10. Kapitel

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Ich höre wie die Tür hinter mir ins Schloss fällt und fahre erschrocken herum. Vor mir steht er. Ich halte die Luft an. Er sieht gut aus, in seinem weißen Hemd und seiner dunklen Jeans. Seine braunen Haare sitzen perfekt und seine blauen Augen durchbohren mich mal wieder mit seinen Blicken. Es ist der Jogger. Ethan ist der Jogger. Der Jogger. Warte... Was?!

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Ethan McLeod

„Sie müssen Miss Conner sein. Ich bin Mr. McLeod.", spricht er langsam. „Äh, ja. Bitte nennen sie mich Jodie. Können wir uns duzen?", platze ich sofort heraus. Miss Conner hört sich so schrecklich alt an... „Wenn's sein muss. Dann nenn mich bitte Ethan.", meint er und setzt sich an den Tisch. Ich nehme neben ihm Platz und frage: „In welchem Semester bist du?" Er schaut mich eine Weile an und antwortet schließlich: „Im Zweiten, so wie du." Woher weiß er das? „Dann bist du auch 20 Jahre alt?", frage ich vorsichtig. „Nein, ich bin 23 Jahre alt und können wir jetzt anfangen?", sagt er mit kalter Stimme und legt seine Sachen auf den Tisch. Seufzend mache ich mich an die Arbeit. Ich erkläre ihm alles, was er nicht versteht und mache einige Übungen mit ihm. Die meiste Zeit rede ich und er sitzt nur still dran und nickt ab und an mal. Der macht mich echt noch verrückt. Wie hält man es mit dem nur aus?

Nach zwei Stunden, stehe ich auf und packe mein Zeug zusammen. „Bis Morgen, Ethan.", verabschiede ich mich und lächele ihn an. „Tschüss.", erwidert er ohne mich anzuschauen. Ich verlasse das Zimmer und gehe die Treppen hinunter Richtung Haustür. „Miss Conner?", ertönt Mr. Smiths Stimme hinter mir. Ich drehe mich fragend zu ihm um. „Haben sie nicht noch Lust einen Kaffee zu trinken?", bietet er mir an. Ich überlege einen Moment. Warum eigentlich nicht? Ich könnte mehr über Ethan erfahren... Ich nicke und folge ihm in die Küche.

Eine etwas ältere und eher pummelige Frau, bereitet gerade den Kaffee zu. Ich setze mich zu Mr. Smith und auch die pummelige Frau setzt sich zu uns, nachdem sie uns den Kaffee serviert hat. „Ich bin Eva und das ist mein Mann, Peter.", sagt die Frau, deutet auf Mr. Smith und reicht mir die Hand. „Jodie.", sage ich ihnen meinen Namen und schüttele ihre Hand. „Wie lief es mit Ethan?", erkundigt sich Peter.

„Ganz gut. Er redet aber nicht besonders viel, nicht wahr?", antworte ich ihm. „Da hast du Recht. Vor dir waren schon drei Männer da und haben ihm Nachhilfe gegeben, aber er hat sie alle vergrault." Ich schaue Mr. Smith entsetzt an. „Wahrscheinlich hat Mr. McLeod deswegen jetzt mal eine Frau eingestellt.", meint Eva. „Mag Mr. McLeod keine Frauen?", frage ich verwundert. „Seine Frau ist vor 16 Jahren gestorben, seitdem denkt er, dass Frauen einen nur von der Arbeit abhalten. Ethan war damals gerade mal 7 Jahre alt. Seitdem hat Ethan sich verändert.", erzählt Peter.

„Was meinen Sie damit?", frage ich und schaue beide an. Peter seufzt und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. Eva schaut mich eine Weile an, ohne etwas zu sagen. Schließlich erzählt sie: „Er hat nach dem Tod seiner Mutter nie mehr geweint. Er hatte mal eine Katze, wenn er mit ihr alleine war, hat er immer gelächelt und gelacht. Er weiß nicht, dass wir das gesehen haben. Er hat nur dann gelacht... Eines Tages hat sein Vater, die Katze ausversehen überfahren, vor seinen Augen. Ethan hat nicht eine Träne vergossen. Er hat keine Miene verzogen. Er hat sich einfach umgedreht und ist spielen gegangen. Gelacht hat Ethan seitdem auch nicht mehr... Mr. McLeod hat nie Zeit für ihn. Er ist ja immer unterwegs, deswegen weiß Ethan auch gar nicht was Liebe ist. Er war sehr einsam als Kind und das ist er jetzt auch noch. Er lässt niemanden an sich heran! In die Uni geht er auch nie... Er schaut sich sie Vorlesungen immer nur online an und taucht nur bei Prüfungen dort auf."

Ich brauche eine Weile, um das alles zu verarbeiten. Deswegen ist Ethan immer so kalt zu mir. Ich dachte er kann mich vielleicht nicht leiden... „Wo ist Ethan jetzt?", frage ich und stehe auf. „Vermutlich im Garten.", beantwortet mir Peter meine Frage. „Danke, auf Wiedersehen.", verabschiede ich mich hastig und verlasse die Küche. Ich mache mich auf die Suche, nach einer Tür, die in den Garten führt und finde auch eine. Ich stürme hinaus und schaue mich suchend um. Ich entdecke Ethan auf einer Bank und gehe auf ihn zu.

Ich bleibe einige Meter hinter ihm stehen und sage: „Als deine Nachhilfelehrerin, muss ich auch testen, wie fit du bist. Heute Abend, um 19 Uhr, vor deinem Haus, ja? Wir gehen zusammen joggen." Er antwortet mir nicht und bewegt sich keinen Millimeter. „Ich werde da sein.", füge ich noch unsicher hinzu und drehe mich um. Ich gehe zu meinem Auto und steige ein. Ich fahre nach Hause und frage mich, was ich da eigentlich gerade getan habe. Noch peinlicher ging es nicht, oder?

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