28. Lügen mit langen Beinen

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Für einen Moment herrschte Schweigen während Olivia und Jenny bei mir und Jamie Platz nahmen. Meine Gedanken rasten. Das konnte nur in einer Katastrophe enden, ich wusste es einfach. Warum war ich noch mal hier?! Ach ja, Frühstück. Irgendwie war mir der Appetit vergangen. 

Jenny nahm einen großen Schluck von ihrem Kaffee, wischte sich vergnügt den Milchschaum von den Lippen und wandte sich dann an mich, ihre Augen vor Schadenfreude funkelnd: "Na, Ani, worüber haben Jamie und du gesprochen? Sah jedenfalls unheimlich spannend aus, oder, Olivia?". Diese nickte zustimmend, und plötzlich fand ich mich im Zentrum der Aufmerksamkeit wieder. Alle starrten mich an, Jamie mit einem undefinierbaren Blick und einem leisen Lächeln auf den Lippen. Ich spürte, wie ich rot wurde. Mist. Was sollte ich jetzt nur sagen? 

"Ähh, nein, war überhaupt nichts Interessantes, wirklich... wir haben nur...", stotterte ich, nicht besonders überzeugend. Oh, das war schrecklich. Ich hatte das Gefühl, gleich im Boden versinken zu müssen. Verlegen sah ich zu Boden. 

"Los Ani, nur immer raus mit der Sprache!", forderte mich Olivia auf. "Genau, wir sagen auch nichts weiter", flötete Jenny und warf mir einen verschwörerischen Blick zu. Nun räusperte sich Jamie, und ich wusste noch bevor er den Mund aufmachte, dass meine kleine Lüge nun an die allgemeine Öffentlichkeit - also die Badboy Academy Gerüchteküche - weitergereicht werden würde. Es gab nichts, das ich jetzt noch dagegen unternehmen konnte.

"Ach, dann wisst ihr es noch nicht?", meinte Jamie in unschuldigem Tonfall. "Nun, Ani war gerade dabei mir von ihrem Freund zu erzählen! Ich war ganz schön überrascht, das kann man schon sagen, vor allem bei dem, was man sich so erzählt... Aber ja, ich bin mir sicher, dass alles seine Gründe hat, oder, Ani?"

Ich nickte stumm. Was sollte ich auch groß anderes tun? Olivia machte ein Gesicht, als hätte ich ihr das beste Geschenk aller Zeiten gemacht. Sie konnte es wahrscheinlich nicht erwarten, allen davon zu erzählen, was sie gerade erfahren hatte. Jenny hingegen war der Schock deutlich anzusehen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie verletzt sie sich fühlte - schließlich hatte ich ihr nicht ein Wort davon erzählt, dass ich irgendeinem Typen näher gekommen war. Und jetzt erfuhr sie plötzlich ausgerechnet von Jamie, dass ich vergeben war. Schlimmer konnte es ja eigentlich gar nicht mehr kommen. 

"Was? Warum weiß ich davon nichts!", rief Jenny empört. "Sorry, ich...", murmelte ich, aber sie schien meine Entschuldigungen gerade absolut nicht hören zu wollen, ja, sie tat gerade so, als hätte ich nichts gesagt und redete einfach weiter. "Ani, wer? Wirklich, wie konntest du mir so etwas verheimlichen? Ich dachte, wir wären Freundinnen! Wer? Kenne ich ihn überhaupt? Oh, er ist älter, oder? Natürlich ist er das! Aber warum hast du mir nichts gesagt! Ani! Wie konntest du nur!"

Olivia legte Jenny beruhigend eine Hand auf den Arm. "Hey, Jenny, ist doch schön für Ani, dass sie jemanden gefunden hat, der zu ihr passt. Oder?", sagte sie, doch die Art, wie sie sprach, wie sie das Wort schön betonte, verriet mir, dass sie sich definitiv an meiner misslichen Lage erfreute und nur noch mehr Salz in die Wunde streute. Jamie hatte sich entspannt zurückgelehnt und beobachtete zufrieden das Drama, das sich vor seinen Augen abspielte. Ich wollte einfach nur weg von hier. Wenn möglich sofort. Viel schrecklicher konnte es eigentlich ja nicht mehr werden. 

Jenny schien sich zusammenzunehmen, denn ihr nächster Satz war definitiv ruhige als zuvor: "So, Ani. Also sag schon: Wer?".

Ich zögerte. Was sollte ich sagen? Sollte ich meine Lüge zugeben? Ich warf einen unsicheren Blick in die Runde. Olivias höhnisches Lächeln, Jamies Pose, als würde er gerade einen unterhaltsamen Film sehen - und Jenny, die vollkommen überrumpelt und ziemlich verletzt war. 

Nein. Ich konnte da jetzt nicht aufhören, zu lügen. Unmöglich. Also nahm ich einen tiefen Atemzug, lächelte gezwungen und sagte dann, leise, aber klar: "Thomas. Es ist Thomas, aber wir wollten es nicht gleich an die große Glocke hängen, ihr wisst schon, wegen dem ganzen Klatsch und Tratsch..."

Ich beobachtete verlegen ihre Reaktionen. Würden sie mir glauben? War ich überzeugend genug? Jenny und Olivia tauschten überraschte Blicke, so, als hätten sie definitiv einen anderen im Verdacht gehabt. Jamie aber saß plötzlich stocksteif in seinem Stuhl, und seine Züge entgleisten für einen Moment, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte und das schiefe Lächeln wieder auf seinen Lippen erschien, das all seine wahren Emotionen unter einer gut geschulten Maske verbarg.

"Also... ich geh' dann einmal, Tschüss", murmelte ich, und erhob mich schnell von meinem Platz. Weg, nur weg, bevor sie mir noch mehr unangenehme Fragen stellen würden, die ich nicht beantworten konnte. Schwungvoll erhob ich mich von meinem Stuhl, machte ein, zwei hastige Schritte - und prallte gegen jemanden. 

"Oh.", dachte ich. "Oh nein, das kann doch nicht wahr sein!" Aber natürlich, genau jetzt musste Thomas zum Frühstücken in den Speisesaal kommen. Und in mich hineinlaufen. "Ani! Guten Morgen", begrüßte er mich amüsiert. "Na, du hast es aber eilig!". Ich lächelte ihm kapp zu und wollte an ihm vorbei eilen, zu Tür, einfach nur weg. 

Da hörte ich Jamies Stimme in meinem Rücken, und ich spürte förmlich, wie mein Lügengerüst, das ich in den letzten Minuten aufgebaut hatte, zu wanken begann. "Ah, da ist ja der, über den wir grad alle geredet haben! Thomas, da hast du dir ja mit Ani ganz schön etwas eingefangen. Aber naja, was kann man schon machen, wenn es Liebe ist..."

Olivia kicherte gekünstelt, und fügte dann hinzu: "Oh, ihr seid so ein hübsches Paar. Ihr ergänzt euch perfekt, wirklich". Ich drehte mich um, um ihnen wenigstens ins Gesicht sehen zu können. Meine Flucht war wohl endgültig gescheitert. Jetzt war alles aus. 

Ich schielte zu Thomas hinüber, der neben mir stand. Oh, er sah gut aus, wie immer. Halblanges blondes Haar, tiefe graublaue Augen und scharfe, beinahe aristokratische Gesichtszüge, auf denen sich gerade Verwirrung spiegelte. Bei Olivias Worten hob sich eine seiner Augenbrauen, zweifelnd und ein bisschen spöttisch. Diesen Ausdruck kannte ich gut, und ich musste trotz meiner Situation grinsen. 

Außerdem, und das hatte ich jetzt realisiert, gab es doch noch einen Weg, wie das alles glimpflich über die Bühne gehen konnte. "Danke, echt lieb von euch, aber wir müssen jetzt los, wir haben, Zeug zu tun, ihr wisst schon, Tschüss!", rasselte ich schnell hinunter, dann nahm ich Thomas Hand und zog ihn in Richtung Ausgang. Zum Glück schien er nichts dagegen zu haben, dann er folgte mir artig, bis wir den Speisesaal verlassen hatten und uns auf einem der unzähligen Wege befanden, die über das grüne Gelände der Academy führten. 

Dann, ziemlich plötzlich, schien er genug davon zu haben, von mir durch die Gegend gezerrt zu werden, und er blieb abrupt stehen, so, dass ich erneut gegen ihn stolperte. "So", sagte er, sein Gesicht ausdruckslos und beinahe kalt. Seine Augen waren hart. Ich schluckte. Jetzt war es soweit. Ich nahm einen tiefen Atemzug, und dann sagte ich das erstbeste, das mir in den Sinn kam: "Es ist alles Jamies Schuld!"




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