ihm möglicherweise sogar helfen.«

Vincent blieb daraufhin stumm. Stattdessen ging in seinem Kopf all die Wut und Trauer hervor, die Dag in der Zeit danach durchgemacht hatte, und wo er ihm unterstützend beiseitestand.

Um ehrlich zu sein, hatte er keine Lust, seinen besten Freund erneut dieses Gefühlschaos erleiden zu lassen.

Aber wie er Dag kannte, war er bereits dabei alles aufs Neue mitzumachen.

Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt