𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 19

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»Quatsch.« , meinte Vincent und schüttelte den Kopf, eh er sich neben Dag auf die Couch setzte, als dieser bei ihm zu Hause war. »So etwas hätte Élaine nicht getan.«

»Aber was soll es sonst bedeuten?«

»Vielleicht hat sie es einfach nur so eingebaut.« , sprach er. »Es ist ein Buch, Dag. Nicht alles darin wird real sein.«

»Und wenn doch? Wenn sie dachte, ich bin dem nicht gewachsen?«

Vincents Kopfschütteln blieb. »Ich bezweifle, das sie schwanger war.«

Dag hatte seine Vermutung seinem besten Freund direkt mitgeteilt. Für ihn war es irgendwie klar. Élaine muss in anderen Umständen gewesen sein und war deshalb gegangen. Auf die eine oder andere Weise machte es in seinem Kopf Sinn, weil sie doch nicht wollte, dass er irgendwelche Sorgen haben sollte.

Dag erinnerte sich noch genau, das sie mal davon gesprochen hatte früh Mutter werden zu wollen und er daraufhin geantwortet hatte, dass er erst einmal sein Leben in den Griff bekommen wollte und ein Dasein ohne ... Verpflichtungen.

War es da nicht logisch, dass sie schwanger gewesen war zu dem Zeitpunkt der Trennung und ihn nicht mit so etwas belasten wollte?

»Und wenn doch? Wenn ... Jona da in Baltimore einen kleinen Mini Dag findet? Wie soll ich damit umgehen?«

»Beruhig' dich erst einmal. Élaine wäre dann nicht einfach so gegangen. Sie hätte dir das nicht verschwiegen.«

»Und was soll es sonst sein?«

»Vielleicht gar nichts. Möglicherweise war sie gar nicht bei einem Arzt und es wurde einfach nur so eingebaut.«

»Und wenn nicht.«

»Dag, mach die Pferde nicht scheu.« , sagte er. »Und wenn dem so ist, bist du nicht der Böse in diesem Spiel. Das ... das Kind kann dir nicht die Schuld für deine Abwesenheit geben.«

»Aber jetzt mal ehrlich. Es sind fünfzehn Jahre her Vinne. Wenn's so war, dann ... ich bin ein Fremder.« Er wurde leiser, als er sprach. »Ich bin für mein eigenes Kind ein ... völlig Fremder.«

»Zeig mir mal das Kapitel.« , forderte Vincent ihn auf und hielt die Hand schon ausgestreckt hin.

»Hab' das Buch nicht mit. Und ... hab's auch nicht gelesen.«

»Also weißt du es nur von Katharina?«

»Ja.« , brummte er.

»Vielleicht verwechselt sie das auch mit einem anderen Buch.«

»Und wenn aber ...«

»Dag, warte erst einmal ab, was Julia Leischik da herausbekommt.«

»Jona Naumeier.« , korrigierte er ihn.

»Ist dasselbe.« , meinte er.

»Nein. Sie ist ja ... eine ...«

»Diese Leischik hat auch vermisste Menschen gesucht. Ist also dasselbe.«

Dag nahm es im Augenblick einfach mal so hin und lehnte sich mehr zurück. »Ich hoffe, sie findet Élaine. Ich war teilweise echt hin und her am Spekulieren, ob es wirklich eine gute Entscheidung von mir war, aber ... ich will jetzt konkret wissen, was los ist. Ich meine ... war. Was ... los war.«

»Ich glaube trotzdem nicht daran. Ja, du kanntest sie natürlich besser als ich, aber so etwas hätte sie dir nicht verschwiegen.«

»Es war doch alles in Ordnung.« , gab er irgendwie so von sich, als würde er mit sich selbst reden.

»Dag, das Gespräch haben wir damals schon geführt. Du hast dir andauernd Gedanken gemacht, was falsch abgelaufen ist. Ich weiß deswegen ehrlich gesagt nicht, ob es dir helfen wird, die Wahrheit zu erfahren. Ich bin da echt zwiegespalten. Einerseits finde ich, du benötigst möglicherweise eine Antwort, auch wenn es schon ewig her ist, aber andererseits ... weiß ich nicht, ob es ... gut wäre alles wieder ... hervorzuholen.«

»Vielleicht sollte ich das Buch ja finden. So etwas wie ... Schicksal.« , spekulierte Dag.

»Damit du sie suchst?«

Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?!«

»Ich weiß nicht.«

»Sie war meine erste Liebe Vincent. Die Einzige.«

»Das weiß ich doch.«

»Vielleicht ... ich weiß nicht, ich bin sauer, weil sie mich einfach verlassen hat, aber ... irgendwie würde ich auch gerne wissen, ob es ihr gut geht.«

»Also hoffst du trotzdem auf ...«

»Nein.« , unterbrach er ihn. »Ich will so etwas nicht mehr. Aber ... sie war mir wichtig gewesen.«

»Weißt du, was mich stört? Dass du wegen ihr den Glauben verloren hast, mit einer Frau glücklich sein zu können.«

»Vor ihr hatte ich mich auch nie auf etwas Ernstes eingelassen. Möglicherweise bin ich ja der Fehler im System.«

Vincent schüttelte den Kopf. »Du warst mit Herz und Blut dabei. Du kannst das, aber sie hat dich gebrochen.«

»Nein. Ich ... vielleicht ist sie deswegen gegangen. Für mich war nur noch die Musik im Vordergrund, und ... ich hab' sie vernachlässigt. Ich bin dafür nicht gemacht, und ...«

»Soll ich dir etwas sagen Dag? Aber ... fass es nicht böse auf.«

Der Lockenkopf nickte. »Hau raus.«

»Du willst das. Du sehnst dich danach. Du willst es dir nur noch nicht eingestehen.«

»Quatsch.«

»Doch. Und weißt du auch, woher ich es weiß.«

»Weil ich Élaine geliebt habe?!« , gab er ein wenig eingeschnappt von sich.

»Jein. Du suchst nicht Élaine. Und auch keine Antwort.«

»Natürlich.«

»Eventuell minimal. Aber was du wirklich suchst, ist das Gefühl, welches du verloren hast, nachdem sie gegangen ist.«

»Wer bist du jetzt? Mein Therapeut?« Dag stand auf.

»Ich habe gesagt, du sollst es nicht böse auffassen.«

»Mache ich auch nicht.«

»Ja. Ich merk's.« , sagte Vincent und rollte mit den Augen. »Das sollte kein Angriff sein, aber ...«

»Ich weiß. Aber du liegst falsch. Ich brauche so etwas nicht.« Er stiefelte zur Türe. »Und das meine ich auch so.«

»Wohin?« Vincent stellte sich nun ebenfalls auf die Beine.

»Keine Ahnung. Mich abreagieren.«

»Ich hab das so nicht ...«

»Ja, aber projiziere deinen Kack doch nicht auf mich. Wenn du dich so wohlfühlst, dann gut. Aber ich will das nicht. Ich benötige es nicht. Ich kann gern darauf verzichten.«

»Okay. Es tut mir leid.« Vincent nahm es so hin. Er wusste, dass Dag in Wirklichkeit nicht sauer auf ihn war. Er war missvergnügt, weil er einen wunden Punkt berührt hatte.

Mehr nicht.

Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt