Kapitel 93

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Ich machte meinen Laptop an, startete Skype und schlich nervös durch die Wohnung bis Riku online kam und mich sofort anklingelte.
„Hey Honey, wie geht es dir? Wie war dein Tag? Was sagt der Arzt?" Er sah mich liebevoll an und ich knetete nervös meine Hände. Er sah so gut und glücklich aus und so fiel mir das Ganze noch schwerer.
Ich hatte das Gefühl, sein jetziges Leben zu zerstören mit meiner Schwangerschaft. „Hey Riku. Mir geht es nicht so gut, mein Tag war ziemlich anstrengend." antwortete ich etwas ausweichend.
„Du siehst blass aus. Wirst du etwa krank?"
„Nein ich glaube das hat einen anderen Grund." Ich machte eine Pause und atmete tief durch. „Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss." fing ich an und schaute in sein Gesicht.
„Oh das hört sich nicht so gut an." entgegnete er und seine Stimme klang besorgt.
„Erinnerst du dich noch an die Party zu meinem Geburtstag?"
„Natürlich." Auf seinem Gesicht erschien ein Grinsen und ich wusste sofort woran er dachte. „Okay... also... Als wir Sex hatten, haben wir die Verhütung vergessen."
Bei den Worten veränderte sich sein Gesichtsausdruck ich konnte hören, dass er ein leises „Shit!" murmelte. „Und... ist etwas passiert?"
„Ja. Mein Arzt hat heute festgestellt, dass ich schwanger bin." rückte ich nun raus und hielt gespannt die Luft an.
„Du bist schwanger?" wiederholte er leise und ich nickte.
Es folgten mehrere Sekunden der Stille, in denen er nichts sagte und fast ausdruckslos auf den Bildschirm starrte. Ich hatte keine Ahnung wohin sein Blick ging, doch mich schaute er dabei nicht an.
Diese Ruhe dauerte schon viel zu lange und ich stellte mir alles Mögliche vor, was Riku gleich sagen würde. In seinem Gesicht konnte man inzwischen verschiedene Regungen beobachten, ich hatte jedoch keine Ahnung was diese bedeuteten.
Das hieß nichts Gutes und ich wurde langsam nervös. „Riku sag doch etwas." bat ich ihn zaghaft, als ich sein Schweigen nicht mehr aushielt.
„Lilly... ich weiß gerade nicht was ich sagen soll. Ich... Ich brauche jetzt ein paar Minuten für mich.. Ich muss nachdenken... das Ganze erst mal verstehen... Kann ich dich gleich wieder anrufen?" sagte er stockend und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
Ich fühlte mich wie betäubt und es sah so aus, als würden sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. „Ja... ist okay." flüsterte ich tonlos. Meine Stimme versagte mir fast und ich unterdrückte tapfer meine Tränen.
Rikus Bild verschwand und ich starrte tränenblind auf den dunklen Bildschirm. Ich schluchzte auf und konnte mich nun nicht mehr zurück halten. Plötzlich wurde mir übel und ich lief auf die Toilette um mich zu übergeben. Erschöpft blieb ich auf dem Boden sitzen und zog meine Knie an die Brust.
Was hatte das nun zu bedeuten? Hatte ich Riku jetzt verloren?
Ich blieb so zusammengekauert sitzen, bis es mir etwas besser ging und ich aufstehen konnte. Ich ging zurück auf mein Sofa, mir war immer noch schlecht und die Tränen wollten einfach nicht aufhören. Ich würde es verstehen müssen, wenn er jetzt Schluss machen würde. Er hatte schon zwei Kinder und ich wusste nicht mal, ob er überhaupt noch welche wollte.
Ich hatte völlig das Zeitgefühl verloren. Ich saß einfach nur da, dachte an eine Zukunft ohne Riku mit seinem Kind und wartete auf seinen Rückruf. In dieser trüben Stimmung war ich nicht mal sicher, ob er sich überhaupt noch melden würde.
Ich zuckte zusammen, als mein Laptop Geräusche machte und Rikus Bild erschien. Kurz überlegte ich seinen Anruf einfach zu ignorieren, aber das brachte ich nicht fertig. Ich wischte mir die Tränen weg, atmete tief durch und klickte auf annehmen.
„Lilly... Honey... Ich bin so ein Idiot." fing er an und sah mich mit einem reumütigen Blick an.
Ich konnte nur nicken und war gespannt, was er noch zu sagen hatte. „Es tut mir so leid, wie ich eben reagiert habe. Die Nachricht hat mich total überrascht und ich war etwas neben der Spur." Er fuhr sich wieder durch die Haare und wirkte total nervös.
„Was glaubst du denn, wie ich mich gefühlt habe beziehungsweise gerade fühle?" fuhr ich ihn an. „Ich bin völlig fertig und fühle mich gerade einfach nur alleine. Deine Reaktion war wirklich verletzend." sagte ich leise und griff zum Taschentuch.
„Lilly, bitte verzeih mir... Ich... weiß nicht ob das okay war, aber ich habe eben kurz mit Samu geredet. Er...hat mir direkt die Meinung gesagt und mir klar gemacht, dass ich dich so nicht behandeln darf. Ich hatte dir damals versprochen mich nicht mehr wie ein Idiot zu benehmen und es hat nur wenige Wochen gedauert, bis ich es wieder getan habe."
„Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll." murmelte ich und rieb mir die Hände.
„Du musst nichts sagen... Ich kann verstehen, wenn du böse auf mich bist."
„Nein Riku, ich bin nicht böse oder sauer auf dich. Das eben hat mich wirklich tief getroffen. Ich bin dafür nicht alleine verantwortlich, aber bei dir kam es so rüber. Ich wollte dir sicher kein Kind anhängen. Ich mache mir Gedanken, dass ich dein Leben zerstöre und habe mich selbst dabei völlig vergessen."
„Oh je, was habe ich nur getan?" seufzte er und schüttelte mit den Kopf. „Erzählst du mir von deinem Tag und... wie es dir danach ging?"
Ich berichtete ihm von meinen Arztbesuch und offenbarte ihm auch meine darauffolgenden Gefühle und Gedanken.
Er hörte schweigend zu und wirkte danach nur noch schuldbewusster. „Ich habe mich wirklich falsch verhalten und kann dir nur erneut sagen, wie leid es mir tut. Es hört sich vielleicht wie eine Ausrede an, aber das traf mich wirklich unerwartet. Ich hoffe du kannst mich ein bisschen verstehen, ich war einfach total überfordert. Auch wenn das eben anders rüber kam, es ändert nichts an meinen Gefühlen für dich." Riku schaute mich flehend an.
„Und wie geht es jetzt weiter?" Meine etwas abweisende Haltung fiel bei seinen Blick und den Worten immer mehr in sich zusammen.
„Es wird bestimmt nicht einfach werden, aber ich bin für dich da und gemeinsam schaffen wir das, okay?"
Das war eigentlich alles was ich von ihm hören wollte und es klang auch einigermaßen überzeugend. Um mehr ging es mir im ersten Moment nicht und ich fühlte mich schon unendlich erleichtert. „Du bleibst also bei mir?" wollte ich zur Sicherheit noch wissen und tastete nach dem Mutterpass.
„Hast du echt geglaubt ich würde dich deshalb verlassen? Lilly schau mich bitte an." Er beugte sich etwas vor und fixierte meinen Blick. „Ich liebe dich und will mit dir zusammen bleiben. Egal wie das vorhin gewirkt hat, ich steh zu dir und zu dem Kind!"
Dieses Gespräch musste sein, auch wenn es mich ziemlich an meine Grenzen brachte. Wie sehr wünschte ich jetzt, er wäre bei mir und wir könnten direkt miteinander reden, uns berühren und in den Arm nehmen. Eine Umarmung von Riku könnte ich jetzt wirklich gebrauchen.
„Ich weiß, wir haben da nicht drüber geredet, aber von der jetzigen Situation abgesehen, wolltest du denn überhaupt noch ein Kind? Bitte sei ehrlich!" Ich war gespannt auf seine Antwort und zum Glück konnte er gerade nicht sehen, dass sich meine Hände in das Sofakissen krallten.
„Bevor ich dich kennengelernt habe, hatte ich an sowas gar nicht mehr gedacht. Ich hatte meine beiden Mädels und eine neue Beziehung hatte sich bisher einfach nicht ergeben. Vielleicht war ich auch einfach noch nicht soweit." Er lächelte mich liebevoll an. „Aber seit ich mit dir zusammen bin, ist alles anders und ich habe in einigen Dingen meine Meinung geändert. Ja ich würde noch Kinder haben wollen, allerdings mit einer Bedingung." sagte er ernst und sein Blick brachte mein Herz zum schneller schlagen.
„Die da wäre?" flüsterte ich gespannt.
„Nur mit dir!" War seine direkte und alles entscheidende Antwort.
Ich war so überwältigt, dass mir wieder die Tränen kamen. Wäre ich eine Comicfigur, würden mir jetzt lauter kleine Herzen um den Kopf fliegen. „Du hast ja keine Ahnung, wie erleichtert jetzt ich bin." Ich konnte spüren, wie die Anspannung etwas nachließ.
„Ich wäre jetzt so gerne bei dir. Am liebsten würde ich in das nächste Flugzeug steigen um zu dir zu kommen." gestand er mir und schaute mich entschuldigend an. „Aber Mikko und Samu reißen mir den Kopf ab, wenn ich zu den Konzerten nicht da bin."
Ich konnte ihn verstehen und würde ihn da auch keinen Vorwurf machen. „Ist schon gut. Mir reicht erst mal auch, dass du erreichbar bist, wenn etwas sein sollte."
„Wie weit bist du denn jetzt und wann ist der Termin?" wollte er wissen und ich erzählte es ihm. „Dann haben wir ja noch etwas Zeit. Und... was ist mit deiner Ausbildung?"
„Da ich sie beenden will, muss ich verkürzen. Das heißt für mich, mit Daniel und meinen Lehrer reden und mehr lernen. Das wird stressig werden, aber ich könnte dann 6 Monate eher fertig sein, also im August oder September."
„Lilly egal was passiert, ich bin für dich da. Wenn du etwas brauchst, egal was, dann melde dich bitte bei mir. Ich kann zwar jetzt nicht zu dir kommen, umso mehr freue ich mich auf unser Wiedersehen in zwei Wochen. Schaffst du das denn alles?" besorgt schaute er mich an und in diesem Moment war ich sicher, dass wir gemeinsam einen Weg finden.
„Ich schaffe das schon. Im Moment ist das Baby ja auch noch klein und ich merke noch nicht viel von der Schwangerschaft."
„Hm... aber du sagtest selbst, dass es dir nicht so gut ging. Pass bitte auf dich auf und spiel das nicht runter."
„Ja... mal sehen wie das mit der Übelkeit weiter geht." überlegte ich, als mir plötzlich etwas einfiel. „Hier... guck mal..." sagte ich und hielt ihm das Ultraschallbild vor die Kamera.
„Das... das ist unser Kind?" Er beugte sich näher an den Monitor und ich konnte seinen erstaunten Ausdruck sehen.
„Das ist so klein..." murmelte er und in seinen Augen schlich sich ein Strahlen.
Ich lachte auf. "Das bleibt so aber nicht."
Die Stimmung zwischen uns wurde wieder gelöster und ich war wirklich zuversichtlich, dass alles gut werden würde. Wir redeten noch eine ganze Weile und machten Pläne für die nächste Zeit.
Als wir uns schließlich verabschiedeten, ging es mir schon wieder richtig gut. Es war noch nicht allzu spät, also rief ich auch Emma an, um ihr von dem Gespräch zu erzählen.
„Ich wusste doch, dass alles gut wird. Ihr liebt euch und werdet das hinbekommen!" Ich konnte ihre Erleichterung hören und musste lächeln.
Wir redeten nicht mehr allzu lange, weil ich echt ins Bett gehörte. Ich ging ins Bad und überlegte, wann der richtige Zeitpunkt war, um es Charly und Osmo zu sagen. Samu wusste es ja bereits, aber das fand ich nicht so schlimm. Riku hatte seinen Freund gebraucht und ich bin froh, dass dieser wohl die richtigen Worte gefunden hatte.
Ich legte mich ins Bett und schloss meine Augen. Unbewusst legte ich die Hand auf meinen Bauch und träumte etwas vor mich hin.

Gegen jede RegelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt