Langsam wurde es Zeit, sich für die Auswertung unserer Team-Performances in den drei Aufgaben dieses Wochenendes fertig zu machen. Zusammen marschierten Jamie und ich über die Wiese zu unserer Hütte am Ende des Stegs. Dort beschloss ich sofort, dass ich unbedingt duschen musste, bevor ich irgendetwas anderes unternahm, also suchte ich mir rasch mein Badetäschchen, ein neues Outfit und ein Handtuch, bevor ich zum Ufer zurückeilte.
Das Haus, in dem die Duschen und Sanitäranlagen installiert waren, war außen mit Holz verkleidet und machte einen in die Jahre gekommenen Eindruck, aber das Innere war modern und sauber. Es gab einen Gang mit vielen kleinen Duschräumen, einen zweiten, in dem die Toiletten lagen und einen größeren, langgezogenen Raum, in dem Waschbecken mit Spiegeln und Föhns installiert waren. Ich war beinahe allein, die meisten waren entweder noch draußen oder hatten schon geduscht.
Nach vielleicht einer Viertelstunde schlüpfte ich aus der Duschkabine. Ich hatte meine nassen Locken in ein Handtuch gewickelt und trug nun ein lavendelfarbenes Sommerkleid mit mit weißen Punkten und breiteren Trägern. Ich fand, dass das Wetter einfach nach einem Kleid verlangte, und außerdem, ich hatte es extra eingepackt, also würde ich es jetzt auch tragen.
Ich trat in den Raum mit den Waschbecken und wollte gerade gehen, da sah ich Jenny, die anscheinend auf mich gewartet hatte. "Hi", sagte ich, immer noch gut gelaunt, und lächelte sie an. "Was hast du so gemacht, wie ist es dir bei der letzten Aufgabe gegangen?"
"Wer glaubst du eigentlich, dass du bist?", sagte Jenny mit gepresster Stimme und funkelte mich wutentbrannt aus ihren braunen Augen an. "Du glaubst wohl, du kannst jeden haben, mit deinen langen Blondinenhaaren und deinem dämlichen Lächeln." Ihre Worte hallten von den gefliesten Wänden des Raumes wieder, laut und anklagend.
Ich starrte sie für einen Moment verständnislos an. Was hatte ich getan, das mir Jenny so übel nahm, dass sie mich richtiggehend beschimpfte? Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber bevor ich die Frage formulieren konnte, die mir auf der Zunge lag, fuhr sie mich wieder an:
"Frag bloß nicht, wieso, Ani! Du hast gesagt, du willst nichts von Jamie, ich hab dich immer wieder gefragt, und du hast nein gesagt, du hast es versprochen! Und dann, als ich mir Hoffnungen gemacht habe, als er plötzlich an MIR Interesse gezeigt hat, da hast du dann auf ein Mal deine Meinung geändert. Ich weiß schon, wenn er die Wahl zwischen dir und mir hat, dann nimmt er dich, und ich kann dagegen nichts tun, aber ich habe dich vorher gefragt, ich habe mich abgesichert, und jetzt flirtest du mit ihm als hättet ihr das schon immer getan!"
In Jennys Augen standen jetzt Tränen, und sie wirkte sehr aufgewühlt. Ich wusste einfach nicht, wie ich reagieren sollte, ich war total überrumpelt. Natürlich hatte ich mehr als nur geahnt, dass meine Freundin auf eine Beziehung mit Jamie hoffte, aber dass sie so... verzweifelt war, das hatte ich nicht gedacht. "Jenny, ich...", begann ich, aber sie unterbrach mich, bevor ich mich rechtfertigen konnte.
"Hör doch auf", sagte sie, und ihre Stimme war so bitter und ernst, dass mir die Worte im Hals stecken blieben. "Ich weiß, dass Jamie einfach nicht in meiner Liga spielt, aber weißt du, es wäre nett, wenn man sich wenigstens auf seine Freunde verlassen könnte. Ich habe euch gesehen, heute am See. Wie er dich ansieht, wie er dich berührt. Wie ihr im Wasser gespielt habt, wie ihr euch neckt. Wie kokett du wirst, wenn er dich auch nur ansieht. Und weißt du, was Olivia zu mir gesagt hat? Sie hat gesagt, was ihr nicht für ein schönes Paar seid und wie lange es wohl noch dauert, bis Jamie dich fragt, ob du mit ihm gehen willst. Ich bilde mir das nicht ein, Ani. Du hast es versprochen, du hast gesagt, wir sind Freunde, und sobald ihr alleine seid ist dir das alles einfach egal!"
"Jenny, es tut mir leid, aber das ist doch nicht wahr", sagte ich, und ließ in meinem Kopf den Nachmittag am Seeufer Revue passieren. Nein, ich hatte nicht mit ihm geflirtet, jedenfalls nicht mehr als alle anderen auch! Oder?
Meine Freundin - oder war sie das überhaupt noch? - warf mir einen vernichtenden Blick zu. Eine Träne lief ihr über die Wange, und mit einer unwirschen Handbewegung wischte sie sie weg, ohne auf ihr Make-up zu achten. "Du bist so falsch Ani, weißt du das", schluchzte sie schon fast, dann drehte sie sich um und verließ mit schnellen Schritten den Waschraum. Betroffen sah ich meiner ersten Freundin auf der Badboy Academy nach, ohne mir selbst erklären zu können, wie es so weit kommen konnte.
*+*+*
Tief in Gedanken versunken verließ ich das Haus, aber ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Zurück in mein Zimmer konnte ich nicht, ich wollte weder Jenny noch Jamie jetzt unter die Augen treten. Jennys Worte hatten mich zu tiefste getroffen, denn sie hatte im Grunde Recht gehabt. Ich war nie ehrlich zu ihr gewesen, ich hatte ihr nie von Jamies Kuss erzählt. Vielleicht zurecht, denn ich kannte sie noch nicht lange und wir waren nicht so enge Freunde, dass wir alles miteinander teilten. Aber dass ich gesehen hatte, wie Jamie das Mädchen am Autobahnrastplatz geküsst hatte, hätte ich ihr sagen müssen, ich hätte sie warnen müssen, dass Jamie nichts von Treue hielt und auch nicht auf eine Beziehung aus war. Er wollte bloß "Erfahrungen sammeln", das hatte er selber gesagt.
Ich hatte es verbockt, ich hatte meine einzige Freundin, die ich bisher hier gefunden hatte, hintergangen und das, ohne mir der Konsequenzen meines Tuns zur Gänze bewusst zu sein. So eine Blamage. Unschlüssig blieb ich vor dem Gebäude stehen und schaute hinüber zum See. Obwohl die Sonne noch schien und sich nicht wirklich etwas verändert hatte schien es mir, als wäre alles trüber als zuvor. In diesem Moment hörte ich eine Stimme, die mir sofort vertraut war.
"Chérie! Was machst du denn für ein Gesicht, es ist doch so ein schöner Tag, non?", zwitscherte Lou, die vom Seeufer her auf mich zusteuerte und mich breit anlächelte. Ihre dunkelbraunen Locken wippten mit jeder Bewegung und sie trug ein kurzes weißes Sundress, das ihr hervorragend stand. Alles in allem wirkte sie, als wäre sie einem Magazin entsprungen, von ihrem perfekten Look bis zu ihren geschmeidig-eleganten Bewegungen.
Ich nickte nur zustimmend, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Es war alles, alles meine Schuld, ich hätte einfach mit Jenny reden können, und dann würde sie mich jetzt nicht hassen. Wie auf Knopfdruck begannen meine Augen zu brennen und ich blinzelte verzweifelt, um die Tränen zurück zu halten.
"Oh, Chérie, was ist den mit dir los! Du weinst ja!", rief sie aus, ihr Gesicht besorgt, und dann umarmte sie mich, und versuchte, mich zu trösten, während ich ihr leise erzählte, was zwischen Jenny und mir vorgefallen war.
Als ich fertig war, schüttelte meine Zimmergenossin den Kopf. "Ihr filles folles! Und alles wegen einem Jungen, der keine von euch wirklich will und keine von euch wirklich verdient hat! Na komm, Chérie, das wird schon wieder, jetzt kommst du erstmal mit in mein Zimmer, und dann sehen wir weiter."
So folgte ich ihr bis zu der schwimmenden Hütte, die genau neben unserer lag und die sie sich mit Simon teilte, weil sie beide Mitglieder des Schulkommitees waren. Von der Einrichtung her war sie fast ident mit unserer Hütte, was kein Wunder war. Auf dem Tisch thronte ein riesiger Make-up Koffer, der, wie ich vermutete, den gesamten Inhalt von Lous Schminktisch in unserem Zimmer in der Badboy Academy beherbergte.
Auf einem der drei Betten saß Simon mit einem Laptop auf den Knien. Er trug Kopfhörer, sah aber auf, als Lou und ich eintraten. Verwundert zog er eine Augenbraue hoch, als er mich bemerkte, und ich wusste, dass man mir deutlich ansah, dass ich geweint hatte. Lou machte eine abwinkende Handbewegung, bevor er unangenehme Fragen stellen konnte, und er wandte sich schulterzuckend wieder seinem Computer zu, wofür ich insgeheim ziemlich dankbar war.
Lou war ein Schatz; sie plauderte unentwegt, ohne eine wirkliche Beteiligung von meiner Seite zu erwarten und versuchte, mich abzulenken, was ihr eigentlich gut gelang. Bald lachte ich über ihre verrückten Anekdoten aus ihrer Zeit an der Academy und machte mir nicht mehr so viele Sorgen über Jenny und Jamie. Während sie erzählte hatte, hatte sie mich auch geschminkt, und zwar so, dass man nicht sah, dass ich geweint hatte und es außerdem ausgezeichnet zu meinem Kleid passte.
Als sie fertig war, stellte sie mich vor den Spiegel und verschwand dann, um selber schnell duschen zu gehen, bevor es zu spät wurde. Simon klappte seinen Laptop zu und sah zu mir hinüber, ein leises Lächeln auf seinem Gesicht. "Sie ist schon etwas Besonderes, unsere Lou. Sie hat wirklich ein Talent dafür, zu wissen, was andere brauchen".
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Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...