Ich konnte nicht mehr klar denken. Alles was in den letzten beiden Tagen passiert war kam mir so unwirklich vor. "Elijah wo bin ich hier bloß rein geraten? Was hat das alles zu bedeuten? Woher kanntest du meinen Großvater und was ist mit meinen Eltern passiert? Wer hat Simon ermordet und wer waren diese Männer, die uns verfolgt haben? Was ist das für ein Ort? Und wie genau sind wir hier her gekommen? Wieso habe ich das Gefühl, dass mich alle hier kennen?" "Ich weiß, du hast viele Fragen Sarah und ich werde dir auch alle beantworten. Aber nicht gleich. Sarah," er machte eine kurze Pause, "ich muss für mindestens drei Tage die Stadt verlassen." Verzweiflung breitete sich in mir aus. Was hatte er da gerade gesagt? "Das kannst du nicht machen. Das kannst du mir nicht antun. Elijah ich..." Das war einfach zu viel und das war einfach nicht fair. Elijah rückte näher und nahm mich in seine Arme. Er hielt mich ganz fest umschlungen und ich beruhigte mich wieder etwas. Dann, nach einer Weile, ließ er mich los.
"Sarah, also wo soll ich denn nur anfangen. Zuerst einmal wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an sehr viel aus deiner Kindheit. Das ist auch nicht möglich. Die Personen, die bei diesem Autounfall gestorben sind, sie wurden ermordet genau wie Simon. Sie wurden deinetwegen umgebracht. Sarah es waren nicht deine richtigen Eltern. Aber die Mörder dachten, das sie es wären." In mir drehte sich alles. Es kam mir vor als hörte ich seine Stimme aus weiter Ferne, wie ein Flüstern, das man kaum wahr nimmt. Auch Großvater hatte so etwas gesagt und Elijah, als wir im Restaurant saßen schon einmal. "Elijah, ich möchte das du mich jetzt sofort wieder nach hause bringst und mich für den Rest meines Lebens einfach in Ruhe lässt." Er kniete sich vor mich und hob zärtlich mein Kinn, so dass ich ihm in die Augen schauen musste.
"Das war nicht dein Zuhause Sarah. Hier bist du Zuhause. Obwohl das auch nicht so ganz stimmt, doch das wäre jetzt zu kompliziert. Du musst erst mal alles andere begreifen, du musst mir jetzt vertrauen. Sarah ich muss dir noch dringend etwas sagen bevor ich gehen muss." Was konnte jetzt noch schlimmer werden. Ich gab innerlich auf und wartete. Elijah nahm mein Gesicht in beide Hände. Wieder hatte er diesen ernsten Blick aufgesetzt. Das konnte nichts Gutes bedeuten. "Sarah, also wie soll ich dir das jetzt sagen?" "Einfach gerade heraus." erwiderte ich. Er hielt immer noch mein Gesicht in seinen Händen. "Na schön, also, na ja," er stotterte unsicher herum. "Ähm, Sarah, - du hast einen Bruder." Da ließ er mich auch schon los. "Das kannst du doch nicht ernst meinen?" Ich stand auf und schrie ihn an. "Willst du mich etwa in den Wahnsinn treiben? Ist das hier so eine Art versteckte Kamera oder irgendein psychopathisches Experiment?"
"Ich verstehe ja das du aufgebracht bist." Versuchte er mich zu beruhigen. Er stand auf und nahm mich an meinen Schultern und führte mich wieder zum Stuhl. "Bitte Sarah setzt dich wieder hin." Zärtlich und mitfühlend sah er mich an. Also lies ich mich von ihm auf den Stuhl drücken. "Verstehst du denn nicht? Das ist einer der Gründe warum ich die Stadt verlassen muss." "Elijah, ich wüsste doch wenn ich einen Bruder hätte, oder etwa nicht? Bin ich adoptiert?" "Ich weiß Sarah, das alles ist schwer zu verstehen, aber ich sagte dir doch schon, dass diese Leute nicht deine richtigen Eltern waren und ich sagte dir auch schon, dass deine Erinnerungen gelöscht wurden und nein du bist nicht adoptiert." Ja es fiel mir wieder ein. Am ersten Abend nachdem Großvater erschossen wurde, in dem Restaurant, da sagte er mir so etwas. Aber ich hatte es natürlich nicht ernst genommen. Ich hörte Schritte und sah Trevor, Dave und George auf uns zukommen. Jetzt trugen alle drei die gleiche Rüstung, die auch Trevor anhatte als er gestern von seinem Außeneinsatz zurück kam.
"Bist du soweit Elijah?" fragte Dave. "Warum kann ich nicht mit euch kommen?" "Glaub mir, das wäre viel zu gefährlich für dich. Wenn ich wieder da bin erkläre ich dir alles, wirklich alles Sarah. Ich möchte das du hier wartest. Es ist ein guter Ort um nachzudenken und um Kraft zu tanken. Ich gehe mich umziehen und hole dich dann hier wieder ab. Dann bringe ich dich zurück. Marlen, Joise und Carl werden auf dich aufpassen solange ich weg bin. Da vorne steht eine Liege. Ich möchte das du dich ausruhst." Er strich mir zärtlich über das Haar, drehte sich um und im nächsten Moment war er mit den anderen verschwunden. Ich legte mich auf die Liege, wie es Elijah mir empfohlen hatte und schloss meine Augen. Ich fühlte mich wie in einem Alptraum gefangen, aus dem ich nie wieder erwachen würde. Das Plätschern des Wassers von allen Seiten beruhigte mich etwas. Tausende Gedanken schwirrten mir auf einmal durch den Kopf. Ich konnte sie einfach nicht sortieren.
Ich wünschte mir, ich würde aufwachen und wäre mit Großvater in unserem gemütlichen Haus. Ich wünschte mir das Alles wäre nie passiert und ich hätte Elijah nie kennen gelernt. Wünschte ich mir das wirklich? Ich war mir nicht mehr sicher. Dein Großvater getötet...nicht deine Eltern..wegen dir umgebracht...ermordet......du hast einen Bruder.... immer wieder hörte ich Elijahs Worte. Wie konnte es nur so weit kommen? Was sollte ich jetzt tun? Was sollte jetzt nur aus mir werden? Ich hatte einen Bruder? Wie war sein Name? Wieso konnte ich mich überhaupt nicht an ihn erinnern? Hatte Elijah vielleicht doch recht, mit allem was er mir erzählte? Warum hatte ich nicht weiter gefragt? Es war einfach keine Zeit dafür gewesen. Konnte ich Elijah wirklich vertrauen? Er hatte mich bis jetzt immer beschützt. Und was war mit den anderen? Wieso ging Carl nicht nach draußen mit? Warum und vor wem mussten sie mich hier beschützen?
Mein Schädel fing an zu brummen. Jede dieser Fragen warf noch mehr Fragen auf. Ich hörte Schritte. Gott sei dank Elijah kam zurück. Ich setzte mich auf, doch es war nicht Elijah. Es war Carl der vor mir stand. "Wo ist Elijah?" fragte ich ihn. "Es tut mir leid Sarah. Elijah ist schon gegangen. Ich soll dir sagen das du dir keine Sorgen machen sollst." Auch das noch. Er war einfach so gegangen, ohne sich nochmal zu verabschieden. "Komm Sarah ich bringe dich zurück. Es gibt bald Abendessen." Eigentlich war ich ganz froh hier weg zu kommen, obwohl es der schönste Ort war, den ich je gesehen hatte. Doch ich brauchte dringend eine Abwechslung und ich fühlte mich, als hätte mich ein Zug überrollt. Also nickte ich Carl zu und ging mit ihm. Er führte mich nicht auf demselben Weg zurück, sondern ging durch mehrere Korridore. Auf diesem Weg mussten wir nicht durch den großen Saal gehen und nicht an den ganzen Menschen vorbei.
Mir fiel die Szene wieder ein als mich Elijah den vielen Anwesenden im großen Raum der Stadt als Prinzessin Sarah vorgestellt hatte. Ich hatte doch glatt vergessen ihn zu fragen, was das schon wieder zu bedeuten hatte. Alles in allem wurde mir klar, dass ich Fragen über Fragen hatte und niemand da war, der mir diese ernsthaft beantworten wollte oder konnte. Jedenfalls nicht so schnell. "Carl, ich möchte nicht Abendessen. Bitte bring mich gleich in mein Zimmer." "Ist das wirklich klug Sarah? Du hast schon das Mittagessen ausgelassen." Besorgt sah er mich an. "Nein wirklich. Ich glaube ich muss einfach mal ein paar Stunden schlafen." "Also gut Sarah. Wenn es dein Wunsch ist." Er steuerte auf eine Tür zu und machte sie auf. Er ließ mich hindurch schlüpfen und trat dann selbst ein.
Carl holte etwas aus der Innentasche seiner Jacke heraus und streckte es mir entgegen. "Elijah hat mich gebeten dir das hier zu geben. Du sollst für ihn gut darauf aufpassen bis er wieder zurück ist." Ich schaute auf den Gegenstand den er in der Hand hielt. Ich erkannte die Karte, die Elijah im Buchladen meines Großvaters aus einem Buch genommen hatte. Ich nahm sie an mich und murmelte ein danke. Carl nickte mir noch zu, drehte sich um. Er ging ohne ein weiteres Wort. Ich legte die Karte zu dem Schlüssel und der Schriftrolle in meinem Nachtisch und schloss ihn ab. Noch nicht mal dafür hatte ich bis jetzt Zeit gehabt, mir die Schriftrolle mal näher zu betrachten. Völlig niedergeschlagen legte ich mich in mein Bett.
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Das Geheimnis der leuchtenden Stadt
RandomVorwort Sarah ist heute 26 Jahre alt geworden und hat zudem ihr Studium in Geschichtsschreibung abgeschlossen. Ihre Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihr einziger Verwandter der ihr geblieben ist, ist ihr Großvate...