Melinas Hochzeit

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Der nächste Morgen in der Schule war schon sehr überraschend. Und ich meine nicht, dass ich in Erdkunde eine eins bekommen habe, sondern Melinas Ankündigung über eine Hochzeit. Nach dem Unterricht versammelte sich die Clique in der gewohnten Pausenecke, alle umkreisten das Mädchen mit den türkisen Haaren und den acht, simplen Tattoos. Melina schien super aufgeregt zu sein, bis wir auf den Schulhof ankamen. Chris steckte die Hände in die Hosentaschen und sah sie an. ,,Also, Melinski. Deine Eltern heiraten also?" ,,Quatsch!", rief Melina empört und sofort erhellte sich wieder die Miene des Creepygurls. ,,Ich werde heiraten! Und zwar Tatjana!" Sie quieckte vor Aufregung, während wir alle gratulierend klatschten und Jeff sich als einziger die Hand aufs Gesicht schlug. ,,Irgendwie war das auch so klar." ,,Und ihr seid alle eingeladen!", verkündete Melina überglücklich weiter und wir alle jubelten auf, um gleich danach Treffpunkt, Zeit und Party für die Hochzeit zu planen.


,,Ich glaube, hier in der Nähe ist es." Leah führte uns in eine stille Siedlung, wo einzig und allein nur die nachtaktiven Tiere Geräusche von sich gaben. Ich schlich Jeff hinterher, zwischen uns eine Reihe von hohen Büschen und Gartenbäumen. Chris, MR, Abby, Lynne und Melina blieben ebenfalls still hinter uns. Melina hatte sich mit Abby und Lynne ein freshes Hemd ausgesucht, darunter trug sie ein helles und gedrucktes T-Shirt.

Wir gingen weiter bis Leah anhielt, uns mit einer Handbewegung zum stoppen brachte und kurz daraufhin auf ein kleines Häuschen einige Meter vor uns deutete. Die kalten Wände standen aufrecht da, doch das dunkelrote Ziegeldach lag ein wenig schief. Wir schlichen lautlos auf das kleine Gebäude zu, bevor wir uns in einer Reihe aufstellten und es uns ansahen. ,,Da!", flüsterte MR auf einmal und zeigte auf ein kleines Fenster vom Keller, hinter dem noch Licht brannte. Man hörte ein kurzes Schlurfen von Arbeitsschuhen, dann folgte ein gleichmäßiges Hämmern und Sägen. ,,Hmm, da ist noch wer drin.", murmelte ich mehr zu mir selbst und drehte mich zu meinen Freunden um. ,,Ich mag keine unerwünschten Gäste auf Partys, also lasst ihn uns umlegen. Passt auf, ich habe auch schon einen Plan..."


Der ältere Herr war an seiner Werkbank beschäftigt. Es war inzwischen elf Uhr abends und er stellte seine geschnitzten Holzfigürchen zurecht. Plötzlich ein Wispern. Der Mann hörte auf, um zu lauschen. Er spitzte verwundert die Ohren und nahm tatsächlich ein leises Flüstern wahr. Verwirrt ließ er seine Arbeit stehen, wischte seine öligen Hände an einen Lappen ab und taumelte auf den steinigen Flur. Die anderen Türen aus Holz waren sicher verschlossen und trotzdem hörte er ein Flüstern. Es klang wie: ,,We will kill you." Ein leichter Schauer fuhr seinen Rücken hinunter. Sein Englisch war nicht perfekt, aber er wusste genau, welche Bedeutung das kill hatte. Der Mann machte einen Schritt nach vorne und das Flüstern hörte auf. Er blieb stehen und wartete. Mit einem Mal ertönte irgendwo ein lautes, spitzes Fauchen, das den Mann unwillkürlich zusammenzucken ließ. Sein Herz klopfte schneller und er blieb weiterhin stehen. Sein Blick schnellte nach rechts, als er ein hohles Kratzen hörte. Mit großen Augen sah er die kleinen, teuflischen Tattoo-Zeichnungen, die böse lachend die Rohre hinunter rutschten und wie kleine Monster auf den Mann zutapsten. Der Kerl ging hastig ein, zwei Meter zurück, doch weiter kam er nichts. Der plötzliche Stromausfall ließ ihn vor Schreck aufschreien. Er hielt wieder seine Klappe, als er schlurfende Geräusche im Dunkeln hörte.

Okay, der Typ tat mir schon Leid. Denn gerade ging das Licht an und er entdeckte Jeff und mich. Wir beide standen cool Rücken an Rücken, mit aufgestülpten Kapuzen und erhobenem Messer. Wir hielten unsere Position ohne die kleinste Bewegung stand, ich mit ausdruckslosem Gesicht und Jeff mit dem psychischen aufgeschnitzten Grinsen. Dieses hatte er noch vorhin etwas erneuert, sodass sein Blut aus den Wangen herausfloss und seinen bleichen Hals hinunter rannte.

Wir beide standen mit etwas Abstand vor dem Mann, der vor lauter Angst kein Wort herausbekam. Genau drei Sekunden später kamen die anderen dazu. Abby hangelte sich von Rohr zu Rohr und ließ sich lautlos und leicht hinter Leah nieder. Lynne stellte sich neben mich und Chris bildete mit MR und Melina das Ende. Dann herrschte Totenstille. Ich spürte Lynnes böses Lächeln. Niemand sagte etwas.

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