Was war da draußen los? Ich rannte zur Tür, doch sie war von innen verschlossen und ich konnte nicht raus. Draußen war Lärm. Dinge wurden umgeworfen und es hörte sich an, als ob alles zerschlagen wurde. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis der Lärm verstummte. Ich suchte einen Hebel aber fand keinen. Von dieser Seite waren die hübschen Bücherregale glatt und grau. Nichts womit ich die Tür von innen aufmachen konnte. Ich hörte ein berstendes Geräusch. Es dauerte einen Moment bis ich merkte, dass die Flügel der Türen sich bewegten. Schnell versteckte ich mich hinten in der Ecke, vor dem kleinen Tisch und dem schweren Vorhang. Mein Herz pochte wie wild, Angst ergriff mich.
"Sarah?" Die Stimme kam mir bekannt vor. Es war nicht die meines Großvaters. Woher kannte ich sie. Leise drückte ich mich an den Tisch, wissend, dass es für mich keinen Schutz in dem Raum gab. Jetzt sah ich zwei schwarze Schuhe, die langsam auf mich zu kamen. Ich steckte meinen Kopf auf meine angewinkelten Beine und schloss die Augen. "Sarah?" Die Stimme klang ruhig und nicht feindlich. Ich öffnete langsam meine Augen zu einem Schlitz, hob meinen Kopft und sah eine Hand, die mir entgegen gestreckt wurde. Mir blieb keine Wahl, also hob ich meinen Kopf und sah in strahlend blaue Augen. Da stand der Mann von vorhin, in den ich an der Ecke hinein gerannt war. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und er zog mich mit einem Ruck hoch. Ich stand ganz nahe an ihn gepresst da und schaute ihn fragend an.
Es dauerte nur eine Sekunde und ich flüsterte nur: "Großvater?" Mit traurigen Augen sah er mich an. Ich riss mich los und lief nach draußen in den Buchladen. Er rief mir hinterher: "Sarah nein," aber es war zu spät. Mir bot sich ein Anblick der Verwüstung. Überall lagen Bücher herum. Seiten waren heraus gerissen, die Regale waren umgeworfen und zerschlagen. Ich stolperte über die umliegenden Bretter und rannte in den vorderen Teil. Da lag er - "Großvater" - überströmt mit Blut. Ich stürzte mich auf ihn, verzweifelt schrie ich und Tränen liefen unaufhaltsam meine Wangen hinunter. Der fremde Mann packte mich von Hinten, und zog mich hoch. "Wir müssen hier weg. Es ist zu gefährlich wenn wir noch länger verweilen."
Ungläubig schaute ich ihn an. "Wir können ihn nicht einfach so liegen lassen, können ihn nicht hier zurück lassen," stammelte ich, doch er zog mich einfach mit zur Tür hinaus und murmelte: "ich kümmere mich später darum, versprochen." Wir liefen zu meinem Haus. Wir gingen hinein und er sagte: "wasch dich und zieh dich um Sarah, denn hier können wir auch nicht bleiben." "Was ist hier eigentlich los?" fauchte ich ihn an, "und wer sind sie überhaupt? Woher kennen sie meinen Namen?" "Alles zu seiner Zeit. Ich werde all deine Fragen beantworten aber jetzt müssen wir uns beeilen und hier verschwinden." Geschlagen ging ich ins Badezimmer, nahm eine kurze Dusche und zog mir saubere Kleidung über. Meine Gedanken überschlugen sich und ich war völlig verzweifel. Ein Blick in den Spiegel bestätigte meine Gefühlslage. Als ich aus dem Badezimmer kam suchte der Fremde etwas in der Kommode.
"Was suchen Sie da?" fuhr ich ihn an. "Hat Simon dir etwas gegeben Sarah?" "Was geht sie das an und wer sind sie überhaupt? Woher soll ich wissen ob ich Ihnen trauen kann?" Er sah mir mitten ins Gesicht und kam dabei immer näher. Unverschämt nah wie ich fand. "Na, als erstes habe ich dich gerade befreit und dir vielleicht auch noch das Leben gerettet. Ist das nicht genug Grund, mir ein bisschen zu vertrauen?" Er grinste mir direkt frech ins Gesicht. "Ach ja und übrigens, ich bin Elijah." Elijah - meine Gedanken überschlugen sich. Elijah. Mein Großvater hatte mir gesagt, ich könnte ihm vertrauen. "Also gut, wo gehen wir jetzt hin?" Noch mehr grinste er und antwortete "Essen. Wir gehen jetzt etwas essen, ich habe großen Hunger und wir haben noch Zeit." Entsetzt sah ich ihm nach wie er Richtung Haustüre lief ohne auf einen Kommentar von mir zu warten. Wir traten hinaus.
Ich war ziemlich sauer auf diesen Elijah. Wie konnte er noch dämlich grinsen und ans Essen denken, wo doch gerade Großvater erschossen worden war? Jetzt hatte ich niemanden mehr und musste mich auf diesen Kerl verlassen. Großvater! Wieder liefen mir die Tränen übers Gesicht. Elijah legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich weiter. Ich hatte keine Kraft mehr und ließ mich einfach führen. Elijah führte ein Telefonat. Ich verstand nur: "ist es schon erledigt? Ok, ich Danke dir Dave. Bis später." Wir setzten uns in ein kleines schummriges Lokal ins Freie. Es wurde gerade dunkel und Kerzen standen auf dem Tisch. Alle Plätze waren in kleinen Lauben angelegt, mit Holzbänken die bis nach oben ragten und an deren Decke wilder Wein sich über unseren Köpfen ausbreitete, so dass wir ungestört waren.
Ich bestellte nur einen Salat, in dem ich herumstocherte, denn ich bekam keinen Bissen runter. Elijah aß mit vollem Genuss. Er bestellte zwei Whisky und bestand darauf, dass ich ihn trinke. Also kippte ich ihn hinunter. Es brannte in meiner Kehle aber danach wärmte er mir etwas das Herz. Ich hatte noch gar nicht die Zeit, mir Elijah näher zu betrachten, doch jetzt erhaschte ich vorsichtig ein paar Blicke. Er sah wirklich verdammt gut aus. Ein wohliges Gefühl durchströmte mich. Ich schob es auf den Whisky. "Also Elijah," fing ich vorsichtig an zu reden. "Wer bist du eigentlich?" Er sah vom Essen auf. Er legte sein Besteck bei Seite trank einen Schluck um sein Essen runter zu spülen, stellte seine Ellenbogen auf den Tisch und faltete seine Hände. "Das ist eine lange Geschichte und etwas kompliziert. Aber ich fange am besten mit dem einfachsten an. Ich bin dein Schicksal, und du bist meines."
Er nahm die Hände runter nahm sein Besteck wieder auf und aß einfach weiter. Ich wurde wütend. "Was soll ich denn damit anfangen? Was soll das sein unser Schicksal? Was ist mit Großvater passiert und was hat er mir da über meine Eltern erzählt?" "Deine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben ja, aber es war kein Unfall. Sie wurden ermordet genau wie dein Großvater, und ja es waren nicht deine richtigen Eltern. Ich werde dir das Alles noch genauer erklären Sarah, aber hier ist nicht der richtige Ort dafür. Es ist sehr kompliziert, denn du kannst dich nicht erinnern. Zum Schutz für dich selbst, wurde deine Erinnerung gelöscht." Ich dachte ich müsste weglaufen. Was erzählte er nur für einen Blödsinn. "Erinnerung gelöscht, ja klar, das erklärt nun alles!" Sagte ich wütend.
Als er nichts darauf erwiderte schwieg ich auch und dachte nach. Darüber was ich jetzt tun sollte und wo ich hin gehen sollte. Elijah hatte gesagt bei mir Zuhause wäre es nicht mehr sicher. Soweit glaubte ich ihm, nachdem was meinem Großvater passiert war. "Wo soll ich denn jetzt hingehen?" Fragte ich ihn verzweifelt. "Ich hab niemanden mehr und auch kein Zuhause." Er sah mir tief in die Augen. "Du hast mich Sarah. Ich werde auf dich aufpassen und nicht mehr von deiner Seite weichen. Wir gehen gemeinsam weg von hier. Wir gehen in eine andere Welt. Wir gehen in unsere Welt." Ich hatte keine Lust auf sein dummes Geschwätz deswegen sagte ich nichts dazu. Wir saßen noch ein Weilchen stumm da, jeder mit seinen eigenen Gedanken. Elijah meinte wir müssten noch etwas warten, bis es dunkler wurde. Dann war es soweit.
"Wir können es jetzt wagen." Und schon stand Elijah auf, nahm mich an der Hand und führte mich weg. Er lief mit mir kreuz und quer durch schmale Gassen. "Wo gehen wir hin?" fragte ich. "Wir müssen zurück, zurück in den Buchladen." Ich blieb abrupt stehen. Nein das konnte ich nicht. Ich konnte nicht noch einmal meinen Großvater da liegen sehen. "Das schaffe ich nicht. Ich kann da nicht wieder hin." Verzweiflung und Trauer machten sich wieder in mir breit. "Wir müssen. Simon hat uns dort etwas hinterlassen. Das ist der einzige Weg, den wir jetzt einschlagen können." Unwillig ließ ich mich von ihm weiterziehen. Plötzlich standen wir an der Ecke. Verstohlen blickte Elijah zu dem Eingang des Buchladens. Er wartete noch eine Weile und zog mich dann weiter auf die Tür zu. Kurz blieben wir davor stehen. Er schaute sich noch einmal um, dann traten wir ein.
Die Tür war nicht verschlossen. Die Glocke bimmelte. Als wir eintraten traute ich meinen Augen kaum. Es war aufgeräumt. Nichts erinnerte mehr an das, was hier geschehen war. Mein Großvater war verschwunden. Auf dem Platz wo er gestorben war, war kein einziger Blutfleck mehr zu sehen. Alles war sauber. "Was ist hier geschehen? Elijah? Wie kann das sein?" Er drehte sich zu mir um, hielt mich an meinen Schultern fest und schaute mir direkt in die Augen. "Wir haben noch Freunde und auch Verbündete. Es gibt Menschen die uns unterstützen und uns helfen." Ein warmes Gefühl durchströmte mich als ich so nah vor ihm stand.
Danke Großvater, dass du mir Elijah an die Seite gestellt hast und er sieht so gut aus, dachte ich nur. Oh nein, dafür war nun wirklich keine Zeit. Ich war über mich selbst verwundert, so kannte ich mich gar nicht. Er lief auf das hintere Zimmer zu und ich folgte ihm etwas ängstlich. Aber auch hier war alles wieder an seinem Platz. Die kaputten Bücherregale waren verschwunden und auch die herausgerissenen Seiten der Bücher waren weg. Wir standen vor der geheimen Tür. Elijah drückte den Stab mit der Kugel vom Ritter nach unten. Also wusste er davon, dachte ich während die Flügel der Tür aufschwangen.
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Das Geheimnis der leuchtenden Stadt
RandomVorwort Sarah ist heute 26 Jahre alt geworden und hat zudem ihr Studium in Geschichtsschreibung abgeschlossen. Ihre Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihr einziger Verwandter der ihr geblieben ist, ist ihr Großvate...