152. Keiner weiß von uns

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Die Fingernägel meiner Cousine bohrten sich schmerzvoll in meinen Unterarm. »Er wird dir jetzt aber keinen Antrag machen, oder?«, fragte Jay.

»Nein, ich glaube er hat was anderes vor«, antwortete ich unsicher und zitterte am ganzen Leib, denn es würde mein Leben verändern. Es würde unser Leben verändern. Harrys und meines.

Harry setzte sich auf den Bühnenrand. Etwa an der Stelle, an der ich, von einigen Leuten umgeben, stand.

»Bist du ok Harry?!!«, schrie ein aufmerksamer Fan, nicht weit von uns.

Unser Blickkontakt brach ab. »Ich bin ok«, sprach Harry in sein Mikro und zeigte dem Fan seinen, nach oben gerichteten Daumen. »Ich bin immer noch ziemlich geschockt, von dem, was heute passiert ist, aber ich bin ok«, versicherte Harry, bevor er weiter sprach.

»Dieses Mädchen, von dem die Jungs erzählt haben, ist eine wirklich sehr gute Freundin von uns allen, und - wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt - ist sie das besonders für mich«, sagte er und schaute mich an.

»Sie ist einer der atemberaubendsten Menschen, die man sich an seiner Seite vorstellen kann. Und ich hatte wirklich sehr viel Angst um sie. Ich dachte, dass ich sie verloren hätte, und das hat mir die Augen geöffnet. Mir ist klar geworden, wie schnell alles vorbei sein kann, wie sehr unser Leben von Kleinigkeiten gesteuert wir. Die Jungs haben von Schicksal gesprochen, und mein Schicksal hat es mit mir, bis jetzt, eigentlich immer gut gemeint. Danke für all das... dass ich hier auf der Bühne sein darf und mein Traum erfüllen kann. Ich danke wirklich jedem einzelnen von euch, für das, was ihr für uns, als Band, getan habt.« Er machte eine kurze Denkpause, »Es ist mein Traum, auch wenn es deswegen, privat nicht immer einfach für mich war.«

»Harryyy!!!!!«, kreischten ein paar Fans. Er schaute kurz auf und zeigte ein kleines Lächeln. Und dann machte er das, was er in diesem Umfang noch nie getan hatte. Er sprach über sein Privatleben und über seine Gefühle. In aller Öffentlichkeit.

»Seit einigen Stunden grüble ich, was wirklich wichtig für mich ist. Und es ist ein Wunder, dass ich jetzt hier, auf dieser Bühne sitze und euch das alles erzählen kann. Noch vor ein paar Stunden, wollte ich nie wieder eine Bühne betreten... aber es sind definitiv meine Fans, die mir sehr wichtig sind. Alle Leute, die mich in meinem Leben und bei meiner Karriere als Sänger unterstützt haben. Alle die, die an mich geglaubt haben und immer zu mir gehalten haben. All diejenigen werden immer ein wichtiger Teil in meinem Herzen bleiben. Das solltet ihr wissen.«

Die Masse Jubelte, einigen stand aber auch die Angst ins Gesicht geschrieben. Nachdem Zayn schon die Band verlassen hatte, war es verständlich.

»Aber«, unterbrach Harry die Hysterie, »es ist auch meine Familie und meine private Zukunft, die mir wichtig ist. Und die Jungs haben bei der Geschichte, die sie erzählt haben, etwas vergessen... Dieser Junge... Er stand in der Öffentlichkeit nie zu seiner Liebe, und das tut mir in der Seele weh... Ich denke an all die Menschen, die aus kulturellen Gründen nicht zu ihrer Liebe stehen können, an Homosexuelle, die Angst vor Anfeindungen haben müssen, da sie in dieser Welt leider immer noch nicht akzeptiert werden... Es ist vielleicht kein guter Vergleich, aber dieser Junge hatte andere Gründe, warum er seine Liebe verstecken musste«, sagte Harry und schwenkte wieder in die Ich-Perspektive um. »Aber ich möchte mich nicht mehr verstecken müssen, oder ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich ein Mädchen toll finde, weil ich damit andere verletzten könnte. Oder aus Angst davor, dass sie fertig gemacht wird. Aus Angst davor, wie unser Leben - vor allem ihres - dadurch beeinflusst werden könnte.«

Harry sah mich nur kurz an, aber er sprach einzig und alleine zu seinen Fans. Jaycee bohrte ihre spitzen Finger noch weiter in meinen Arm, aber das war mir egal. Ich lauschte seinen Worten und zwang mich dabei zu atmen.

The Story Of Our Life - Fata Viam Invenient | Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt