Kapitel 21

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"Fíli, bist du verrückt geworden?", schrie ich den Zwerg, der sich doch tatsächlich erhoben hatte und wackelig einige Schritte ging, an. Offenbar erschreckte ich ihn ziemlich, denn er fuhr herum, besser gesagt versuchte es, bevor er wieder auf dem Boden landete. Kurz vor ihm warf ich mich zu Boden, dass ich die letzte Strecke zu ihm auf den Knien hin rutschte, ihn in die Arme nahm und nicht wusste, was ich sagen sollte. Zum einen war ich unglaublich froh, dass er noch lebte, aber auch wütend, dass er sich überschätzte und nicht auf sich Acht gab, wie ich ihm riet. In meinen Augenwinkeln hatten sich bereits Tränen gesammelt, ob Freude oder Traurigkeit ihr Auslöser war, wusste ich nicht. Zum Glück blieb es mir erspart etwas zu sagen, da sich in diesem Moment Kíli neben uns niederliess. Dieses Mal hatte ich keine Chance Fíli daran zu hindern aufzuschnellen, der seinen Bruder innig umarmte.

"Ich bin so froh, dass es dir gut geht, ich dachte, ich sehe dich nie wieder", erklärten sie sich beide gleichzeitig, bevor sie in Gelächter ausbrachen, allerdings konnte Fíli bald nicht mehr und krümmte sich wieder vor Schmerz. Sofort versuchte ich ihn zu beruhigen und strich ihm über die Haare, während die andere Hand auf seiner Wange ruhte. Nach und nach kamen auch die anderen Zwerge zu uns gestossen, gingen aber gleich an uns vorbei und wandten sich zu Thorin. Kíli schien diesen erst da zu bemerken.

"Er... er ist tot", flüsterte Fíli, und nahm seinen Bruder wieder in die Arme. Betroffen sah ich weg und schlang meine Arme um meinen Körper, es tat mir so leid für ihn, auch wenn er mich so schlecht behandelte, merkte ich, dass er eigentlich gar nicht so war, ein gutes Vorbild und wirklich nett sein konnte. Die Zwerge fielen vor ihrem toten Anführer auf die Knie, einige begannen zu weinen oder umarmten sich gegenseitig. Fíli löste sich ein wenig aus der Umarmung mit seinem Bruder und hielt mir die Hand hin, die ich ergriff. Ehe ich mich versah, befand auch ich mich in ihrer Umarmung.

Später wandte sich Óin dennoch zu uns, um sich um Fíli zu kümmern, dazu schickte er mich mit Kíli zusammen weg.

"Das war alles ganz schön viel auf einmal, was?", meinte dieser dann. "Besonders für dich"

"Wie meinst du das?"

"Nun, vor noch nicht allzu langer Zeit hast du dich wie gewohnt im Gasthaus in Bree aufgehalten, als du von diesen Männern bedrängt worden bist. Wenig später befindest du dich in einer Gemeinschaft und gehst auf eine gefährliche Reise, zusammen mit deinen Helfern, dort hängt sich ein Abenteuer ans nächste. Trolle und Orks, Spinnen und noch mehr Orks, zur Abwechslung noch ein Drache und ein mürrischer Onkel... aber auch Schönes, die Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt. Und dann das viele heute, die Aufregung, die Angst, Trauer und das freudige Wiedersehen." Darauf seufzte ich.

"Ja, du hast Recht, aber das Schöne kann uns so helfen, über das schlechte hinwegzusehen.", meinte ich, als einen Seitenblick zu Fíli warf, der offenbar nicht ganz einer Meinung mit Óin war. Da stand der Mediziner auch schon auf und kam zu uns.

"Es ist zwecklos, er wird nicht auf mich hören", kommentierte er.

"Was ist? Geht es ihm gut?", fragte ich sofort aufgebracht.

"Nicht besonders. Aber er wird es schaffen, wenn" er betonte das Wort und hielt seinen Zeigefinger hoch, "er sich Ruhe gönnt. Es hat ihn schlimm getroffen, und was der Junge braucht, ist Bettruhe. Zudem sollte er sich nicht zu viel bewegen. Eigentlich", fuhr er fort und warf einen bösen Blick zu Fíli, der sich doch wirklich auf dem Weg zu uns befand, zwar auf allen Vieren, aber dennoch.

Es war ziemlich berührend, wie einer der Menschen aus Seestadt, wenn ich mich nicht täuschte die Wache des Tores, eine Melodie auf einem der alten Hörner von Thal spielte. Die Melodie erkannte ich sogar, es war ein Teil des Liedes, das die Zwerge am ersten Abend in Beutelsend sangen. Durch diese schöne Musik war ich zu Tränen gerührt. Kíli neben mir wurde darauf aufmerksam und legte mir den Arm um die Schulter. Ausnahmsweise sagte er einmal nichts. Leider war Fíli nicht hier, er musste auf Óins Befehl im Bett bleiben, ich wettete, dass er sich gerade darüber ärgerte. Noch ehe das Lied zu Ende gespielt war, machte ich mich auf den Weg zu ihm, es dauerte nicht lange, bis Kíli auch hinter mir war.

Durins ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt