86.Kapitel

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Eine Woche  ist seit meiner Begegnung mit Zakaria vergangen. Wie ich mich gefühlt habe? Irgendwie seltsam. Ich kann es nicht beschreiben. Ich habe sofort gemerkt, dass wieder ein Mensch mein Leben verlassen hat. Seine Präsenz war einfach von heute auf morgen verschwunden. Ich vermisste diese Stimme, die mich jeden morgen anrief und nach mir fragte. Diese Stimme, die mir immer nur Mut zusprach in jeglicher Hinsicht. Dieses wunderbare Lächeln, das einen ansteckte, auch wenn es einem nicht zu Mute war.  Wir haben uns zwar selten außerhalb des Krankenhauses getroffen, doch allein der wunderbare Kaffee und die ausgesuchten Törtchen von ihm, haben unsere Verbindung immer mehr gestärkt. Ein Jahr ist seit meiner Reise nach Kanada vergangen. In diesem Jahr habe ich so viel mit Zakaria erlebt und durchlebt. Er wich mir nie aus der Seite und jetzt war er fort, ohne mir zu sagen, wohin es geht und was der Auslöser für sein Verschwinden war. Ich habe in der Woche jedes Mal darüber nachgedacht, was es sein könnte, doch ich kam zu keinem Ergebnis. Ich habe mich so schlecht gefühlt, denn es wäre das Mindeste gewesen, dies herauszukriegen. Vielleicht hätte ich dann seine Entscheidung besser verstanden und akzeptieren können. Ich bin jetzt 25 Jahre alt, habe meine Eltern und meine Geschwister an meiner Seite, ich habe erfolgreich mein Studium beendet und mein Referendariat endet auch in zwei Monaten. Nach meiner Reise in Kanada, habe ich mich nur auf das Referendariat fokussiert und für nicht anderes gearbeitet und jetzt stehe ich auf dem Pausenhof und sehe wie die Kinder miteinander spielen. Ich bin so stolz auf mich und mein Werk, für das ich so hart gearbeitet habe. Ich schaue mir die Kinder und das Schulgebäude an und mir wird klar, dass ich bald mein Traum erreicht habe, dennoch fühlte ich mich nicht vollkommen. Ich sollte glücklich sein, doch das war ich nicht. Woran lag das? Fühlte ich mich einsam? Ich legte meine Gedanken bei Seite, da ich einen kleinen Jungen auf der Treppe sitzen sah. Er saß dort alleine und wischte sich eine Träne weg. Ich ging langsam auf ihn zu und setzte mich zu ihm.

Ich:" Wie heißt du, wenn ich fragen darf?"

'' Ich heiße Jakob."

Ich:" Du hast aber einen schönen Namen."

Jakob:" Dankeschön."

Ich:" Möchtest du mir sagen, warum du alleine bist und weinst?"

Jakob:" Helfen sie mir dann?"

Ich:" Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann, aber wenn du mir alles in Ruhe erzählst, können wir weiter sehen."

Jakob:" Meine Eltern haben sich getrennt und ich kann mir nicht erklären warum. Sie haben nie gestritten, sich nie angeschrien oder den Anschein gemacht sich nicht zu verstehen. Wir waren immer gemeinsam im Urlaub und haben gelacht und waren glücklich. Am Wochenende hat mein Vater seine Koffer gepackt und mir in Ruhe erklärt, dass er in Zukunft woanders wohnen wird. Er hat gesagt, dass er und Mama sich scheiden lassen werden. Ich habe ihn gefragt warum, aber er hat nur auf den Boden geschaut  und mir gesagt:'' Mein Junge eines Tages wirst du das verstehen.''

Der kleine Jakob tat mir so leid und es zerbrach mir das Herz ihn so leiden zu sehen. Er hatte die ganze Zeit geweint und verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand ihn am Besten, denn auch ich wurde verlassen, ohne jegliche Gründe dafür zu wissen.

Ich:" Weißt du Jakob manchmal verlassen uns die liebsten Menschen in unserem Leben, obwohl wir das gar nicht wollen. Sie gehen von heute auf morgen, obwohl wir uns noch nicht darauf vorbereitet haben. Uns tut das sehr weh, weil wir diese Menschen sehr lieben, aber kein Mensch tut so etwas ohne Grund. Dein Vater wird seine Gründe gehabt haben. Du wirst sie vielleicht nicht verstehen können, aber er sagt selbst, dass du ihn eines Tages verstehen wirst. Deine Eltern haben sich nichts anmerken lassen, damit du nicht traurig wirst. Jakob es mag für dich schwer werden, aber du wirst darüber hinweg kommen. Du wirst größer, erwachsener und verständnisvoller. Wer weiß vielleicht hat diese Trennung auch seine guten Seiten und dies wirst du erst später merken."

Jakob:" Bei ihnen hört sich das alles halb so schlimm an."

Ich:" Mach das Beste daraus. Du darfst trauern Jakob, aber vergeude deine Zeit nicht mit viel Traurigkeit. Du bist noch jung und wirst in deinem Leben so viel erleben, dass es sich nicht lohnt traurig zu sein. Außerdem hat dein Vater dich nicht für immer verlassen. Du wirst ihn so oft wie möglich sehen und wer weiß, vielleicht werden deine Eltern gute Freunde."

Jakob:" Sie haben recht. Ich darf nicht traurig sein."

Ich:" So gefällst du mir schon besser."

Jakob:" Dankeschön."

Ich:" Keine Ursache, wenn was ist, kannst du immer wieder zu mir kommen."

Der kleine stand auf, lächelte mich an und ging auf den Fußballplatz. Ich fühlte mit ihm. Er war ein kleiner Junge, doch das Gespräch war eine Therapie für uns beide. Die Therapie brachte was bei ihm. Er nahm sich meine Worte zu Herzen, doch ich glaubte mir selber nicht. Ich konnte Zakaria nicht aus meinem Leben streichen ohne zu wissen, was der ausschlaggebende Punkt war, mich zu verlassen. Die Kinder wurden abgeholt und ich packte meine Sachen zusammen. Im Lehrerzimmer war niemand außer mir und der Direktorin.

Ich:" Ich wünsche ihnen noch einen schönen Feierabend."

Frau Wirtz:" Wir waren doch beim DU gelandet Nouhaila."

Ich:" Es tut mir leid ich habe mich nur an das Sie gewöhnt."

Frau Wirtz:" Überhaupt kein Problem. Ich wollte noch kurz mit dir sprechen."

Ich setzte meine Tasche ab und ließ mich auf den Stuhl fallen, da es unfreundlich gewesen wäre, stehen zu bleiben.

Frau Wirtz:" Ich habe deine Arbeit der letzten Monaten genau überprüft. Ich habe mir Notizen gemacht und mit allen Kollegen gesprochen und wir sind der Meinung, dass wir einen sehr großen Verlust machen würden, wenn du nach deinem Referendariat gehen würdest. Wir haben uns sehr an dich gewöhnt und die Kinder genau so. Dein Unterricht ist wirklich super vorbereitet und du weißt was du da tust. Die Kinder liegen dir sehr am Herzen und deine pädagogische Arbeit ist beeindruckend. Ich habe das Gespräch mit Jakob mitbekommen und du beweist uns jedes Mal, dass du für diesen Beruf geboren wurdest. Wir möchten dir dein Karriere ein wenig erleichtern und dich nach deinem Staatsexamen direkt aufnehmen. Ich bin mir im Klaren, dass du dir vielleicht was anderes vorgestellt hast, aber dennoch würden wir uns freuen, wenn du dir darüber Gedanken machst."

Ich:" Waow ich weiß gar nicht was ich sagen soll ich bin total sprachlos. Ich werde auf jeden Fall darüber nachdenken, doch ich bezweifle sehr stark,  dieses Angebot nicht annehmen zu wollen. Ich finde es wirklich schön hier."

Frau Wirtz:" Das freut mich doch. Jetzt möchte ich dich nicht länger aufhalten und genieße dein Wochenende."

Ich:" Gleichfalls bis Montag."

Ich ging raus und setzte mich in mein Auto. Ich konnte es noch nicht fassen. Ich hatte einen Jobangebot bekommen, weil ich mit meiner Arbeit Aufmerksamkeit erregt habe. Ich hätte nie damit gerechnet, aber ich kam meinem Traum wieder ein Stückchen näher und das war mein Halt. Mein Traum, Lehrerin zu werden, war der Sinn meines Lebens, denn alles Andere ergab keinen Sinn mehr.


Eine Liebe mit Schmerz ,Kummer &HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt