66. Schattenseiten

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-Harrys Sicht-

Ich hatte eigentlich keine andere Antwort von Angelina erwartet, doch kurz bevor sie mir in die Augen sah, hatte ich bemerkt, wie sie scheinbar einen kleinen, innerlichen Kampf mit sich selbst geführt hatte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber sie wirkte tatsächlich ganz kurz in sich gekehrt, als müsste sie überlegen, was sie uns antworten sollte. Und die viel zu nüchterne Art, in der sie das "nein" rüber gebracht hatte, bekräftigte mich in der Annahme, dass ich nicht ganz so falsch lag mit meiner Vermutung, dass sie gerade irgendetwas beschäftigte, was wir nicht wissen sollten. Unsere Blicke trafen sich bei ihrer Antwort und sie hatte etwas Dunkles in ihren Augen. Dann senkte sie ihren Blick und schaute mich eine ganze Zeit lang nicht mehr an.

War ihr "nein" tatsächlich gelogen? Ich versuchte es herauszufinden und beobachtete aufmerksam, wie sie über den Blödsinn der anderen lachte. Sie wirkte eigentlich recht normal, aber sie schaute mich nicht mehr oft an. Wenn sich unsere Blicke doch mal trafen, schaute sie gleich wieder weg, meist auf ihre Hände. Vielleicht hatte mich meine Intuition nicht im Stich gelassen und sie war doch ein wenig angespannter, als sie es zugeben wollte, auch jetzt noch. Eigentlich fiel es nicht groß auf, aber mir schon, auch wenn sie versuchte, es vor mir zu verstecken.

Die Jungs alberten weiter herum, das Spiel war im vollen Gange. Angelina stellte Zayn die nächste Frage: »Was war das peinlichste, was du je gemacht hast?« Seine Antwort bekam ich nicht mehr mit. Ich rutschte etwas an Angelina heran. Sie sollte meine Nähe spüren, die sie den ganzen Abend so vermisst hatte. Sie sollte wissen, dass ich für sie da war, trotz Verbot. Hinter ihrem Rücken legte ich ein Bein angewinkelt, um sie herum, auf das Sofa. Meinen anderen Fuß hatte ich auf dem Boden stehen, sodass sie irgendwie zwischen meinen gegrätschten Beinen saß. Wohl überrascht über meine plötzliche Annäherung, schaute sie kurz in meine Richtung. Sie sah auf meine Brust, nicht in mein Gesicht. Hatte es wirklich etwas mit dieser Frage zu tun, oder ging es hier immer noch um das schreckliche Verbot, das ich ihr erteilt hatte? Ignorierte sie mich nun einfach, um mich dafür mit eigenen Waffen zu strafen?

Ich strich ihr mit meiner Hand behutsam über den Rücken und ich konnte fühlen, wie sie bei meiner Berührung irgendwie entspannte. Unmöglich bildete ich mir das ein. Es waren nur ganz kleine, unbewusste Zeichen, die ich von ihr wahrnahm, aber sie fühlte sich wohl in meiner Nähe, und die brauchte sie jetzt auch, das spürte ich.

»Du darfst mich anfassen, wenn du willst«, flüsterte ich ihr vorsichtig ins Ohr. Meine Stimme war kaum da und, und gerade tat es mir im Herzen weh, dass ich es ihr den ganzen Abend über verboten hatte.

Mit einem sanften Lächeln schaute sie mir jetzt in die Augen, aber ihre Reaktion war wie befürchtet. Sie fasste mich nicht an, womit sie mir bestätigte, dass irgendwas mit ihr nicht stimmte. Sie blieb einfach sitzen und widmete sich wieder dem Spiel. Wäre alles ok, wäre sie jetzt überglücklich und sie hätte mich wahrscheinlich abgeknutscht. Aber das machte sie nicht. Oder wollte sie mich mit dem Berührungs-Verbot nun wirklich strafen und drehte den Spieß einfach um? Ich kam zu keinem Ergebnis, meine Gedanken drehten sich im Kreis.

»Harry!«, rief Liam. »Wahrheit oder Pflicht?«

»Oh, ahm, Wahrheit«, antwortete ich überrumpelt, als ich auch mal wieder an der Reihe war und es gar nicht mitbekommen hatte.

Liam zog einen Zettel und faltete ihn auseinander. »Jungs, ich glaube das wollen wir nicht wissen, was Harry auf diese Frage hier antwortet. Da kann nichts Vernünftiges bei raus kommen«, meinte Liam.

»Jetzt les schon vor«, drängte ihn Zayn.

»Okay, Harry... Hier deine Frage«, sagte Liam, »Wenn du jetzt, in diesem Moment, mit deinem Partner Schrägstrich Partnerin alleine in einem Raum wärst, was würdest du tun und warum?«

The Story Of Our Life - Fata Viam Invenient | Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt