Irgendwann kam der alte gebückte Diener herein. Er legte mir ein prunkvolles Kleid über den Sessel. "Lord Vangar bittet zum Abendessen. Das sollen sie anziehen. Wir haben einen Gast." Dann ging er auch schon wieder. Ich zog mir missmutig das Kleid über. Dann lief ich die Treppen hinunter. An der Ecke zum Speisesaal blieb ich stehen. Ich hörte Stimmen. Lord Vangar ergriff das Wort. "....im ganzen Land verteilt werden. Das soll ein Vorgeschmack auf die Hochzeit werden. Alle sind eingeladen." Eine andere Stimme ergriff das Wort "Das könnte gefährlich werden. Wir müssen mehr Soldaten postieren," "und die Wachen verstärken." Mischte sich noch eine dritte Stimme ein. Sie kam mir bekannt vor. Wo hatte ich sie schon einmal gehört? Ich hätte es leicht herausfinden können, doch ich traute mich nicht den Raum zu betreten. "Was ist, wenn sie sich weigert anzutreten?" Hörte ich wieder die Stimme, die ich zu kennen schien. "Ich werde keinen Widerspruch dulden." Sagte Lord Vangar.
"Ich sollte jetzt lieber gehen bevor Sarah herunterkommt." Erhob sich noch einmal die mir vertraute Stimme. "Also gut. Trefft alle Vorbereitungen. Tut alles was nötig ist. Morgen findet das Fest statt und Sarah wird als meine zukünftige Braut vorgestellt." Mehr wollte ich nicht hören. Ich ging die Treppen hinauf zurück in mein Zimmer. Ich zog das Kleid aus und warf mir meine bequeme Kleidung über. Da kam auch schon der Diener angeeilt. "Ihr habt euch ja noch nicht umgezogen." schallt er mich. "Sagt Lord Vangar bitte, das ich unpässlich sei." Ungläubig fragte er nur: "soll ich Mylady etwas zu essen aufs Zimmer bringen?" "Das wäre sehr nett." sagte ich nur. Ich hatte großen Hunger. Ich zerbrach mir noch eine Weile über die Stimme den Kopf aber ich konnte sie einfach nicht zuordnen. Am nächsten morgen wachte ich auf. Ich ging zu dem Fenster und schaute hinaus. Dann richtete ich meinen Blick nach unten auf die Stadt. Ein reges Treiben ging vonstatten. Überall liefen Menschen durcheinander. Die ganze Stadt wurde mit Girlanden geschmückt. Am Tor sah ich, dass viele Karren, voll beladen, darauf warteten Einlass zu bekommen.
Immer mehr kamen dazu. Jeder einzelne wurde sorgfältig geprüft und von den Wachen durchsucht. Ich hörte hinter mir ein Geräusch und drehte mich um. Lisa stand im Raum. "Lord Vangar wünscht euch zum Frühstück zu sehen und er duldet keinen Widerspruch." "Was ist da draußen los Lisa? Warum kommen so viele Menschen in die Stadt?" "Es soll ein riesiges Fest geben. Lord Vangar möchte den Termin eurer Vermählung bekanntgeben. Alle sollen es hören. Alle sollen es wissen." Ich schluckte. Wie sollte ich da jemals wieder herauskommen. "Danke Lisa. Das wäre alles. Wir sehen uns später," sagte ich, lief an ihr vorbei und ging frühstücken. "Das war nicht nett Sarah, das du gestern unseren Gast mit deiner Abwesenheit beleidigt hast." Sagte Lord Vangar mit Nachdruck. Ich setzte mich und sagte kein Wort. "Ich habe angeordnet, das heute ein großes Fest in unserer Stadt gefeiert wird. Es werden viele Menschen hier sein. Alle werden kommen um dich zu sehen. Viele kommen auch von außerhalb. Aus den umliegenden Städten und Dörfern.
Ich hoffe du wirst dich benehmen. Ich werde dich in einer Ansprache als meine zukünftige Braut vorstellen und unsere Vermählung übermorgen bekannt geben. Und ich wünsche keine unvorhergesehenen Zwischenfälle. Ist das klar Sarah?" Ich nickte nur leicht, da mir keine Wahl blieb. "Gut, dann hätten wie das geklärt." Sagte er während er sich den Mund an einer Serviette abtupfte. "Ich werde sehr beschäftigt sein. Es gibt noch viel zu tun." Er warf seine Serviette auf den Teller vor sich und ging. Ich saß noch eine Weile am Tisch. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich stand auf und ging Richtung Tor. Zwei Wachen stellten sich gleich vor mich. Ich konnte nicht hinaus. Also drehte ich mich um und ging auf mein Zimmer. Wieder sah ich aus dem Fenster. Vor dem Burgtor hatte sich inzwischen eine endlose Schlange gebildet, von Menschen, die in die Stadt strömten.
Lisa kam herein. Sie hatte Tee dabei und wir setzten uns. Dankbar über ihre Gesellschaft redeten wir belangloses Zeug miteinander. Ich sah sie als die einzige Verbündete die ich hatte. Ein zwölfjährige Mädchen. Ich war verloren. Dann war es soweit, ich musste für das Fest nach untern. Als ich in der Mitte der Treppe ankam, sah ich einen Soldaten gerade aus dem Tor hinaus gehen. Ich konnte sein Gesicht nur von der Seite sehen, doch irgendwie kam es mir bekannt vor. Wo hatte ich es bloß schon einmal gesehen? Da ich keine Antwort fand verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Ich ging in den Speisesaal. Wie immer wartete Lord Vangar schon auf mich. Alle möglichen Anweisungen hatte er für mich parat. Ich hörte ihm kaum zu. "....Lisa wird dir beim ankleiden helfen." Vernahm ich ihn. "Um zwölf Uhr erwarte ich dich draußen in der Halle und wir gehen gemeinsam durch das Tor. Hast du das alles verstanden?"
Als ich nicht antwortete fuhr er fort. "Du wirst dich in dein Schicksal ergeben Sarah. Irgendwann wirst du das Alles akzeptieren und wir können eine glückliche Zukunft haben." Er ging. Ich spürte wie in mir die Tränen aufstiegen und rannte in mein Zimmer. Lisa kam und half mir in das prunkvolle Kleid, das Lord Vangar für mich vorgesehen hatte. Wie in einem Traum ließ ich alles über mich ergehen. Mich hielt nur noch eines am Leben. Der Gedanke das ich irgendwann vielleicht doch fliehen könnte. Dann war es soweit. Lisa begleitete mich die Treppen hinunter. Lord Vangar stand in einer Ritterrüstung und einem langen Umhang, den er darüber geworfen hatte in der Eingangshalle und wartete auf mich. Er drehte sich zu mir und streckte mir seine Hand entgegen. Dann traten wir gemeinsam hinaus. Die Sonne schlug mir ins Gesicht, so dass ich zuerst nichts sehen konnte.
Als ich mich an das Licht gewöhnt hatte, dachte ich, ich müsste in Ohnmacht fallen. Der ganze Platz vor uns war voll von Menschen. Man konnte an der Kleidung erkennen, dass es eher arme Bauern waren. Viele waren in Leinenhemden und Cordhosen gekleidet. Darüber trugen sie Jacken an denen spitze Kapuzen angenäht waren, die sie über ihre Köpfe gezogen hatten. Das Volk jubelte uns zu. Es war ein höllischer Lärm um mich herum. Alle schienen gut gelaunt, nur ich stand missmutig da und verzog keine Mine. Lord Vangar beugte sich etwas zu mir: "Lächeln Sarah, lächeln," forderte er mich auf doch ich konnte nicht. Dann auf einmal wurde mein Blick auf eine Person gelenkt. Unter einer Kapuze sah ich zwei blaue Augen strahlen. Jacob, schoss es mir durch den Kopf. Ich sah mich weiter um. Ich sah Trevor der ebenfalls unter einer Kapuze steckte. Ich wurde nervös und aufgeregt. Man sah es mir wohl an denn dann blickte ich plötzlich in Elijahs Augen. Ich lächelte ihm zu doch er legte seinen Finger auf den Mund um mir anzudeuten, das ich leise sein sollte und mich beruhigen musste.
Mein Herz tat mehrere Sprünge. Neue Hoffnung keimte in mir auf. Dann hörte ich Lord Vangar "Mein Volk." legte er los."Eigentlich war die Hochzeit für nächste Woche geplant. Doch da so viele von euch jetzt schon gekommen sind und viele von euch vielleicht auch nicht so lange verweilen können, haben wir uns entschlossen, die Hochzeit zwischen Prinzessin Sarah und mir schon morgen zu vollziehen. Ihr seid herzlich eingeladen. Jetzt könnt ihr feiern. Das Buffet ist eröffnet." Überall in der Stadt waren Stände aufgebaut mit allerlei Köstlichkeiten darauf. Die Menge jubelte wieder und klatschte. Sie stürzten sich sogleich auf das Essen. Lord Vangar zog mich mit sich. Ich versuchte noch einmal einen Blick auf Elijah zu erhaschen doch in der Menge fand ich ihn nicht mehr. Als er mich durch das Tor zog, sah ich im Augenwinkel jemanden stehen den ich kannte. Wieder war es der Soldat, den ich vorhin schon aus dem Schloss gehen sah. Er war aber nicht mit einer Kapuze bedeckt sondern wie ein Soldat von Lord Vangar gekleidet.
Einen kurzen Moment lang sah er zu mir rüber. Jetzt wusste ich es wieder. Taylor. Es war Taylor, der Mann, der mit meinem Bruder auf der Krankenstation gelegen war. Seine Stimme war es, die ich gehört hatte und die mir so bekannt vorkam. Und er war es, der wusste was wir vor hatten. Er hatte alles mit angehört. "Gut gemacht Sarah," sagte Lord Vangar, als wir in der Halle standen. "Morgen ist es dann also soweit. Morgen wirst du meine Frau. Du solltest nur etwas glücklicher aussehen Sarah. Du solltest mehr lächeln." Dann verschwand er und ich stand da. Ich rannte in mein Zimmer und sah aus dem Fenster hinunter in die Stadt. Irgendwo da unten war er. Irgendwo da unten befand sich Elijah.
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Das Geheimnis der leuchtenden Stadt
AcakVorwort Sarah ist heute 26 Jahre alt geworden und hat zudem ihr Studium in Geschichtsschreibung abgeschlossen. Ihre Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihr einziger Verwandter der ihr geblieben ist, ist ihr Großvate...