Endlich war es so weit. Schon gestern waren alle in heller Aufregung herumgelaufen, es hatte Gerüchte über Gerüchte gegeben und zwei Mädchen aus der zweiten Klasse hatten sich einen kreischenden Zickenkrieg beim Abendessen geliefert, bis eine von ihnen wutentbrannt die andere geohrfeigt hatte, und dann in Tränen aufgelöst den Speisesaal verlassen hatte. Heute war die Spannung kaum auszuhalten.
Weder Lou, noch Thomas, noch die meisten anderen aus dem Schul-Kommitee waren anwesend gewesen - sie waren tatsächlich fast rund um die Uhr im Einsatz, damit morgen alles perfekt war.
Simon und Maja, mit denen ich an unserem üblichen Tisch saß, hatten wieder einmal eine ihrer kitschigen Ich-kann-ohne-dich-nicht-leben-Phasen, und verbrachten den Großteil des Abendessens damit, sich zu küssen. Ich beachtete die beiden nicht weiter - ich gab ihnen maximal zwei Tage, bevor diese Einigkeit genau so aprubt endete, wie sie begonnen hatte. So lief das zwischen der rothaarigen besten Freundin Lous und Simon schließlich schon seit Monaten.
Ich rührte langsam in meinem Risotto. Es schmeckte zwar gut, aber ich hatte einfach keinen Hunger mehr. Gerade wollte ich mch verabschieden und gehen, da ließ sich jemand gegenüber von mir in den Sessel fallen.
"Hey, Ani", flötete Jenny mit einem Lächeln, das sogar echt wirkte. "Bist du morgen Abend auch bei Lou zum Schminken?" Verblüfft starrte ich sie an. Mein Löffel entglitt meinen Fingern und landete im Reis. Was sollte das schon wieder? Jenny war so unberechenbar, dass ich gar nicht anders konnte, als misstrauisch zu sein - das letzte Mal, als wir uns außerhalb des Unterrichts gesehen hatten, hatte damit geendet, dass ich weinend davongelaufen war.
"Hey Jenny", murmelte ich, vermied es aber, sie anzusehen. "Oh, wisst ihr was, ich bin auch bei Lou, das wird bestimmt lustig", mischte sich Maja ein, die sich nun anscheinend doch von Simon gelöst hatte. Sofort begann Jenny, mit ihr zu plaudern. Während die beiden die Vor- und Nachteile von flüssigem Concealer und Puder besprachen und spekulierten, wer nach dem Wochenende mit wem in ein ein Zimmer kommen würde, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Was machte Jenny hier, an unserem Tisch? Und wo waren Olivia und der Rest ihrer Clique, ohne die sie doch normalerweise keinen Schritt machte?
Nach ein paar Minuten verabschiedeten sich Maja und ihr Freund, und schlenderten Händchen haltend aus dem Speisesaal, der sich allmählich leerte.
"Ani?", fragte Jenny vorsichtig. Toll, ich mußte sie wohl anschauen, wenn ich nicht vollkommen gemein sein wollte. Wäre ich doch nur gegangen, als ich noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte! Jetzt war es zu spät - ich musste wohl oder übel mit ihr reden.
Ich blickte auf. Meine ehemalige Freundin hatte ihr kurzes Haar heute mit einem Haarreifen gebändigt, und ihr schlichtes rotes Top stand ihr gut. Sie wirkte nervös, irgendwie, auch wenn sie mich anlächelte. "Was ist denn?", stellte ich die Gegenfrage, obwohl ich wirklich keine besondere Lust hatte, mit ihr zu reden.
"Naja, weißt du... Ich hab' Mist gebaut, Ani. Und ich wollte... Ich habe mit Jamie drüber geredet, wie das damals war, beim Kennenlernwochenende. Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe. Wirklich, sorry, das war nicht okay."
Ich war sprachlos. Jenny hatte in den letzten Wochen alles getan, um sich über mich lustig machen und über mich zu lästern. Sie hatte mir mein Leben mehr als nur schwer gemacht. Trotzdem fühlte ich mich plötzlich viel besser. Der Knoten in meinem Bauch, den ich seit dem Beginn unseres Streits mit mir herumgetragen hatte, löste sich ein wenig. Ich mochte es nicht, Leute zu haben, mit denen ich nicht gut zurecht kam, mit denen ich "verfeindet" war. Irgendwie war ich erleichtert.
Jenny fuhr sich nervös durch die Haare, und ich merkte, dass ich ihr noch immer irgendeine Form von Antwort schuldete. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber das andere Mädchen war schneller. "Außerdem, die Mathe-Aufgaben waren viel einfacher, als wir sie gemeinsam gemacht haben", meinte sie, und grinste mich breit an, bevor sie zu kichern begann.
Ich stimmte mit ein. Sie hatte ja recht. Zumindest ein bisschen.
*+*+*+*
In Lous Badezimmer sah es aus wie in einem Schminksalon. Auf einem kleinen Tischchen stapelten sich unzähliche Boxen von Lidschatten- und Highlight-Paletten, dazu Concealer, Abdeckpuder und noch hundert andere Dinge, die ich nicht benennen konnte. In verschiedenen Körbchen, die auf der Ablage unter dem großen Spiegel aufgereiht waren, gab es die verschiedensten Pinsel und Schwämme, Eyeliner, Maskara, Schminkstifte - alles hatte seinen eigenen Platz, seine eigene Ordnung. Auf dem Badewannenrand hatte Lou ihre gesamte Nagellack-Kollektion aufgestellt, sorgsam nach Farben sortiert. Und alles hatte die seltsamsten Namen, die Hälfte davon auf Französisch, die ich kaum aussprechen konnte. Wow. Ich war, um ehrlich zu sein, mehr als nur ein bisschen beeindruckt.
Ich hatte zwar gewusst, dass Lou ihr Make-Up fast genau so liebte, wie ihre französischen Pop-Songs, aber dass sie eine solche Sammlung hatte, damit hatte ich nicht gerechnet. In meiner Tasche hatte ich mein eigenes Schminkzeug mitgebracht, aber so, wie es hier aussah, würde ich das heute wohl nicht brauchen. Ob Maja und Jenny auch ihr eigenes mitbringen würden? Ich war schon etwas früher zu Lou gekommen, gerade, als Simon gegangen war. Die anderen Mädchen würden erst in einer halben Stunde kommen, um sich gemeinsam mit uns für die Party fertig zu machen.
Lou kam gerade aus dem Schlafzimmer, als ich wieder zurück ins Wohnzimmer trat. Sie hatte sich umgezogen, und warf sich dramatisch in Pose. "Wie sehe ich aus, Chèrie?", zwitscherte sie vergnügt und drehte eine kleine Pirouette, damit ich ihr Outfit bewundern konnte.
Sie trug nun ihr "böse Königin"-Kostüm, das ich zwar schon von unserem gemeinsamen Online-Shopping kannte, aber doch in der Realität und nicht nur auf einem Foto noch ganz anders wirkte. Das trägerlose violette Satinkleid mit dem schwarzem Spitze-Rock an, der mit ebenfalls violettem Stoff unterlegt war, passte Lou wie angegossen. Der Rock endete bei der Hälfte der Oberschenkeln, während die schwarze Schleppe bis zum Boden fiel. In den schwarzen Stoff waren filigrane Muster eingearbeitet, die im Licht schimmerten, und der dunkelviolette, schimmernde Farbton stand Lou mehr als nur gut. Sie sah aus, als würde sie eine Rolle in einem Märchenfilm spielen - sie brauchte nur noch einen Apfel und eine Krone, und schon war sie perfekt für jede "Schnewittchen"-Neuverfilmung.
Natürlich, das Make-up fehlte noch, aber sonst... Ich grinste sie an. "Du siehst toll aus", antwortete ich ihr ehrlich. Ich stellte meine Tasche ab, und wollte mich nun eigentlich auch umziehen, da fiel mein Blick auf das kleine Packet, das ich schon den ganzen Tag mit mir herumtrug. Das Geschenk!
So unauffällig, wie ich konnte, nahm ich die Schachtel heraus und verschwand dann mit einem schnellen "Bin gleich wieder da, ich zieh' mich auch um!" im Schlafzimmer, wo mein Kleid schon auf mich wartete.
Ich schlüpfte hinein, und war erstaunt, dass es eigentlich sehr bequem war. Der Stoff war natürlich nicht von der besten Qualität, aber er kratzte nicht und sah außerdem toll aus. Ich würde mich als verrückte Alice im Wunderland verkleiden, schließlich war heute Halloween, aber ohne die blutige Schürze sah ich geradezu niedlich aus. Das Kleid war himmelblau, hatte Puffärmel und ein korsettartiges Oberteil, das nicht zu tief ausgeschnitten war. Der Rock hatte mehrere Schichten, von denen der hauchdünne Tüll-Oberrock ein gutes Stück über meine Knie fiel. Mit einem letzten Blick in den Spiegel band ich mir die kleine weiße Schürze um, bevor ich wieder hinaus ins Wohnzimmer trat, die kleine Geschenkbox hinter meinem Rücken versteckt.
Lou hatte mich schon erwartet, und sprang auf, als sie mich sah. "Chèrie, magnifique! Das steht dir wirklich sehr gut, très mignonne!", lobte sie begeistert. Ich lächelte.
"Danke! Lou, weißt du was? Ich hab eine Überraschung für dich!", meinte ich und zog mit einer schwungvollen Bewegung das kleine Päckchen hervor und hielt es ihr entgegen. "Alles Gute zum Geburtstag!" Ich hatte es mit ein wenig rosa Papier eingepackt, und Valentin hatte mir geholfen, eine große weiße Schleife zu binden.
Lou gab einen überraschten, erfreuten Quietschlaut von sich, dann lief sie fröhlich auf mich zu und schlang ihre Arme um mich. "Hey, du hast es ja noch nichtmal aufgemacht", lachte ich und erwiederte die Umarmung.
"Das stimmt." murmelte sie, "Aber ich bin einfach froh, dass du mich nicht vergessen hast. Merci, Chèrie."
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Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...