Fressanfälle

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Anfangs war es schwer. Immer wieder Fressanfälle, ich log Melina an. Sagte ihr stolz dass ich nichts gegessen habe, obwohl ich tonnenweise Brot gegessen hatte. Ich versuchte zu erbrechen, aber es ging einfach nicht. Mit allen Mitteln versuchte ich diese Fehler wieder geradezubiegen. Ich trank übermäßig viel Wasser und schließlich klappte es doch. Ich wollte dieses Essen nicht mehr sehen, ich war angeekelt davon. Zur Bestrafung wollte ich 1 Woche nichts essen. Ich erzählte Melina nichts davon. Wir schickten uns Bilder von der Zahl die uns zum Weinen oder auch so ein Glücksgefühl gab, so stark wie ich es nie kannte. Ich wog mich ungefähr 4 mal am Tag. Mindestens. Nach jeder Kleinigkeit. Mein Kopf war nur noch da um Kalorien zu zählen. Ich hatte eine komplette Liste für alle Gemüse und Obstsorten. Ich schrieb mein Gewicht jeden Tag auf, gab mir Belohnungen sobald ich unter einer gewissen Zahl war. Eigentlich lebte ich nur dafür, um endlich mal abzunehmen. Meine Mutter bemerkte es, freute sich aber eher darüber. Mein Vater merkte es nicht. Verstecken konnte ich es nicht, vorallem mein Schlüsselbein war stark zu sehen. Auch meine Finger wurden langsam knochig, was mir zur Hälfte gefiel. Gleichzeitig ekelte es mich an. Mein Bauch schrie nach Essen, ich ignorierte die ganzen Warnzeichen. Das kam es. Mein erstes Mal Umkippen. Ich hatte riesiges Glück. In dem Moment war ich in der Garage, kein Mensch war da. Mir war so schwindelig wie noch nie. Ich kippte einfach um und stand irgendwann auf. Trotzdem aß ich nichts an dem Tag. Ich trank lieber meinen ungesüßten Tee und versuchte die Sache zu vergessen. Es war warm geworden. Zumindest für die anderen, ich lag mit mit 2 Jacken und Decken in meinem Bett . Frierend saß ich da, schreibte in meinen Blog meine Erfolge und Ergebnisse auf. Irgendwann löschte ich ihn, begann einen neuen zu schreiben. Ich blieb auf einer Zahl stecken. Es ging nicht mehr weiter. Ich aß nichts mehr und es ging trotzdem nicht mehr weiter runter. Aber ich gab nicht auf. Egal was passieren würde, ich dürfte nicht aufgeben.

Melina hatte angerufen. Sie war auf 36. Ein Kilo. Ein scheiß Kilo und sie hat gewonnen. ,,Yuno. Ich setzte auf 33." ,,Was??" ,, Machst du mit oder nicht? Null Disziplin hast du." Ich fing an lautlos zu weinen. ,, Ich schaff das ! Hure. Denkst du etwa du bist besser als ich?" ,,Wenigstens schaff ich es ohne Fressanfälle. Ich kann das einfach und du? Du bist einfach verfressen." Ich legte einfach auf. Vor Wut schmiss ich das Telefon auf den Boden. Dann schaute ich in den Spiegel. So dünn war ich noch nie. Es gefiel mir eigentlich nicht und doch hatte es was an sich, was mir Lust auf weniger gab.

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