21. Kapitel

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Schuldgefühle

°Jodies Sicht°

„Weißt du... irgendwie erinnerst du mich ein wenig an sie.", sagt Ethan und ich schaue ihn mit großen Augen an. So viel wie heute Abend, hat er noch nie mit mir gesprochen. Seine Mutter muss schon eine großartige Frau gewesen sein. Wie sagte er noch? Seine Mutter sei, die tollste Frau, die er jemals kennengelernt hat? „Wenn ich dich an sie erinnere... bin ich dann auch eine tolle Frau?", frage ich mit einem schelmischen Grinsen. Was rede ich da eigentlich?! Ich glaube, ich habe eindeutig zu viel Alkohol getrunken! Ich merke wie ich rot werde und senke schnell meinen Blick.

„Ja, du bist eine tolle Frau.", antwortet er plötzlich. Okay, er hat auch eindeutig zu viel getrunken! Wir sitzen ganz nah voreinander und plötzlich streicht mir Ethan eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Langsam nähert sich sein Gesicht meinem. Seine blauen Augen schauen direkt in meine. Unsere Nasespitzen sind nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt. Ich kann seinen Atem auf meinen Lippen spüren. Sein Mund. Sein Blick. Sein Atem. Ich drehe gleich durch!

Plötzlich entfernt er sich wieder etwas von mir und fährt mit seinem Zeigefinger über meine Lippen. Peinlich berührt wende ich meinen Blick ab und drehe meinen Kopf weg. „I-Ich geh jetzt lieber.", stammele ich und stehe auf. Ethan macht es mir gleich und begleitet mich zur Tür. „Bist du mit dem Auto da oder zu Fuß?", fragt er. „Zu Fuß.", antworte ich knapp. „Ich komme noch ein Stück mit.", meint er und zieht sich seine Jacke und seine Schuhe an. Ich ziehe mich ebenfalls an und so verlassen wir die Villa.

Schweigend laufen wir durch den Wald. Erst am Waldrand verabschieden wir uns. „Dann, bis morgen.", sage ich leise und lächele ihn zaghaft an. Er erwidert mein Lächeln leicht und flüstert. „Ja, bis dann." Ich drehe mich um und folge dem Feldweg. Nach einer Weile ziehe ich mein Handy aus meiner Jackentasche und werfe einen Blick drauf. Oh Mist! Es ist schon 22 Uhr... Außerdem habe ich unzählige Nachrichten und sieben verpasste Anrufe. Einige Nachrichten sind von Mick und Finn. Die Anderen sind eher unwichtig. Zwei Anrufe sind von Finn und fünf sind von Mick.

Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. Mick... Oh Gott, Ethan und ich habe uns fast geküsst, obwohl ich mit Mick zusammen bin! Wir haben zwar beide etwas zu viel getrunken, aber das darf trotzdem nie wieder vorkommen.

Endlich erreiche ich unsere WG und gehe die Treppen hinauf, zu unserer Wohnung. Schon von draußen höre ich laute Stimmen. Schnell schließe ich die Tür auf und trete ein. Ich folge den Stimmen ins Wohnzimmer und bleibe erschrocken stehen. Lucy steht weinend im Raum und Finn und Mick schreien sich lauthals an.

„Du bist einfach das Letzte, Mick!", brüllt Finn. So wütend habe ich meinen besten Freund schon lange nicht mehr gesehen. „Ach, sei doch einfach ruhig! Das geht dich gar nichts an!", schreit Mick zurück. Okay, das reicht. „Hey! Was ist hier los?!", unterbreche ich die Beiden wütend. Erschrocken drehe sich alle zu mir um. Lucy rennt schluchzend an mir vorbei, in ihr Zimmer. „Nichts...", murmelt Mick und schaut auf den Boden. „Nach ‚nichts'  hat sich das aber nicht angehört!", lasse ich nicht locker. „Der geht mir einfach auf die Nerven!", knurrt Mick und deutet auf Finn. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, geht auch er in sein Zimmer.

„Finn? Was ist passiert und sag jetzt bitte nicht ‚nichts'." Mein bester Freund schaut auf den Boden und sagt kein Wort. Langsam gehe ich auf ihn zu und stelle mich ganz nah vor ihn. „Bitte, sag mir doch was hier los ist.", flehe ich in einem Jammerton. Finn seufzt und schaut mich endlich an. „Jodie, alles ist gut. Mick und Ich kommen in letzter Zeit einfach nicht so gut miteinander aus." Ja genau, als ob! „Aha, okay.", meine ich in einem kühlen Ton und drehe mich um. Dann sollen sie es doch für sich behalten!

Ich gehe zu dem Zimmer meiner besten Freundin und trete einfach ein. „Hey...", fange ich vorsichtig an und setze mich neben sie auf ihr Bett. Lucy weint immer noch. „Darf ich fragen, warum du weinst?", frage ich leise. Sie wischt sich ihre Tränen weg und sagt: „Die Beiden haben sich so angeschrien, dass ich Angst bekommen habe und angefangen habe zu weinen... Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist." Ich nehme sie in den Arm und drücke sie fest an mich. Nach einiger Zeit verlasse ich wieder Lucys Zimmer und verschwinde in meinem eigenen...

Ich putze meine Zähne und ziehe mich um. Kaum liege ich im Bett, öffnet sich meine Zimmertür und Mick kommt herein. „Hey, Maus. Schläfst du schon?", flüstert er. Ich schließe schnell meine Augen und stelle mich schlafend. Warum mache ich das eigentlich? Mick klettert in mein Bett und legt sich neben mich. Sanft nimmt er mich in den Arm und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. Meine Wut von vorhin ist wie weggeflogen und ich werde von Schuldgefühlen überrollt. Ich darf Ethan nie wieder so nahe kommen! Warum kann nicht wieder alles so wie vorher sein?

Hätte ich damals, so wie immer, den linken Weg genommen, wäre mein Leben vielleicht jetzt immer noch perfekt. Doch ich habe den rechten Weg gewählt und dadurch hat sich mein Leben verändert... Ja, ich wollte mehr Action haben in meinem Leben, aber ich wollte nie, dass es so kommt.

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