Einhundertzweiundzwanzig

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Die Busfahrt nach Venedig dauerte eine halbe Ewigkeit. Der Bus war eng, stickig und überfüllt. Keine Ahnung wie meine Schule es geschafft hat, hier zwei Klassen unterzubringen. Natürlich hatte ich am Anfang gestreikt, ich wollte nicht einsteigen. Mom, Till und Luke sahen es ähnlich. Sie wollten, dass ich und Till mit dem Auto hinterherfahre oder ich runter fliege. Ich wäre damit natürlich einverstanden gewesen, aber meine Lehrer nicht. Zu meinem großen Vergnügen, war mein geschätzter Wirtschafts- und Sozialkunde Lehrer mit gekommen. Der, der mich suspendiert hat.
Schlussendlich hatte ich mich an Luke gehangen und mich mit ihm auf einen Doppelsitz gezwängt. Gott sei Dank, lenkte er mich die hälfte der Zeit über mit Musik, Filmen oder Essen ab. Die andere Hälfte schlief ich. Bei jeder Pause die wir einlegten, sprang ich als erste aus dem Bus und lief hin und her.

Der Bus stoppt vor einem hellen Gebäude und wir werden rausgeworfen. Schnell sammle ich meine Sachen ein und gähne ausgiebig. "Müde?", fragt Luke schmunzelnd. Ich nicke und fahre mir durch meine zerzausten Haare. "Dabei hast du so tief geschlafen", "Hab ich geschnarcht?", "Nee, nur ein bisschen. Aber du hast mich voll gesabbert." Peinlich. "Sorry", murmele ich. "Ach, das ist nichts neues für mich. Das machst du ständig." Peinlich hoch zehn. Mit roten Kopf steige ich die Stufen hinab und stelle mich zu Sophia und Ava. Ava sieht genauso gefickt aus wie ich, während Sophia wie aus dem Ei gepellt neben mir steht. "Wie schaffst du das bitte?", frage ich sie verwirrt. "Hab mich bei der letzten Pause auf die Tankstellen Toilette verzogen und mich frisch gemacht. So schaffe ich das.", antwortet sie. "Aha" Gott, ich bin so müde! Ich hoffe ich kann gleich ins Bett. Vorher brauche ich aber noch was zu essen.

"Die Zimmerverteilung ist soweit klar?", fragt mein Lieblingslehrer. "Ja!", ruft die Schülerschaft. Luke schlendert zu mir rüber und nimmt mir meinen Koffer ab. "Luke, Clarissa, keine Annäherungsversuche.", belehrt er uns sofort. "Echt jetzt?!" Luke wirft ihm einen genervten Blick zu. "Ich darf doch wohl meine Freundin im Arm halten!", "Nicht auf dieser Fahrt. Ich bin mit 23 Schülern hergefahren, ich will nicht mit 24 zurückkommen.", rechtfertigt er sich. Verständnislos blicke ich ihn an. "Als würden wir nicht wissen, wie man verhütet.", brummt Luke. "Tja, so ist das eben. Deshalb ist eine geheime gleichgeschlechtliche Partnerschaft in solchen Dingen von Vorteil. Ratet mal wer mein Zimmergenosse ist!", raunt Mike uns zu und blickt schelmisch zu Ashton. "Hauptsache ihr habt ein Zimmer am anderen Ende des Flurs", murmele ich und hake mich bei Sophia, alias meine Zimmergenossin, unter. Die Paare wurden ausgelost. Ich hatte echt Glück, aber Ava hat Ophelia erwischt. Das kann was werden.
Bereits vor unserer Abreise habe ich meine Zeugenaussage geübt, falls Ava Ophelia umbringt.

***

Sophia und ich laufen lachend zu unserem Zimmer. "Ich will unbedingt morgen schon Shoppen gehen! Kommst du mit?", fragt sie mich. "Klar!", rufe ich. "Cool. Also, hast du das W-Lan Passwort? Wir müssen unsere Route raussuchen." Sophia macht immer eine komplette Mission aus einem einfachen Shopping Trip.
Sie schließt unser Zimmer auf und kreischt sich die Seele aus dem Leib, nachdem sie einen Blick reingeworfen hatte. "O mein Gott!", wispere ich begeistert. Verdammt, es ist wunderschön hier! Der alte Italienische Flair kommt perfekt rüber. Ich fühle mich in die 50er zurück versetzt.
Überall ist dunkles Holz und Gold eingearbeitet. Neben aufwendigen Stuck arbeiten an den Wänden, ist auch die Decke mit einem riesigen Gemälde verziert. Fantastisch!
Ich reiße die Gardinen auf und begutachte den Ausblick. Nicht besonders spektakulär. Eine andere Häuserwand direkt gegenüber.
Ich zucke mit den Schultern, stelle meine Tasche auf einen Polsterstuhl. Ich blicke zu Sophia, die schmunzelnd vor dem großen Bett steht. Wir nehmen Anlauf und schmeißen uns auf das Prunkstück im Raum. Wie erwartet ist es so gut gepolstert, dass wir wieder ein wenig hochfliegen. Ich verschränke meine Hände unter meinem Kopf und sehe an die Decke. "So lässt es sich Leben", gebe ich seufzend von mir. "Oh ja!", stimmt Sophia zu. Ich schließe wieder meine Augen und kuschele mich ein.
Ein Klopfen stört meine Ruhe.
Ich mache ein Auge auf und spähe zur Tür. "Wer wagt es-", "Ich gehe schon" Sophia rappelt sich auf und läuft zur Tür. "Für dich" Sie tritt einen Schritt zur Seite und lässt mir so freie Sicht auf meinen Freund und auf meinen Bruder. "Was wollt ihr?", frage ich genervt. "Wir haben essen", "Tretet ein" Ich winke sie herein. Die beiden kommen rüber und stellen zwei Pizza Kartons vor mir ab. Sophia schließt die Tür, wirft sich neben mich und angelt sich ein Stück Pizza. "Meine erste richtige Pizza!", ruft sie begeistert. Ich greife mir auch ein Stück und stoße mit ihr an. "Gute Idee von euch", sage ich mit vollem Mund zu den beiden Jungs gegenüber. "Wir haben nur gute Ideen", erwidert Till und stopft sich ein Stück auf einmal in den Mund. Himmel, diese Pizza muss man genießen! Man kann die doch nicht einfach so- Na ja. Mein Bruder eben. "Ich wusste gar nicht, dass ihr euch ein Zimmer teilt.", sage ich. "Tun wir auch nicht", zischt Luke. "Was ist? Innerhalb weniger Sekunden zum Miesepeter mutiert?" Ich ziehe eine Braue hoch. "Er ist sensibel was dieses Thema angeht", erklärt Till. "Wieso?", "Wieso? Weil ich mir mit diesem Marvin ein Zimmer teilen muss!" Wer ist Marvin? "Er meint Melvin", beantwortet Till unsere unausgesprochene Frage. Sophia und ich wechseln einen Blick. Oh oh.
"Das heißt also dein Freund teilt sich ein Zimmer mit deinem Ex. Herzlichen Glückwunsch!" Soph lächelt leicht. "Lass dich ja nicht von ihm provozieren! Der redet nur dummes Zeug!", rufe ich sofort. Luke nickt. "Er nervt jetzt schon. Ich wollte das Zimmer wechseln. Till und Calum teilen sich eins. Calum war bereit zu Marvin zu gehen und ich zu Till, aber euer beschissener Anstands wau wau  meinte es geht nicht."
Na wunderbar.

The Exchange Student ( Luke Hemmings FF ) WIRD ÜBERARBEITETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt