Eine weitere Woche verging seitdem wir Leah einen erstmal unvergesslichen Besuch im Krankenhaus erstattet hatten. Die Klasse hatte sich wieder normal eingelebt, nachdem wir ihnen von Leah erzählten. Allerdings erwähnten wir nichts von dem krassen Überlebensinstinkt und schon gar nichts den Lehrern gegenüber. Die würden doch eh nur austicken und Erwachsenzeug machen, was sowieso nie funktionert. Natürlich machte sich jeder von uns Gedanken über Leah; Jeff, Jack und ich hatten ihr ein kleines Geschenk mitgebracht, doch sie war am schlafen gewesen. Auf jeden Fall wusste ich, dass Jeff wortwörtlich jeden Tag bei seiner besten Freundin war. Sogar eine Schulstunde hatte unser Kumpel geschwänzt um abzuhauen. Zum Glück war er ein Profi was das Fälschen von elterlichen Unterschriften angeht.
Eines Tages nach der Deutschstunde stellten sich unsere Klassensprecher Ariana und Mark vor die Tafel, um eine Durchsage zu machen, als die Lehrerin aus dem Raum schlenderte. ,,Hey! Also, wir hatten da so einen Vorschlag und zwar, dass wir diesen Freitag eine Übernachtung in der Klasse machen." Ryan hob die Hand. ,,Aber ohne die Lehrer, oder?" ,,Jaja, klar.", antwortete Ariana mit einer hellklingenden Stimme. ,,Also steht es fest? Freitag, um sechs im Klassenzimmer?" Fast alle nickten und grinsten sich erfreut an. ,,Gut, dann hätten wir das auch geklärt.", meinte Ariana und setzte sich hin, worauf die Klasse sofort wieder laut wurde.
Ich beugte mich über meinen Tisch zu Lynne, Abby, Melina und Chris rüber. Jeff und MR gesellten sich sofort zu uns. ,,Eigentlich gar nicht so dumm die Idee, oder? Mal etwas, was vom Stress ablenkt." Abby sah mich an. ,,Du meinst neben Leah und den Arbeiten? Da stimme ich zu. Ich hasse Latein!" Genervt rollte sie mit den Augen, worauf wir leicht schmunzelten. ,,Hey, kommt ihr auch alle?" Wir sahen auf und erblickten Grace und ihre beste Freundin Hailey, die auf uns zukämen und sich gegen die Fensterbank lehnten. ,,I sink so, Guurl.", antwortete Melina im perfekten Englisch-mit-deutschem-Akzent. ,,Soll dann jeder vielleicht was mitbringen?", sagte Lynne mit fragenden gräulichen Augen, nachdem sie ihre volumigen Haare über die linke Schulter gelegt hatte. Doch natürlich schloss Mark die Klassentür, um uns wahrscheinlich zu sagen, dass wir auf unseren Plätzen bleiben sollen. ,,Wir schreiben später!", zischte Chris uns allen zu, drehte sich auf Lukes Tisch und sprang auf seinen eigenen.Nachdem ich meine Eltern erfolgreich überreden konnte, über Nacht wegzubleiben, machte ich mich am Freitag mitsamt Rucksack und Schlafsack auf den Weg. Dafür nahm ich mein altes Skateboard, das ich zum 6. Geburtstag bekommen hatte, da mich Luke und Ben (der Computerfreak aus der Klasse, der ein Longboard besaß) dazu brachten, mit ihnen regelmäßig zu fahren. Ich sauste an den Leuten vorbei, machte zwischendurch ein paar Ollies und Kickflips und fuhr durch die U-Bahnstation weiter.
An der Schule war es mucksmäuschenstill. Während ich meine Kapuze aufsetzte, trat ich auf mein Board, sodass es nach oben kippte, es gegen meinen Bauch schlug, ich mich lässig dagegen lehnte und zum Gebäude aufsah.
Still lag es da, die wenigen Vögel flogen um die Schule wie Wachposten und eigentlich sah es nicht im geringsten aus wie eine Schule, in der Creepyboys (Nein, Ladys first.) Creepygirls und -boys unterrichtet werden. Zumindest nicht von außen. ,,Hey, du! Was machst du hier? Die Schule hat längst zu." Ich drehte mich und blickte zu einem ca. 16-jährigem jungen hinauf. Er hatte eine moderne braune Lederjacke an, unter welcher seine Muskeln spielten, sein Grinsen kaute auf einem Kaugummi. Erdbeere, nein, Wassermelone. Mit den Händen in den Hosentaschen sah er ziemlich beliebt aus.
,,Ach, halt die Klappe, Opfer." Kurzerhand zückte ich mein Messer, sprang zu dem Muskelprotz und stach es in seine Brust bis die Spitze das noch schlagende Herz traf. Bevor der Junge noch irgendetwas sagen konnte, fiel sein toter Körper mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden.
Zufrieden grinsend wischte ich das Messer an meinem Hoodie und meiner Hose ab und sah mich um. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass niemand sonst in der Nähe stand, steckte ich mein Messer weg und schleppte den Typen zu den Müllcontainern.,,Michael?" Ich klappte den Container nach meiner erledigten Arbeit wieder zu, drehte mich um und sah Lynne vor der Eingangstür der Schule. Sie hatte einen pechschwarzen Rock an und die Kapuze ihres Umhangs lag auf ihren Nacken, unter den buschigen Haaren. Ich lief zu ihr. Angekommen, musterte sie meine blutverschmierte Kleidung. ,,Sorry.", grinste ich verlegen. ,,Wenn ich gewusst hätte, dass du dich so anziehen wirst, hätte ich das Messersäubern gespart." Sie lächelte dankbar.
,,Keine Sorge, ist eh nur eine Übernachtung. Komm. Abby kommt später, ihr Basketballtraining geht heute etwas länger." Lynne ging vor und griff nach der Eingangstür. Doch diese ließ sich nicht öffnen. ,,Was zum...?", wunderte sich Lynne verwirrt und ich sah mich um. ,,Scheint, als ob wir nicht reinkönnen." ,,Ach, was!"
Plötzlich schlug Lynne sich die Hand vor die Stirn, sodass ich zusammenzuckte. ,,Sind wir dumm! Überleg doch mal! Ich meine, welche Schule hat noch um halb sechs auf?" ,,So wie's aussieht, keine." Neben dem Eingang auf dem Lehrerparkplatz entdeckte ich auf einmal einen Luftschacht. ,,Das könnte funktionieren.", dachte ich laut. ,,Was denn?", fragte Lynne und ich nickte mit einem grinsenden Lächeln in Richtung Schacht.
Kurze Zeit später standen wir vor dem Schachtgitter. Ich kniete mich hin, griff das Gitter und zog kräftig daran. Leider etwas zu kräftig, sodass das Gitter abging und ich nach hinten stolperte. ,,Alles okay?" Ich sah zu Lynne hoch, die sich ein Lachen unterdrücken musste. ,,Äh, ja klar.", antwortete ich, als mir plötzlich warm wurde. Ich stand auf und stellte das Gitter ab, bevor ich grinsend zu Lynne sah. ,,Ladys first." ,,Ein wahrer Gentleman, was?", grinste sie ebenfalls und kroch dann in den Luftschacht. Ich folgte ihr nach wenigen Sekunden durch den dunklen Gang.
Hier war es sehr staubig. Wir krabbelten auf allen vieren durch den kühlen Schacht. Nach kurzer Zeit spürte ich schon, wie sich der Dreck unter meinen Händen sammelte und die Spinnweben an meiner Kleidung hängen blieben.
,,Ein bisschen Sauberkeit könnte echt nicht schaden.", murmelte ich. Lynne schlich weiter, blieb aber plötzlich stehen, als eine kleine schwarze Spinne vor ihrer Nase baumelte. Nach kurzem Zögern öffnete Lynne den Mund, ihre spitzen Eckzähne blitzten auf und biss die Spinne von ihren Spinnweben.
Ich blickte über ihre Schulter und zischte grinsend: ,,Guten Appetit! Aber jetzt lass uns weiter. Das hier ist ein Luftschacht, kein Restaurant." Lynne lachte, nachdem sie die Spinne runtergeschluckt hatte und machte sich wieder auf den Weg. Es ging bergab, bergauf, nach rechts, nach links. Solange, bis Lynne ein weiteres Schachtgitter fand, unter welches ein helles Licht brannte, die Charts im Radio liefen und die Stimmen unserer Klasse redeten und lachten.
Lynne hockte sich zwischen mich und dem Gitter hin und hob es hoch. ,,Ich gehe zuerst.", sagte sie und als ich nickte, ließ sie sich langsam fallen, worauf alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet waren. ,,Lynne? Wieso kommst du aus einem Luftschacht?"
Irgendwie, fragt mich nicht wie, bin ich wie von selbst durch den offenen Schacht gefallen und landete hinter Lynne, umhüllt in einer Staubwolke. Schnell stand ich wieder auf und murmelte: ,,Hey Leute!" Währenddessen wischte ich mir den größten Dreck von der Kleidung. Ich sah wieder auf und als ich keine Antwort bekam, meinte ich: ,,Keine Sorge, ich schätze, ich bin der Letzte, der durch den Schacht kommt." Einige aus der Klasse lachten, dann wandten sie sich wieder anderen Dingen zu.
Ich ging mit Lynne auf Chris, Melina, Grace, MR und Jeff zu, die neben einem Tisch voller Snacks und Getränke standen. Hailey stand lachend bei Sleana, IW, Alice und Skye. Kurzerhand warf ich meinen Rucksack und Schlafsack in die Ecke zu den anderen Taschen. ,,Hey Leute!", begrüßte Lynne sie dann und ich gab den Creepyboys ein High-Five. Nachdem ich auf mein Handy geschaut hatte, kam Grace mit festen Schritten auf mich zu. Fragend sah ich sie an, doch sie seufzte: ,,Michael, du siehst mal wieder unerträglich aus." Schon fing sie an meine Frisur zu perfektionieren. Mit einem genervten Blick ließ ich sie, doch als sie zum Schluss meine Haare zerstrubbelte, als wäre ich irgendein Hund, wich ich ihrer Hand aus und stellte mich mit einem Grinsen vor die Clique. ,,Also, wer hat Bock rauszugehen?"
,,Bin dabei.", hörte ich plötzlich Abby neben mir. ,,Okay, dann lasst uns los, Freunde.", sagte Chris. Grace sagte noch kurz ihren Mädels Bescheid, dann liefen wir durch die Klassentür hinaus.
Draußen waren nicht nur wir unterwegs. Kleine Grüppchen aus der Klasse wanderten umher, Jack zeigte Tom und Fred wie er sich verwandelt und Kathy verbrachte mit ihrer Puppe und Deanna die Zeit mit einem Fotoshooting.
Mit Jeff, Chris, MR, Melina, Grace, Abby und Lynne schlenderte ich über den Schulhof. Der Wind brachte eine kalte frische Brise mit sich mit und wir alle unterhielten uns lachend über die neusten Sachen. Nur Jeff war der einzige, der nicht ganz bei der Sache war. Mit dem aufgeschnitzten Gesicht sah er auf den Boden und kickte einige Steine, die im Weg waren, beiseite, während MR mal wieder ihren üblichen Lachflash hatte.
,,Immer wieder das gleiche mit dir, MR."
,,Hey Abby, gib mir mal den Stein da vorne."
,,Ich denke, das mit dem Stein hat noch etwas Zeit."
,,Sehe ich auch so. Hey Jeff, weißt du noch, als wir mal nachts unterwegs waren und MR dann plötzlich lachend auf der Straße lag? Jeff? Hey, Jeff!"
Ich hielt die Schulter meines Kumpels und schüttelte sie etwas. Unser Freund starrte mich an und schob meine Hand wieder weg. ,,Jaaaah, ich habe zugehört.", meinte er mit tiefer Stimme. Allerdings klang das nicht ganz überzeugend. Und als ob wir nicht schon gesehen hätten, wie genervt bzw. wie gereizt er war, setzte Grace noch eins drauf: ,,Ach echt? Worüber haben wir denn geredet?" Sie stemmte die Arme in die Seiten und stieß Chris kurz darauf in die Rippen, als er Jeff helfen und MRs Namen aussprechen wollte. Jeff murmelte jedoch nur zischend: ,,Ach, halt die Klappe." ,,Hey, immer schön ruhig bleiben, Bro.", warnte ihn Melina und legte schützend eine Hand auf Graces Schulter. Ich sah Jeff von der Seite and und wusste sofort, an wen er dachte. ,,Keine Sorge, Buddy. Bald kann Leah wieder raus um dich zu vermöbeln.", grinste ich und alle mussten lachen. Auch Jeff lächelte wieder. Doch dann wanderten seine vergrößerten Augen über mich hinweg.
In ihnen spiegelte sich blankes Entsetzen wieder. Unser aller Lachen verstummte und wir drehten uns in die Richtung, in die der Serienmörder hinstarrte. Vor uns stand das Schulgebäude in Flammen.
DU LIEST GERADE
CREEPY-KLASSE
HumorEine kleine Horrorstory, die aus der Sicht des 14-jährigen Michael Dawsons erzählt und erlebt wird. Mit seinen Freunden und seiner Klasse erlebt er viele coole, lustige und natürlich bescheuerte Momente. Was steckt hinter den beiden Schwestern Abby...