𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 25

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Jona sah auf ihr Handy.

Gestern hatte Dag eine Andeutung gemacht, dass er sich gerne irgendwann erkenntlich zeigen würde. Sie war nicht darauf eingegangen. Er bezahlte sie schließlich. Aber ... wieso so eine Aussage?

Wollte er sich ... privat mit ihr treffen?

Und wie blöd käme es jetzt rüber, wenn sie Stunden später darauf eine Rückmeldung geben würde?

Im Übrigen ... welche?

Was wollte sie antworten?

Jona hatte gar keine Antwort parat.

Dennoch ... ihr Blick war weiterhin auf ihr Handy gerichtet.

»Mein Gott Mädchen.« , sagte sie zu sich selbst und stand von ihrem Big-Sofa auf. »Er ist nicht interessiert. Das ist reine Höflichkeit. Bilde dir doch nichts ein.«

Sie schlurfte in ihre Küche, öffnete ihren Kühlschrank und holte sich eine Weinflasche hervor. Kurzerhand schüttete sie sich auch etwas ein und nahm mit dem vollen Glas wieder ihren vorher warmgesessenen Platz ein.

Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte den Auftrag erst gar nicht angenommen. Ihn schön brav an Thomas weitergeleitet.

Er hatte allerdings diesen gewissen Charme an sich und ... diese Stimme. Als sie sich in ihrer Mittagspause getroffen hatten, hätte sie ihm stundenlang lauschen können. Jona nahm einen kräftigen Schluck. Thomas hatte Recht. Sie musste das abhaken. Dag war auf der Suche nach seiner Ex-Freundin.

Seine Ex.

Auch wenn es vorbei war, war es für ihn anscheinend nicht vorbei, da er sie suchte.

Es war ja mit Sicherheit nicht so, dass sie einen altes Disc-Man von ihm noch in Besitz hatte, den er nun zurückhaben wollte.

So eine Suche nach all den Jahren musste etwas Wichtiges sein.

Jona dachte nach. Es gab in ihrer Vergangenheit keinen Ex, den sie gerne wiedersehen wollte. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass sie nie gerade schöne Trennungen hatte.

Eher Schlammschlachten. Mit viel Tränen und Geschrei.

Von anderen hatte sie erfahren, wie verliebt beide ineinander gewesen waren. Es gehörte schließlich zu ihrem Job Nachforschungen anzustellen.

Der Grund der Trennung hatte sie bisher jedoch nicht herausfinden können.

Élaine und ihre Familie waren urplötzlich weggezogen. Klammheimlich. Und Jona fragte sich, was sie zu verbergen hatten. Irgendwas musste es ja sein, weil sie tatsächlich versucht hatten, unter sich zu bleiben. So viel sie mitbekommen hatte, hatten sie keine Freundschaften geschlossen. Es war, als wären sie ... geschäftlich da gewesen. Ein Geschäft abschließen und ab zur nächsten Stadt.

War ihr Vater eventuell in krumme Dinge beteiligt?

Das würde zumindest diese Verschwiegenheit erklären und weshalb sie so urplötzlich weggezogen waren.

Unter Umständen ein selbst aufgelegtes Schutzprogramm.

Keines von der Polizei Eingeleitetes.

Aber würde das Sinn ergeben?

Vielleicht sollte sie in der Hinsicht mal nachforschen. Die alte Arbeitsstelle ihres Vaters mehr unter die Lupe nehmen.

Sein damaliger Geschäftspartner war bereits verstorben. Das eine Gespräch vor ihrer Abreise hatte sie mit seinem Sohn geführt, den sie einst beschattet hatte. Welch Zufall. Jedoch konnte es auch sein, dass ebendieser Dag auf sie aufmerksam gemacht hatte.

Gegebenenfalls würde sie ja mehr in England erfahren.

Jona nahm erneut ihr Handy in die Hand und las abermals die Nachricht, die Dag ihr geschickt hatte.

Hätte sie vielleicht doch darauf eingehen sollen?

Er hatte ja mit Sicherheit keinerlei Hintergedanken dabei. Himmelherrgott er war ein Musiker. Auf ihn standen einige Frauen. Wozu sollte er also ihr den Hof machen wollen?

Und warum dachte sie gerade so förmlich und galant?

Hatten diese Künstler nicht öfters Sex in ihrem Nightliner mit irgendwelchen Groupies?

Vielleicht war diese Élaine auch deswegen freiwillig gegangen.

Er hatte sich allen Anschein nach schon damals sehr für die Musik interessiert und das junge Mädchen konnte sich mit Sicherheit bereits ausmalen, wie es werden würde.

Das würde jedoch immer noch nicht erklären, wozu die ganze Sippschaft weggezogen war. Und auch nicht diese Heimlichtuerei.

Das junge Mädchen kam aus einer betuchten Familie. Wie Jona mitbekommen hatte, war niemand da sehr erfreut gewesen, als Élaine mit Dag angekommen war. Er passte keineswegs ins Bild hinein, was sie sich für ihre Tochter erhofften.

War es vielleicht in dem Sinne eine Flucht?

Ihren Nachwuchs von diesem jungen Mann zu trennen, den sie nicht als gut empfunden hatten?

Aber irgendwie passte das ja nicht mit dem weiteren Verhalten zusammen.

Sie hätten in dem Fall doch versucht, ihrer Tochter ein wunderschönes Leben zu ermöglichen. Einen Ausgleich dafür, dass sie mit ihrem Freund schlussgemacht hatte.

War das nicht immer so?

Jona erinnerte sich daran, wie sie in ihrer Jugend mit einem Typen angekommen war, der gar nicht in der Vorstellung ihrer Eltern zu ihr passte.

Er schwänzte nur die Schule, hatte bereits geklaut, keinerlei Perspektive in Aussicht, aber ... Jona war verknallt gewesen.

Als sie jedoch eine Auslandsreise mit ihrer Cousine geschenkt bekommen hatte, mit dem Vermerk, dass sie dafür allerdings Schluss machen sollte, war Jonas Entscheidung schnell gefallen und sie hatte erst einmal gemerkt, dass es gar nicht tatsächlich Liebe gewesen war.

Vielleicht war das auch bei Élaine der Fall und das Wiedersehen der beiden würde nicht so ...

Sie stoppte in ihrem Gedankengang ab.

So fies war sie doch gar nicht.

Dag war auf der Suche nach ihr. Demzufolge sollte er auch sein erwünschtes Was-auch-immer mit ihr bekommen.

Jona trank nochmal an ihrem Wein.

Sie hatte nur diese eine Aufgabe. Ihm helfen. Mehr war nicht drin.

Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt