149. Sterbliches Leben

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-Harrys Sicht-

»... Das Rettungsteam konnte aufgrund mehrerer Brandherde und der enormen Rauchentwicklung noch nicht zu der Unfallstelle vordringen. Nach Angaben der Rettungsdienste, bestünde Explosionsgefahr. Die nachfolgenden Züge konnten unbeschadet umkehren und wurden mittlerweile in der französischen Ortschaft Coquelle, nähe Calais, in Empfang genommen. Derzeit gibt es noch keinerlei Anhaltspunkte über den Unfallhergang. Wir werden Sie über die Geschehnisse vor Ort auf dem Laufenden halten. Bei dem betroffenen Shuttle, handelt es sich um die Fahrt...«

Die Stimme des Moderators wurde in meinem Kopf immer leiser. Wie in Watte gehüllt, nahm ich sie nur noch wahr. Doch die Nachricht überrollte meine Vorfreude auf Angelina wie eine zerstörende Dampfwalze.

»Angelina ist bestimmt schon lange in London«, hörte ich Ed sagen. Ich schaute auf meine Uhr und schüttelte den Kopf. »Oder der Unfall war sowieso in der Gegenrichtung. Die Tunnel sind doch voneinander getrennt«, versuchte er mir weiter Mut zu machen, dass ihr nichts passiert sei.

»Hast du eben nicht zugehört?! Die nachfolgenden Züge konnten umkehren und sind jetzt wieder in Frankreich!«, fasste ich für ihn zusammen. »Ed, es kann nur diese Richtung sein. Und das war genau ihre Zugverbindung!!«, teilte ich den beiden schreiend mit. Hier gab es keine Missverständnisse und sie brauchten auch gar nicht versuchen mir etwas anderes einzureden. Angelina hatte mir ihre Verbindung erst gestern noch mal mitgeteilt. Daran gab es keine Zweifel: Es war ihr Zug. Keiner früher. Keiner später. Und keiner in die andere Richtung.

Mein Inneres erschien plötzlich wie ausgestorben. Es war nur noch eine Hülle übrig. Ich konnte mich weder bewegen, noch einen klaren Gedanken fassen. Ich war leer, dennoch war mein Kopf voll mit schmerzhaften Vorstellungen.

»Halt an«, sagte ich, mehr als ruhig, zu Eds Kumpel und verfiel dann in eine emotionslose Starre.

Minutenlang...

-Neutrale Sicht-

Raum und Zeit verschworen sich in diesem Moment gegen Harry. Qualvolle Sekunden voller Stillschweigen vergingen. Gedanken, die keiner haben wollte, krochen empor. Wie gelähmt schien die Atmosphäre im Auto zu sein. Bis auf das Dudeln des Radios fiel kein einziges Wort.

Eds Kumpel steuerte sein Auto hinaus aus der belebten Innenstadt. Der Klang einer Hupe; hektische Autofahrer, die im letzten Moment noch waghalsig die Spur wechseln wollten; Menschen, die nicht abwarten konnten, bis die Fußgängerampel auf grün umschaltete; keiner hatte mitbekommen, was soeben auf dem Weg ins 100 Kilometer entfernten Folkstone geschehen war. Während im Südosten Großbritanniens die Menschen ums Überleben kämpften, ging das lebendige Treiben auf den Straßen Londons einfach weiter als wäre nichts gewesen. Zu unbedeutend war es für die Welt, wenn ein paar Menschen starben, doch das Schicksal, dies wollte es manchmal einfach so. Zu oft hatte man schon versucht es auszutricksen oder gar zu manipulieren. Wem dies gelang war ein Künstler.

Die drei jungen Männer hatte die Stadt inzwischen hinter sich gelassen. Doch wegrennen, von dem was geschehen war, das konnten sie vergessen. Offensichtlich folgte ihnen das Schicksal auf Schritt und Tritt. Wie ferngesteuert versuchte Harry immer wieder seine Freundin zu erreichen. Es war Zwecklos, doch das wusste er nicht. Immer wieder wählte er ihre Nummer, presste sich das Telefon ans Ohr und versuchte es mit der Lautsprecherfunktion, doch das Klingeln lief jedes Mal ins Leere. Mal laut, mal leise.

Der Wagen rollte nur noch, als erneut eine Meldung zu dem Unfall aus dem Radio ertönte. »...Nach Angaben eines Sachverständigen, konnten bislang keine technischen Mängel im Stellwerk festgestellt werden. Die Unfallursache ist weiterhin unbekannt. Das Unglück soll sich kurz vor dem britischen Folkstone ereignet haben. Mehrere Rettungsmannschaften sind dabei, die eingesperrten Passagiere über den Servicetunnel zu evakuieren. Zur aktuellen Stunde gibt es aber noch keine Information über das tatsächliche Ausmaß des Unglücks. Betroffen ist nur der Haupttunnel von Frankreich Richtung England, doch auch die Röhre in die Gegenrichtung, wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt. Sollten Sie Tickets gebucht haben, können Sie sich üb- «

The Story Of Our Life - Fata Viam Invenient | Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt