54. Kapitel

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Leb wohl...

°Jodies Sicht°

Der Pfarrer hält seine Rede, doch ich höre kaum zu. Die Menschen um mich herum, weinen oder starren stumm vor sich hin. Alle umklammern ihre Regenschirme, als würden sie tief fallen, wenn sie loslassen würden. Mehrere Verwandte sind gekommen, seine Freunde und einige von der Uni. Ich habe meine Arme eng um meinen Körper geschlungen. Der Regen prasselt auf das Grab und den Sarg hinab. Ethan hält einen großen Regenschirm über uns beide. Ich habe das Gefühl, als würde mich die Erde mit in das Grab ziehen und mich einhüllen.

Meine Augen brennen und ein Tränenschleier, lässt mich alles nur verschwommen sehen. Ich fühle mich, wie unter einer Glaskuppel, abgeschnitten von dem Rest, der Welt. Ich werde nie wieder zu Finn ins Bett kriechen können, wenn ich nicht alleine sein möchte. Nie mehr werde ich sein Lachen hören. Niemals wird er mehr in der Küche stehen und für uns kochen. Meine Tränen verlassen meine Augen. Unaufhaltsam laufen sie mir über meine Wangen. Träne für Träne, bahnt sich ihren Weg, über mein Gesicht.

Finn... Warum du? Warum ausgerechnet du?! Irgendwo in meiner Brustgegend, schmerzt es unaufhörlich. Ein lauter Schluchzer verlässt meinen Mund und ich halte ihn mir schnell mit meiner Hand zu. Meine Tränen stauen sich an meiner Hand, sodass diese ganz nass wird. Als sie dann auch noch Finns Lieblingslied spielen, bin ich endgültig am Ende meiner Nerven. Kraftlos sinke ich auf den nassen Boden und weine leise vor mich hin. Ethan versucht mich wieder hochzuziehen, doch ich schüttele seine Hand ab. Ich bekomme gar nicht mit, wie sie den Sarg in das Grab hinablassen. Einige Leute, werfen Rosen in das Grab und verschwinden dann.

Erst als Ethan mich mit Gewalt auf die Beine zieht, stolpere ich zum Grab, werfe eine Rose hinein und wende mich dem gehen zu. Er begleitet mich, bis zu meinem Auto. Besorgt schaut er mich an. „Soll ich noch mit zu dir kommen? Du siehst echt fertig aus und ich mache mir wirklich sorgen, um dich. Ich habe die ganze Woche nichts von dir gehört..." Ich schüttele meinen Kopf und antworte: „Sorry... Ich wollte alleine sein. Und jetzt würde ich das auch gerne sein. Ich komme gegen Abend vorbei, ja?" „Okay. Versprich das du dich ausruhst und wenn was ist, dass du anrufst!" „Versprochen!", entgegne ich und steige in mein Auto ein. Ich fahre zurück zur Wohnung und verkrieche mich in meinem Zimmer.

Nach einer Weile, stehe ich wieder auf und gehe zum Kühlschrank. Seufzend stelle ich fest, dass ich keinen Alkohol mehr habe. Ich möchte zurück in mein Zimmer, mache jedoch bei Finns Zimmer halt. Zögernd betrete ich es. Sein Bett ist wie immer gemacht. Auf dem Schreibtisch ist alles genau sortiert. Ich öffne seinen Schrank, auch seine Klamotten sind ordentlich eingeräumt. Vorsichtig ziehe ich ein T-Shirt aus dem Schrank und rieche daran. Finns Klamotten riechen immer auf mysteriöse Weise, nach Mango. Wie ich diesen Geruch liebe! In seinem Regal, stehen mehrere Bilderrahmen. Auf einem Bild, sind Mick, Lucy, Finn und Ich, zu sehen. Auch ich besitze so ein Bild. Auf einem anderen, lachen wir beide glücklich in die Kamera, während er mich huckepack trägt.

Ein anderes Bild zeigt uns beide im Bett, während ich schlafe und er frech in die Kamera grinst. Ich weiß genau, wie peinlich ich das Foto fand, da er es gemacht hat, als ich geschlafen habe. „Durch dieses Foto werde ich mich immer daran erinnern können, dass du, wenn du nicht schlafen konntest, zu mir gekommen bist." Das hatte er damals zu mir gesagt und ich konnte ihm einfach nicht böse sein. Wird dieser Schmerz irgendwann nachlassen?

„Der Schmerz wird nie aufhören, aber man gewöhnt sich einfach an ihn." Ethans Worte hallen in meinem Kopf wieder... ich hoffe nur, dass er recht hat. Ach Ethan... Ich habe die ganze Woche über, mir viele Gedanken gemacht. Alles hier erinnert mich an Finn. Einfach alles. Die Uni, die Menschen um mich herum, die Wohnung und viele Orte. Ich habe einen Entschluss gefasst und diesen möchte ich später Ethan mitteilen. Auch wenn ich Angst, vor seiner Reaktion, habe...

Die Zeit vergeht schnell und gegen Abend mache ich mich, zu Fuß, auf den Weg, zu Ethan. Der Regen hat aufgehört und die Sonne scheint leicht durch die Baumwipfel. Als ich vor dem großen Eisentor stehe, hole ich tief Luft. Doch gerade als ich klingeln möchte, ruft jemand hinter mir, meinen Namen. Ich wirbele herum und sehe Ethan, auf mich zu joggen. „Da bist du ja.", begrüßt er mich grinsend. „Ja, da bin ich...", murmele ich zurückhaltend. „Alles okay?", fragt er vorsichtig. „Wie könnte alles ‚okay' sein?", antworte ich seufzend.

„Komm erstmal rein.", versucht er mich aufzumuntern. „Ethan... ich muss mit dir reden.", beginne ich zögernd. „Klar, aber lass uns erstmal reingehen, ja?", entgegnet er lächelnd. „Nein, ich...", stammele ich. „Was denn?", möchte er besorgt wissen und kommt auf mich zu.

Doch ich weiche vor ihm zurück. Verletzt schaut er mich an und lässt seine Hand sinken, die er gerade nach mit ausgestreckt hat. „Jodie, was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?" „Ethan... nein hast du nicht." „Was ist es dann?", hakt er verunsichert nach. „Hör zu... Alles, einfach alles, erinnert mich hier an Finn. Die Uni, verschieden Orte, die Wohnung und auch die Menschen um mich herum.", fange ich an zu erklären. „Wegen der Wohnung... du könntest zu mir ziehen.", bietet er mir an. „Ethan... tut mir leid. Ich weiß, das klingt hart, aber auch du erinnerst mich an Finn. Einfach alles hier, verstehst du?" „Ja, das verstehe ich... Was möchtest du jetzt machen?"

„Ich würde gerne, von hier weggehen, für eine Weile.", komme ich endlich zum Punkt. „Und wohin? Ich komme gerne mit, mir ist es auch egal, wohin wir gehen.", sagt er lächelnd. Ich senke meinen Blick und versuche ruhig zu bleiben. „Ethan..." „Ja?"

„Ich möchte alleine hier weggehen." Schweigend schaut er mich an. Traurig. Verletzt. „Und für wie lange und wohin?", möchte er leise wissen. „Für einen Monat ungefähr. Ich komme wieder, bevor die Prüfungen losgehen, an der Uni. Wohin, weiß ich noch nicht genau..." Ethan schluckt kräftig und räuspert sich. „Jodie... meinst du das wirklich ernst?" „Ja, Ethan. Es tut mir leid." „Ja, die Vergangenheit kann wehtun. Aber wie ich es sehe, läuft man entweder davon oder man lernt davon." Ethans Worte hallen in meinem Kopf wieder. Es tut mir so Leid... ich habe mich für das Weglaufen entschieden. Ich bin nicht stark genug. „Und was wird aus uns?", fragt er traurig. „Ethan... ich..."

„Ich weiß schon...", unterbricht er mich.

„Danke. Danke für alles, Ethan.", erwidere ich und lächele leicht. „Ich danke dir.", meint er leise. Ich sehe, wie ihm die Tränen in die Augen steigen und auch meine Augen beginnen zu brennen. Aus, vorbei... „Leb wohl, Ethan.", flüstere ich mit tränenerstickender Stimme. „Leb wohl, Jodie... My treasure.", entgegnet er mit trauriger Stimme. My treasure... Ja, so nennt er mich immer. Nein, so hat er mich immer genannt...

Ich bin ihm für so vieles dankbar. Ich weiß noch genau, wie ich ihn zum ersten Mal, beim Joggen gesehen habe. Damals hatte ich ja noch keine Ahnung, dass es mal so kommen wird. Oder als wir zusammen auf dem Maskenball waren und wir die Einzigen waren, die weiß getragen haben. Die gemeinsame Nacht danach. Und als er mir die Liebeserklärung dort gemacht hat.

Es gibt unzählige Momente... Unzählige Erinnerungen... Niemals werde ich Ethan vergessen können. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich das auch gar nicht. Meine Tränen laufen langsam über meine Wangen. Es tut mir Leid... Ethan... Aber es ist besser so.

Ich drehe mich um und folge dem Weg, in den Wald... Wohlwissend, dass ich jetzt einen Neuanfang mache.

Einen Neuanfang, ohne irgendwas oder jemanden, aus meinem alten Leben...

ENDE

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Es kommt noch eine wichtige Info!

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