Kapitel 11

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Ich schaute auf die Uhr und war froh, dass es immerhin schon nach 11 Uhr war. Wie auf Stichwort tauchte Charlie fröhlich grinsend mit einem großen Becher Kaffee auf.
Ich sprang auf, nahm ihr den Kaffee aus der Hand und stellte ihn auf dem Boden. Dann zog ich sie in meine Arme und drückte sie fest an mich.
„Hallo kleine Schwester. Hab dich gar nicht mehr gehört, wann bist du denn angekommen?" fragte sie und strich mir durch die Haare.
Es war so schön, bei ihr konnte ich immer noch die kleine Schwester sein, egal wie alt wir waren.
„Ich glaube es war irgendwann nach 3 Uhr." antwortete ich mit belegter Stimme, da ich nun wieder an Riku denken musste.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Wie war es gestern?" Sie schob mich ein bisschen nach vorne um mich forschend anzublicken.
Ich wusste, dass ich vor meiner Schwester nichts verbergen konnte und bückte mich um den Kaffee wieder aufzuheben. Ich trank einen großen Schluck und zog sie dann ein paar Meter weiter. Leise berichtete ich ihr von den Abend und der Nacht. Es spielte sich alles nochmal in meinem Kopf ab, mein Herz klopfte laut und in meinem Bauch kribbelte es gewaltig.
Sie wusste dass wir hier vorsichtig sein mussten und hielt sich mit ihren Reaktionen zurück. Am Schluss nahm sie mich einfach in die Arme. Ich musste mich echt beherrschen um nicht los zu flennen, aber ich hielt mich tapfer.
„Es tut mir leid. Männer sind halt dumm und blind, egal was sie machen und wie alt sie sind."
Wir gingen zurück und setzten uns auf die Treppe. Ein paar Minuten wollte sie noch bleiben bis Tina aus der Schule kam. Dann würde sie Tina zu einer Schulfreundin bringen, wo sie über Nacht blieb und Charlie würde wieder hier her kommen. Wir unterhielten uns über die letzten Wochen und sie fragte wie ich mit meiner Ausbildung voran kam. Begeistert erzählte ich ihr alles und zeigte ihr die Fotos von gestern und heute.
„Wow du hast echt Talent dafür. Als Köchin wärst du nicht glücklich gewesen und ich finde gut, dass du dich nochmal getraut hast etwas Neues zu machen! Ich muss sagen, dieser Riku sieht echt gut aus. Und wie er dich anschaut ist schon sehr verdächtig. Im Normalfall würde ich dir raten dran zu bleiben, aber so weiß ich auch nicht was du machen sollst." Die letzten Sätze hatte sie mir ins Ohr gesagt und stand dann auf. „So ich muss dann mal los. Bin in 2 Stunden wieder da und bring dir was zu Essen mit."
Als sie verschwunden war, hing ich wieder bei den Ereignissen des gestrigen Tages. Ich musste mich etwas beschäftigen, holte meinen Mp3 Player raus, machte ein bisschen Musik an und schloss die Augen. Ich musste wohl weg gedöst sein, denn ich schreckte hoch als Charlie mich an der Schulter rüttelte.
„Lilly aufwachen! Habe dir noch einen Kaffee und ein Sandwich mitgebracht."
Ich streckte mich und sie reichte mir beides. „Macht es dir etwas aus, wenn ich mich hier ein bisschen umschaue?" Ich brauchte dringend ein bisschen Bewegung.
„Nein nein, geh du nur. Ich laufe nicht weg."
Ich ging automatisch in die Richtung, wo ich mit Riku heute Nacht war. Ich wollte wieder zum See, um Fotos zu machen und vielleicht auch um mich ein wenig selbst zu quälen. Mir war bewusst, dass ich in Sichtweite vom Tourbus war, aber ich zwang meinen Blick stur gerade aus. Ich stellte mich etwas Abseits ans Ufer und machte ein paar Bilder.
Nachdem ich einiges fotografiert hatte, setzte ich mich, aß mein Sandwich und trank den Kaffee. Danach blieb ich einfach sitzen, hatte meine Arme um die Knie geschlungen und schaute aufs Wasser.
Plötzlich hörte ich hinter mir Schritte und dachte schon Charlie war da, um etwas ungestörter mit mir zu reden, aber da täuschte ich mich. Ich drehte mich um und glaubte eine Halluzination zu sehen.
Riku war inzwischen bei mir angekommen, stehen geblieben und begrüßte mich mit einem schüchternen „Hi."
Es beziehungsweise er hatte mir echt die Sprache verschlagen. Wieso war er hier?
Ich räusperte mich. „Hallo."
„Darf ich mich setzen?" Er zeigte neben mich und ich nickte.
Viel zu nah setzte er sich und lächelte mich an. „Wie geht es dir? Hast du gut geschlafen?"
„Mir geht es gut. Habe gut geschlafen nur viel zu kurz. Und du?"
„Geht mir ähnlich. Obwohl ich glaube, dass ich etwas länger geschlafen habe als du."
Ich hatte immer noch meine Kamera in der Hand und spielte nervös damit rum.
„Zeigst du mir Fotos, die du gestern gemacht hast?"
Ich schaltete die Kamera an und er rückte noch ein Stück näher an mich heran. Inzwischen konnte ich wieder seinen Duft riechen und hätte gerne gewusst wie das Parfüm heißt, das mich so benebelte.
Ich fing beim ersten Bild an und stöhnte auf. Es zeigte Emma und mich vorm Konzert, wie wir Faxen machten und Grimassen zogen. Ich hatte völlig vergessen, dass wir diese Bilder gemacht hatten.
Er fand sie sehr amüsant und lachte lauthals los. Allein schon dieses Lachen reichte aus, damit alles in mir kribbelte.


Gegen jede RegelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt