Kapitel 10

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"Lhindril! Nimm meine Hand!", lärmte Fíli schon zum zweiten Mal, seit die Warge an unseren Bäumen hochsprangen. Jedoch war ich bloss noch in Angst und Schrecken versetzt wegen Azog, ich erinnerte mich erneut an jenen schlimmen Tag. "Lhindril! Mach schon!" Noch immer streckte er mir seine Hand hin und fiel beinahe selber vom Baum, welcher mittlerweile schräg stand. Da nahm ich meinen Mut zusammen, machte einen Schritt nach vorne und ergriff Fílis Hand. Kaum umschloss er sie, kippte der Baum.

"Springt!", rief einer der Zwerge, der ebenfalls auf demselben Baum war wie wir. Als dieser den nächsten anstiess, sprangen wir auf die Zweige des neuen Baumes, der allerdings auch gleich von den Wargen umgeworfen wurde, so dass wir auf den nächsten auswichen. Schlussendlich waren wir alle auf einem einzigen Baum, direkt vor dem Abgrund. Die Warge hätten diesen wohl auch dort hinunter geworfen, hätte Gandalf nicht begonnen mit brennenden Tannenzapfen, die er bald unter uns verteilte, nach den Wargen zu werfen, die sogleich zurückwichen. Es sah nach einem Sieg für uns aus. Als der Baum doch noch kippte, verlor ich das Gleichgewicht und konnte mich im letzten Moment an einem losen Ast festklammern. Wenige Augenblicke später bemerkte mich Fíli, der mir sofort wieder seine Hand hinhielt, die ich in letzter Sekunde ergriff, bevor der Ast nachgab und abbrach. Mir wurde bewusst, wie knapp ich erneut dem Tod entgangen war und wir nah ich noch immer daran war, dass ich wie wild zu zappeln begann.

"Bleib ruhig. Beweg dich nicht!", befahl Fíli mit lauter Stimme. "Sonst kann ich dich nicht halten" Zwar bewegte ich mich daraufhin nicht mehr, aber in mir drin schwappte die Angst beinahe über, am liebsten hätte ich alles rausgeschrien.

"Fíli, lenk mich ab! Ich hab Angst", schrie ich also.

"Nicht aufgeben! Du wirst das schaffen!" Eine Weile blieb er ruhig und schien wohl zu überlegen, was er sonst noch sagen sollte. Unterdessen musste er mich mit beiden Händen halten, da es ihm mit nur einer zu streng wurde. Mein Arm schmerzte höllisch, mein ganzes Gewicht hing daran, es war zwar nicht besonders viel, aber immerhin. Plötzlich rutschte ich ein wenig nach unten, da meine Hände verschwitzt und somit nass waren. Fíli schien das auch zu bemerken und er verstärkte den Griff automatisch. "Gib nicht auf. Es wird alles gut", versuchte er mich zu beruhigen. "Ich liebe dich", flüsterte er dann. Sofort setzte das Herzrasen wieder ein, wie sich auch mein Magen zusammenzog. Was ich darauf sagen sollte wusste ich nicht, wollte aber irgendetwas mit ihm besprechen, da eine Stille an diesem Punkt unangebracht wäre. So schoss ich mit einer Frage heraus, die ich mir in den Orkstollen gestellt hatte.

"Wer von euch ist eigentlich der Ältere, Kíli oder..." Nach einer Weile in der er mich zunächst verwirrt anblickte unterbrach er mich.

"Ich" Hatte ich es mir also gedacht.

"Aber vorhin in den Orkstollen da hast du behauptet..."

"Ich weiss." Als nächstes wollte ich fragen wieso, doch schon wurde es mir klar. Er wollte damit seinen Bruder schützen, das hätte ich auch so gemacht. Neben uns regte sich Thorin, der aufstand und über den Baumstamm schritt, das Schwert und einen Ast als Schild, ich vermutete mal, dass es eine Eiche war, erhoben.

"Was tut er da?", wollte ich von Fíli wissen, der offensichtlich noch gar nicht bemerkt hatte, was sein Onkel gerade tat.

"Wenn ich das richtig erkenne, hat er vor, auf die Orks loszugehen."

"Was?", japste ich, "Das schafft er doch nie." Darauf sagte er nichts mehr und starrte noch immer in die Richtung, in die Thorin verschwand. Mit der Zeit schien er unruhig zu werden und Angst zu bekommen und er rief nach seinem Onkel. "Was ist los?" Leider war meine Position ungünstig, so dass ich nicht sehen konnte, was weiter vorne passierte. Jedoch bekam ich mit, dass Bilbo sich ebenfalls aufrichtete und vom Baum wieder auf den Boden rannte. Es ging nicht sehr lange, bis ihm einige Zwerge folgten. Noch immer blickte Fíli in die Richtung, wo sie aus meinem Blickfeld verschwanden.

Durins ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt